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"Braunkohle ist nicht ersetzbar"

Der brandenburgische Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns lehnt die vom Bundestag für die Braunkohle beschlossenen Regeln zum Emissionshandel ab. Mit den Beschlüssen sei "nichts an CO2-Emission reduziert, sondern nur der einheimische Energieträger Braunkohle verteuert worden", kritisierte der CDU-Politiker. Brandenburg werde im Bundesrat gegen das Gesetz stimmen.

Moderation: Silvia Engels |
    Silvia Engels: In der Union gab es Gegenstimmen gegen das gerade beschlossene Gesetz über den Emissionshandel. 29 Abgeordnete der Union und 15 Abgeordnete der SPD stimmten mit Nein. Speziell Mitglieder des CDU-Wirtschaftsflügels fürchten eine zu starke Belastung der Unternehmen, speziell der Energieproduzenten, die besonders viel CO2 produzieren. Besonders stark wird die Umwelt mit Kohlendioxid belastet, wenn Braun- oder Steinkohle verbrannt wird. Nordrhein-Westfalen, wo nach wie vor viel Kohle abgebaut und in Kraftwerken zur Stromgewinnung genutzt wird, lehnt das neue Gesetz ab. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers sagte heute Früh im Deutschlandfunk:

    "Wir wollen, dass die Braunkohlekraftwerke und die Steinkohlekraftwerke in Nordrhein-Westfalen erneuert werden. Insofern haben wir kein Verständnis dafür, dass jetzt mit den neuen Regeln, die in Berlin verabredet worden sind, die Steinkohle und die Braunkohle massiv benachteiligt wird. Wenn wir wirklich das CO2-freie Kraftwerk entwickeln wollen, dann müssen wir jetzt in moderne Kraftwerke investieren. Das ist noch ein langer technischer Weg. Und wer jetzt die Neuinvestitionen behindert, der schädigt die Umwelt. Das ist mein Vorwurf an den Bundesumweltminister Gabriel." (Text/ MP3-Audio )

    So weit Jürgen Rüttgers, und am Telefon ist nun Ulrich Junghanns (CDU). Er ist der Wirtschaftsminister von Brandenburg. Guten Tag!

    Ulrich Junghanns: Guten Tag!

    Engels: Herr Junghanns, auch in Brandenburg wird viel Braunkohle gefördert und verstromt. Stimmen Sie Herrn Rüttgers zu mit seiner Kritik?

    Junghanns: Ja! Es ist in der Tat so. Die Diskussion, die wohl heute auch im Bundestag geführt worden ist, stellt Braunkohle gegen Klimaschutz. Und dabei wird verkannt, dass man Klimaschutz und Versorgungssicherheit nicht voneinander trennen kann. Mit den Beschlüssen heute ist nichts an CO2-Emission reduziert, sondern nur der einheimische Energieträger Braunkohle verteuert worden. Das ist ein falsches Signal.

    Das sage ich besonders vor dem Hintergrund, dass wir in Brandenburg a) eine Pilotanlage zur Abscheidung von CO2 in Betrieb schon genommen haben mit dem Ziel, das großkraftwerksseitig schnellstmöglich zur Wirkung zu bringen, und zweitens auch uns darum kümmern, dass die abgesonderten CO2-Stoffe dann sicher gelagert beziehungsweise auch weiter verwendet werden können.

    Engels: Haben Sie denn ein grundsätzliches Problem mit der Einigung, oder - so ähnlich klingt ja auch Jürgen Rüttgers - kommt das einfach alles zu schnell, dass man noch nicht auf dem Stand der Technik ist, dass die Braunkohle einfach auch klimaschutzfreundlicher wird?

    Junghanns: Wir sind hier in einem Prozess, der durch den Erkenntnisfortschritt zum Klimaschutz natürlich stark forciert wird. Aber dieser Druck, der ist ja gut. Wir wollen gemeinsam Klimaschutz. Auch die Beschlusslage im Bundesrat sagt, Benchmark für Braunkohle und CO2-Versteigerung, also Zertifikatsversteigerung. Der Bundesrat bringt genau das zusammen, was notwendig ist: neue Instrumente, um auch CO2 einzupreisen, mit marktwirtschaftlichen Hebeln dem CO2-Ausstoß entgegenzuwirken. Aber gleichzeitig schreibt der Bundesrat die Braunkohle nicht ab, indem er sie verteuert, sondern er initiiert mit dem Benchmark eigentlich die Modernisierung der Kraftwerke. Denn wir sind uns über alle, sage ich mal, Energieträgerfraktionen einig, dass wir stark die erneuerbaren Energien brauchen. Aber wir sind uns auch einig, die Braunkohle ist nicht ersetzbar. Sie ist nicht rausradierbar aus dem Energiemix.

    Und mit Blick auf den Umweltminister im Bundestag sage ich, er muss doch wissen, dass der Energiekonsens der Zukunft, der neue Energiemix international nur zu Stande gekommen ist, weil alle Partner dieses globalen Themas natürlich auch mit der Braunkohle rechnen - nicht mit der Braunkohle heute, sondern mit der Clean-Kohle, also mit Technologien, die die Kohle über dieses Jahrhundert hinweg nutzbar halten, mit Technologien, die den CO2-Ausstoß reduzieren, ja vielleicht fast unmöglich machen, um damit voranzukommen.

    Engels: Bis wann wäre das technisch möglich? Und direkt damit kombiniert: Der Bundesrat überlegt in der Tat - Sie haben es angesprochen - über Alternativen. Will man da denn dieses Gesetz komplett stürzen, wie es jetzt steht?

    Junghanns: Die Technologien sind im Vormarsch. Wir wollen europaweit weitere, viel mehr noch Versuchsanlagen haben. Dazu sind wir uns auch mit der Europäischen Kommission und dem entsprechenden Kommissar einig. Realistische Bewertungen sagen 2015 bis 2020 sind sie anwendungsbereit auch im Großkraftwerksbereich. Der Druck wird sich erhöhen. Vielleicht kann man auch noch beschleunigen.

    Was wir jetzt brauchen? Ich betone noch mal: Mit dieser Festlegung heute im Bundestag ist nichts an CO2 reduziert, nur die Kohle verteuert, schlechter gestellt, was diesen Prozess nicht befördert. Was wir wollen ist ein Braunkohle-Benchmark. Der Ansatz ist, dass neben der CO2-Zertifizierung …

    Engels: Darf ich Sie unterbrechen? Braunkohle-Benchmark, um das noch mal klarzustellen, meint in diesem Zusammenhang eine etwas großzügigere Regelung.

    Junghanns: Eine Bewertung: Alles was über 870 Gramm erfolgt - wir reden zwischen 870 und 950 Gramm -, ist eine richtige Bewertung des Energieträgers Braunkohle.

    Engels: Das heißt, das wäre mehr, als jetzt im Gesetz steht.

    Junghanns: Jetzt sind wir gleichgestellt mit der Steinkohle. Da sind wir bei 750 Gramm CO2 je Kilowattstunde, und das ist eine schlichte Verteuerung.

    Engels: Werden Sie im Bundesrat, wie Jürgen Rüttgers es ankündigt, gegen dieses Gesetz stimmen?

    Junghanns: Ja! Wir werden alle Möglichkeiten nutzen, um diese Position durchzusetzen.

    Engels: Ökologen sagen andererseits, die Braunkohlekraftwerke seien im Gesetz eh schon bevorzugt worden, denn man habe ihnen gegenüber Gaskraftwerken, bei denen man CO2-freundlichere Ausstoßwerte annehmen kann, eine längere Betriebsdauer ermöglicht. Was halten Sie dem entgegen?

    Junghanns: Das ist, ja sagen wir mal, die weiße Salbe, wo dann versucht wird, an anderen Stellschrauben zu vermeintlichen Vergünstigungen zu kommen. Mit diesem Instrument wird nicht das erreicht, was man mit einem separaten Benchmark erreichen will. Hier ist es eine Verbesserung an einzelnen Stellen, die den differenzierten, sagen wir mal, Kraftwerkspark nicht ausreichend berücksichtigt. Und es muss uns darum gehen, um das mal grundsätzlich zu sagen, dass wir in dieser Diskussion, die wir richtigerweise im Klimaschutz führen, auch nicht verkennen, dass für Versorgungssicherheit, für Unabhängigkeit die Braunkohle in der nationalen Energiediskussion immer eine Rolle spielt. Dazu gehört, sie auch in den Zertifikaten einzupreisen.

    Engels: Versorgungssicherheit sagen Sie. Ist es nicht in Wirklichkeit dann auch viel stärker noch der Kampf um Arbeitsplätze gerade in Ihrer Region?

    Junghanns: Selbstverständlich, aber man traut sich heute fast, das gar nicht mehr zu sagen, dass es auch um Arbeitsplätze geht.

    Engels: Ist das wichtiger als Klimaschutz?

    Junghanns: Nein, nein, nein! Wir machen keine Produktion um jeden Preis. Die Abwägung Klimaschutz und Arbeitsplätze gehört für uns nicht gegeneinander gestellt, sondern sie gehört zusammen. Das ist ja das Schräge auch in der zum Teil schrägen Diskussion öffentlich, dass man versucht, dies gegeneinander aufzurechnen. Wir sagen, wir brauchen die Braunkohle weiterhin, Versorgungssicherheit, wenn sie technologisch auch weiterentwickelt wird. Das muss geleistet werden, und da vertrauen wir natürlich darauf, dass das gelingt. Da gibt es viele gute Begründungen, dass es gelingen wird. Und zweitens sagen wir, weil wir sie brauchen, ist das natürlich dann auch eine wichtige Komponente in der Arbeitsplatzbilanz. Aber ich weiß, weil manchmal mir entgegengehalten wird, diese Arbeitsplatzdiskussion sei gar nicht im richtigen Verhältnis zur klimawirtschaftlichen Bedeutung. Wir reden über die Notwendigkeit der Kohle und damit einhergehend geht es uns um wichtige Arbeitsplätze.

    Engels: Ulrich Junghanns (CDU). Er ist der Wirtschaftsminister von Brandenburg. Ich bedanke mich herzlich für das Gespräch.