Donnerstag, 25. April 2024

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Braunkohleabbau im Hambacher Forst
"Ausstieg aus der Kohle ist längst überfällig"

Er habe vollstes Verständnis für den Protest gegen die Rodung des Hambacher Forsts, sagte der Bürgermeister der Stadt Erkelenz, Peter Jansen, im Dlf. Doch die Bevölkerung "schreie nach Energie". Jansen forderte, dass man eine "klare andere Zielrichtung hier mit Energiewende auflegt".

Peter Jansen im Gespräch mit Ute Meyer | 14.09.2018
    Der Tagebau Hambach schiebt sich an den Hambacher Forst. Der Hambacher Forst zwischen Köln und Aachen gilt als Symbol des Widerstands gegen die Kohle. RWE will für den Braunkohleabbau mehr als 100 der verbliebenen 200 Hektar Wald abholzen.
    Ein Stopp der Umsiedlungen sei zum jetzigen Zeitpunkt "abolut schwierig", sagte (picture alliance/Federico Gambarini/dpa)
    Ute Meyer: Der Braunkohletagebau im Rheinland bedroht die Reste des Hambacher Forstes. Und ihm sind bereits ganze Ortschaften zum Opfer gefallen. Gerade eben in der Reportage haben wir von dem letzten noch verbleibenden Widerstand gegen den Tagebau im Örtchen Keyenberg gehört, eine Gemeinde, die zur Stadt Erkelenz gehört.
    - Und ich spreche jetzt mit dem Bürgermeister der Stadt Erkelenz, mit Peter Jansen von der CDU. Herr Jansen, jahrelang haben Sie, haben die Bürger Ihrer Stadt sich gegen Umsiedlungen wegen des Braunkohletagebaus gewehrt. Was empfinden Sie, wenn Sie jetzt sehen, RWE will weiterroden, weiter den Braunkohletagebau vorantreiben?
    Peter Jansen: Das ist ja praktisch seit drei Jahrzehnten hier ein Thema in Erkelenz – wir haben ja seit Beginn der 90er-Jahre dagegen geklagt und mit hohen Emotionen, Heimatverlust. Und man zerreißt ja soziale Zusammenhänge hier. Aber letztendlich sind dann Mitte '95 und Anfang 2000 dann alle Entscheidungen durch die Landesregierung getroffen worden. Es ist wirklich bedauerlich, dass es weitergeht, denn wir haben schon immer gesagt, es ist nicht notwendig, diesen Tagebau fortzuführen.
    "Vollstes Verständnis für den Protest"
    Meyer: Können Sie denn jetzt die Haltung der Landesregierung, die ja auch RWE sozusagen beschützt vor den Baumbesetzern im Hambacher Forst, können Sie die verstehen?
    Jansen: Jetzt muss man auch wieder zwei Dinge sehen. Das eine ist, ich habe vollstes Verständnis für den Protest, dass man dagegen ist, dass weiter Braunkohle gefördert wird und Natur geopfert wird und auch zerstört wird. Aber dennoch, es gibt eine politisch getroffene Entscheidung. Da haben in den letzten Jahrzehnten, das waren ja alle Farben in Düsseldorf, die man da politisch kennt, Verantwortung übernommen, Entscheidungen getroffen. Und hier müssen Menschen weichen, hier in Erkelenz und müssen ihre Heimat aufgeben. Aber die Bevölkerung insgesamt schreit nach Energie. Und es ist politisch festgelegt worden, dass dafür der Braunkohlestrom da ist. Und dann gilt irgendwo das Thema, wenn das rechtlich in Ordnung ist, nach Ende aller juristischen Klageverfahren, dann muss in einem Rechtsstaat das Thema auch dann umgesetzt werden.
    Meyer: Hätten Sie auf ein Moratorium gehofft, also auf einen Rodungsaufschub, solange die Braunkohlekommission in Berlin noch über den Ausstieg aus der Braunkohle berät?
    Jansen: Das ist jetzt leider wieder die Verantwortungsdiskussion. Ich durfte ja auch ein bisschen in Berlin teilnehmen bei verschiedenen Tagungen. Die Braunkohlekommission hat einen ganz anderen Hintergrund. Natürlich, Ausstieg aus der Kohle, der schon längst überfällig ist, das Thema, und das wird ja in wenigen Monaten entschieden. Das hat mit den laufenden Genehmigungen nichts zu tun. Ich hätte insgesamt gehofft, dass man eine klare andere Zielrichtung hier mit Energiewende auflegt, weil da ist viel mehr machbar, als getan wird, aber von vielen Akteuren. Und dann wäre das alles nicht erforderlich. Insofern sind das unterschiedliche Themen, die dann am Ende aber beim Ergebnis leider zusammenkommen. Und deshalb – gehofft ja, aber realistisch war das nie.
    Meyer: Was bedeutet das in Zukunft konkret für die Stadt Erkelenz?
    Moratorium: "Dann hätte man zerrissene Ortschaften"
    Jansen: Wir sind ja bei fünf Ortschaften jetzt in den Umsiedelungsprozessen noch drin, wo noch die letzten Bürger umsiedeln. Auch die Ortschaften, die jetzt begonnen haben vor gut einem Jahr, umzusiedeln, die sind jetzt zur Hälfte schon auf dem Weg zum neuen Standort. Das muss man ja wissen. Und zwar in einer rasenden Geschwindigkeit. Die Menschen haben sich Jahrzehnte drauf eingestellt, mussten sich leider drauf einstellen. Und jetzt, wo dann der Startschuss vor gut eineinhalb Jahren gefallen ist, dass sie Umsiedlerstatus bekommen haben – also 50 Prozent der Menschen, die jetzt noch betroffen sind von den rund 1.600, sind sich schon einig mit RWE, sind schon in der Planung des neuen Hauses, die ersten 50 Häuser stehen schon fast komplett. Man merkt, man hat sich drauf eingestellt, und jetzt da ein Moratorium für die Umsiedelung, dann hätte man zerrissene Ortschaften, absolut schwierig, Sozialstruktur auseinandergerissen, dann hätten wir zwei nicht intakte Ortschaften.
    Meyer: Anfang der Woche war die nordrhein-westfälische Bauministerin Ina Scharrenbach von der CDU bei Ihnen. Was hat Sie Ihnen denn an Hilfen zugesagt?
    Jansen: Das Thema ist leider auch das jetzt Jahrzehnte – vor einigen Jahren haben wir da relativ heftig auch aus Erkelenz raus die Landesregierung zu klaren Stellungnahmen aufgefordert, weil wir wollten gern die Erklärung haben, was passiert in der Zukunft, wie gesichert ist das, dass hier Entschädigungen der Umsiedler garantiert sind. Dass auch die Rekultivierung passiert, dass auch dann um das Umfeld man sich kümmert. Dass man sich um den Strukturwandel hier kümmert, weil der ist hier da – hier werden Strukturen zerstört. Das haben wir nicht bekommen. Jetzt ist die Frau Scharrenbach – das ist übrigens die erste Ministerin, die, seit ich hier Bürgermeister bin seit 14 Jahren, außerhalb von Wahlkampfzeiten am Tagebau war. Und hat ganz klar mit uns die Themen besprochen, was tun wir zukünftig für die Tagebauranddörfer, für die Randlagen? Und da hat sie dann im Rahmen ihrer Fördermöglichkeiten und Unterstützungsmöglichkeiten, die auch da Berlin hat, Zusagen gegeben, dass sie uns da auch unterstützt.
    Strukturwandel müsse durch die Bundesregierung unterstützt werden
    Meyer: Haben Sie das Gefühl, bei allen vergeblichen Protesten und bei allen vergeblichen Hoffnungen, dass das ein Trostpflaster ist, mit dem Sie ruhiggestellt werden sollen?
    Jansen: Nein. Es ist ja das erste Mal, dass faktisch was getan wird. Man muss ja nicht vergessen, dass seit 50 Jahren der Tagebau durch Nordrhein-Westfalen zieht, dass das Thema Tagebaurand erstmalig bei uns aufgekommen ist, dass man sich darum kümmern muss, weil es jetzt der letzte Tagebau ist, der bei uns läuft. Und insofern war das schon zumindest ein Zeichen, dass man sich jetzt in der Verantwortung ganz deutlich sieht und sich auch dazu bekennt. Das haben wir vor vier und fünf Jahren noch vergebens so deutlich eingefordert. Und die Braunkohlekommission hat ja auch das Thema Strukturwandel mit zu organisieren, zu unterstützen mit Fördergeldern. Und da muss man sagen, da ist auch die Bundesregierung in der Verantwortung.
    Meyer: Peter Jansen war das von der CDU, Bürgermeister der Stadt Erkelenz, die vom rheinischen Braunkohletagebau betroffen ist. Das Gespräch habe ich vor der Sendung aufgezeichnet.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.