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Hambacher Forst
Was für RWE auf dem Spiel steht

Im Hambacher Forst hat die Polizei mit der Räumung begonnen. Es ist ein Konflikt zwischen Ökologie und Ökonomie. Umweltaktivisten wollen den Wald schützen und gegen die Braunkohleförderung an sich protestieren. Aber worum geht es RWE?

Von Mischa Ehrhardt |
    Hinter einer gerodeten Fläche im Hambacher Forst in Kerpen (Nordrhein-Westfalen) ist der Tagebau Hambach zu sehen
    Für RWE steht viel Geld auf dem Spiel (picture alliance/ dpa/ Henning Kaiser)
    Eigentlich ist die Sache klar: Der Energiekonzern RWE hat im Hambacher Forst das Recht auf seiner Seite. Und auf dem beharrt er. Das ruft nicht nur den Widerstand von Aktivisten hervor, die sich seit langem für den Bestand des alten Waldes zwischen Köln und Aachen in Hütten und Baumhäusern einsetzen.
    Auch Claudia Kemfert, Energieexpertin und Wirtschaftswissenschaftlerin beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, hält im Gespräch mit diesem Sender die starre Haltung von RWE im Hambacher Forst nicht für richtig: "Wir können sehr viel schneller aus der Kohle aussteigen, als manche jetzt sagen und je schneller wir das tun, desto weniger muss man auch in Hambach noch roden und Braunkohle abbauen. Insofern wäre es schon ratsam gewesen, man würde die Diskussionen der Kohlekommission abwarten und dann erst zur Tat schreiten."
    Torpediert RWE die Kohlekommission?
    Die Kohlekommission soll im Herbst ein Konzept dazu vorlegen, wie die Wirtschaft in Kohleregionen wie Nordrhein-Westfalen oder Ostdeutschland so umgebaut werden kann, dass der Kohleausstieg wirtschaftlich verkraftbar ist und nicht zu Strukturbrüchen in den betroffenen Regionen führt. Ende des Jahres schließlich soll die Kommission einen Plan für den Ausstieg aus der Kohleverstromung inklusive eines Enddatums vorlegen.
    Deswegen torpediert RWE nach Ansicht Kemferts mit Räumung und Rodung im Hambacher Forst die Arbeit der Kohlekommission. "Es geht jetzt in der Kommission darum, dass man entscheidet: Können wir, und wann können wir, aus der Kohle aussteigen. Wenn man jetzt einfach sagt: die Fakten sind die, wir machen alles über 40 Jahren, dann braucht man die Kommission nicht. Die Kommission ist ja dafür da, dass man jetzt Szenarien erarbeitet, die sich anschauen: Was wäre denn möglich, wenn wir vorzeitiger aussteigen? Da gehört Nordrhein-Westfalen ganz genau dazu, auch dieser Tagebau. Jetzt könnte man sagen: Das ist uns egal. Aber ich denke, es wäre sinnvoll gewesen, dass man diese Kommission beraten lässt, Empfehlungen geben lässt, und dann auch sieht, ob dieser Tagebau tatsächlich noch abgebaut werden muss. Aus unserer Sicht ist das nicht notwendig, aber wenn man jetzt Fakten schafft, dann kann man auch sagen, die Kohlekommission ist gescheitert, bevor sie richtig angefangen hat."
    RWE: Ohne Rodung kommt Förderung zum Erliegen
    RWE sieht das naturgemäß anders. Die Rodung im Hambacher Forst sei in diesem Jahr nötig, um den Tagebaubetrieb und die Kohleförderung in den kommenden zwei Jahren aufrechtzuerhalten. Nach Angaben des Konzerns stehen die Bagger im Tagebau Hambach vor der Abbruchkante. Ohne die geplante Rodung würde also die Förderung zum Erliegen kommen – und das wäre für RWE teuer.
    Analyst Thomas Deser sagte über die Bedeutung der Kohleverstromung für RWE vor wenigen Wochen: "Der Anteil der Kohle Stromerzeugung bei RWE ist sehr hoch, ungefähr 70 Prozent oder mehr im aktuellen Stand. Da hängen Arbeitsplätze dran, da hängt doch Profitabilität dran, denn die Braunkohleförderung insbesondere ist ja ein Geschäft, dass man mit festen Kosten betreibt. Man hat eine klare Übersicht, was es kostet, die Braunkohle Lagerbestände zu fördern und zu verstromen".
    Für RWE geht es um bares Geld
    Also geht es für den RWE-Konzern um viel Geld. Ohnehin steckt das Unternehmen in keiner einfachen Lage. Die beiden großen Energieversorger RWE und EON hatten sich sehr spät erst auf Entwicklungen wie den Atomausstieg und die Energiewende vorbereitet. Erst 2016 hatte RWE dann seine Ökostromtochter Innogy als eigenständiges Unternehmen an die Börse gebracht. Nun soll das Unternehmen zwischen EON und RWE aufgeteilt werden.
    Dadurch will RWE perspektivisch auf die Kohle verzichten können. Offenbar will RWE auf dem Weg aber noch die Profite mitnehmen, die in Form von Braunkohle unter dem Hambacher Forst winken. Ohnehin hat sich RWE in diesem Zusammenhang auch gegen das Ziel der Kohlekommission gestellt, sich auf ein fixes Datum für den Kohleausstieg festzulegen.
    Der Ruf des Konzerns steht auf dem Spiel
    Jedenfalls aber ist Profit bekanntlich nicht alles. Denn mindestens ebenso wichtig für Unternehmen ist dessen Reputation. Und die könnte durch das Beharren auf der Rodung im Hambacher Forst durchaus leiden, meinen viele Beobachter. "Das ist eine unnötige Provokation, auch in dieser Kohlekommission, die dazu führen kann, dass diese Kommission platzt. Wenn dass das Ziel ist, dann halte ich das für höchst bedenklich, dass man diese Strategie verfolgt. Ich hätte mir das anders gewünscht, ich hätte mir gewünscht, dass man zuerst redet und dann rodet und sich verständigt darüber, wie man aussteigen kann aus dem Braunkohletagebau", so Claudia Kemfert.