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Braunkohlekraftwerke im Abschiedsmodus
Wie der Kohleausstieg gelingen soll

Die Verhandlungen um den Kohleausstieg zogen sich über Jahre. Nun steht der Fahrplan bis zum endgültigen Ausstieg 2038 fest: Ende des Jahres wird im rheinischen Braunkohlerevier das erste Kraftwerk abgeschaltet. Die Braunkohleregionen werden sich verändern müssen - in West und Ost.

Von Bastian Brandau und Moritz Küpper | 19.07.2020
Ein Auto fährt vor der Kulisse des Braunkohlekraftwerks Niederaußem auf einer Landstraße
Bundestag und Bundesrat haben den schrittweisen Kohleausstieg in Deutschland bis spätestens 2038 beschlossen (picture alliance/Federico Gambarini/dpa)
Vor Peter Reißdorf blinken die Bildschirme. Noch. "Das da links ist ein Hauptnassentschlacker. Das ist quasi eine riesige Kratzerkette, die – im Prinzip – aus dem Kessel die Asche herausfördert. Und das dann nachher hier in der Mitte." - "Da sieht man das Feuer im Kessel." - "Ja, da sehen Sie ein bisschen das Feuer." Der 56-Jährige steht im Kontrollraum für die Blöcke C und D im Braunkohlekraftwerk Niederaußem in Bergheim bei Köln. "Da sehen Sie dann unsere Leistung. Brutto: 130. P: 114 mb – das ist die Netto-Leistung. Das sind dann hier die Bilder, mit denen wir arbeiten. Da ist auch diese Melde-Anlage, die Sie hier sehen, mit den gelben und roten Meldungen. Und hier haben wir unsere Temperaturüberwachung und so weiter. Behälter. Mühlen. Alles drauf. Kurven."
Reißdorf blickt durch den Raum. Als er vor 27 Jahren hier anfing, blinkte noch gar nichts. Bildschirme? "Überhaupt gar keine. Wir haben hier alte Knöpfe gehabt. Richtig dicke Knöpfe." Reißdorfs Blick wird ein wenig nostalgisch: "Also, wenn man da mal ein wenig zurückblickt: Dieses Kraftwerk hier, aber auch die anderen Kraftwerke hier, es gab ja auch mal ein Kraftwerk Fortuna, da haben Generationen gearbeitet. Mein Opa, der hat schon im Kraftwerk Fortuna gearbeitet, mein Vater selber hier als Elektriker und ich selber jetzt. Also, da hängen Generationen ja daran. RWE war und ist immer noch ein guter Arbeitgeber. Muss man wirklich so sagen. Und hier wird was in der Region fehlen – so sehe ich das persönlich."
RWE-Mitarbeiter Peter Reißdorf im Kraftwerk
RWE-Mitarbeiter Peter Reißdorf zum Ausstieg: "RWE war und ist immer noch ein guter Arbeitgeber. Und hier wird was in der Region fehlen." (Deutschlandradio / Moritz Küpper)
Hier, im Herzen des Rheinischen Braunkohlereviers, im ab 1963 gebauten und immer wieder weiterentwickelten Kraftwerk Niederaußem, an den Bildschirmen des 300-Megawatt-Block D, beginnt Ende des Jahres der Kohleausstieg in Deutschland - per Knopfdruck: "Ganz zum Schluss ist das Knöpfchendrücken. Vorher ist noch einiges an Arbeit, wo mehrere Leute dabei sind und wo man sagen kann: Von dem Beginn an, wie die Anlage steht, bis man an dem Punkt ist, wo man wegdrückt. Eine Stunde, je nachdem auch noch mehr." Am Ende wird alles ganz schnell gehen. Ein starker Kontrast zu den langwierigen, zähen Verhandlungen, dem politischen Ringen um den Kohleausstieg.
Seit rund zwei Wochen stehen die zentralen Gesetze zum Kohleausstieg in Deutschland - Bundestag und Bundesrat haben sie beschlossen. Konkret geht es um ein Gesetz mit dem Fahrplan für den Ausstieg aus der klimaschädlichen Kohleverstromung und um ein Gesetz zur Stärkung der Wirtschaftsstruktur in den Revieren. Lange war genau um diese Fragen gerungen worden: Allein ein Jahr lang tagte die "Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung", kurz WSB, die sogenannte Kohlekommission, bevor sie im Januar 2019 ihre Vorschläge vorlegte.
Ein Stoppschild zeichnet sich in der Abenddämmerung vor dem Kohlekraftwerk Boxberg ab.
Klimaschutz - Worum es beim Kohleausstiegsgesetz geht
Bis spätestens 2038 soll in Deutschland auch das letzte Kohlekraftwerk stillgelegt sein - Bundestag und Bundesrat haben ein entsprechendes Gesetz beschlossen. Mehr als 50 Milliarden Euro wird das Ende der Kohleverstromung voraussichtlich kosten. Ein Überblick.
Weitere anderthalb Jahre dauerte es, bis daraus Gesetze wurden. Spätestens 2038 soll das letzte Kohlekraftwerk vom Netz gehen. Für den Weg dahin gibt es nun einen Fahrplan. Los geht es im Westen, der Osten folgt dann ab Ende des Jahres 2025. Die Tagebauflächen werden verkleinert, die Kohle-Kumpel und andere Beschäftige sollen abgefunden, die Betreiber entschädigt werden. Zudem soll dieser Fahrplan auf der Zeitachse vier Mal überprüft werden mit der Fragestellung: Könnte das Ausstiegsdatum 2038 nicht vielleicht doch vorgezogen werden? Das ganze Paket umfasst rund 4,3 Milliarden Euro Entschädigung für die Betreiber und circa 40 Milliarden Euro Investitionen in die deutschen Braunkohle-Reviere. Mit dem Geld sollen die Klimaschutzziele erreicht werden, aber zugleich Energieversorgung sichergestellt und die Regionen gestärkt werden. Geld auch, um den hoch-polarisierten gesellschaftlichen Konflikt zu entschärfen.
Viele Punkte sind noch offen
Jetzt also geht es an die Umsetzung. Wie genau soll das geschehen? Was passiert wann, wo und wie? Wie wird das, was Bundestag und Bundesrat nun beschlossen haben, aufgenommen? "Ja, es war ein sehr intensiver Prozess gewesen in den letzten rund zweieinhalb Jahren, indem wir uns damit befasst haben. Aber ich kann auch heute feststellen, auch dankbar feststellen, dass in der Zeit wirklich sehr Grundlegendes erarbeitet worden ist und die Politik auch Wort gehalten hat", sagt Andreas Pinkwart. Der FDP-Politiker, Minister in Nordrhein-Westfalen unter anderem für Wirtschaft und Energie, war Mitglied der Kohlekommission – und muss nun die Beschlüsse im Westen der Bundesrepublik umsetzen. "Ich glaube, es gibt nur wenige Kommissionen, die das erleben können, dass ihre Empfehlung so weitgehend auch umgesetzt werden. Ich denke, das ist eine tolle Leistung der Politik."
Das Kraftwerk Niederaußem in NRW
Das Kraftwerk Niederaußem in NRW bietet der Region viele Arbeitsplätze - schon seit Generationen (Deutschlandradio / Moritz Küpper)
Eigenlob also aus der Politik. Aber viele Punkte sind noch offen - auch RWE-Mitarbeiter Peter Reißdorf, im Kontrollraum der Blöcke, sieht noch viele Fragezeichen: "Es ist ja noch gar nicht – um es mal so zu sagen – alles in trockenen Tüchern. Da finden ja auch noch Verhandlungen zwischen dem Arbeitgeber und den Gewerkschaften statt. Es ist ja nicht nur die eine Seite des Kohleausstiegs von der Regierungsseite her." Für Reißdorf und seine Kollegen ist es eine Zeit der Ungewissheit: "Man hofft natürlich, dass dann hier entsprechend Betriebsräte und Gewerkschaften da ein gutes Ergebnis erzielen. Nicht nur für uns Ältere, auch später für die jüngeren Kollegen. Denn die werden ja auch irgendwann mal gehen."
Die Rückabwicklung der Kohle-Strukturen hat noch viele Etappen vor sich. Details der Abfindungen werden noch verhandelt. Es sind Proteste zu erwarten. Im Westen jedenfalls wird mit einem mühsamen Prozess gerechnet, jetzt, da der Kohleausstieg von der politischen Aushandlung auf die praktische Ebene kommt.
Mehr Zeit für ostdeutsche Braunkohleländer
In Ostdeutschland sieht das kaum anders aus. "Mit dem Fortschreiten des Klimawandels wird die Senkung des CO2-Ausstoßes immer wichtiger." Fahrende Züge, aufpoppende Glühbirnen und blühende Landschaften. Mit einem Imagefilm präsentiert das Sächsische Ministerium für Regionalentwicklung auf seiner Website den Strukturwandel im Freistaat. "Gefragt sind neue Ideen, gute Projekte, innovative Visionen und kreative Antworten. Wie wollen wir 2038 in unserer Heimat leben?"
Bis zum letztmöglichen Ausstiegstermin 2038 soll mehr als die Hälfte der sächsischen Braukohlekraftwerke noch laufen dürfen. Erst 2029, so sieht es der Kohlekompromiss vor, sollen demnach in Sachsen die ersten Meiler abgeschaltet werden. Die ostdeutschen Braunkohleländer haben mit dem Ausstieg mehr Zeit als Nordrhein-Westfalen, das ist politisch gewollt. Denn insbesondere die Lausitz, die sich über Brandenburg und Sachsen erstreckt, hat längst einen Strukturwandel durchlebt. Gut 60.000 Menschen arbeiteten hier bis zum Ende der DDR in der Kohle – unter schwierigsten Bedingungen für Menschen und Umwelt. Heute beschäftigt der Braunkohlekonzern LEAG 8.000 Menschen, dazu kommen mehrere tausend Arbeitsplätze bei Zulieferern.
"Also erstmal ist es eine tolle Solidaritätsleistung in ganz Deutschland." Minister für Regionalentwicklung ist in Sachsen der CDU-Politiker Thomas Schmidt. Wenn er hier von "Solidaritätsleistung" spricht, meint er die Ausgleichszahlungen, die im Ausstiegspaket vorgesehen sind. Mit dem mitteldeutschen Revier südlich von Halle und Leipzig gibt es in Sachsen noch eine zweite, kleinere Braunkohleregion. Dorthin und in die Lausitz fließen nun die zehn Milliarden Euro, die Sachsen vom Bund für die Strukturförderung erhält.
Fest stehen bereits die Maßnahmen, für die der Bund selbst zuständig ist – und die auch von Berlin aus umgesetzt werden. Es sind vor allem Verkehrsprojekte. "Das ist sowohl die Schiene als auch die Straße. Da gibt es welche, die vordringlich umgesetzt werden soll, zum Beispiel der Ausbau der Eisenbahnstrecke Chemnitz Leipzig, zumindest einen Teil davon. Der andere ist schon im Bundesverkehrswegeplan bei der Umsetzung verankert. Es soll eine neue mitteldeutsche Mitteldeutschland- Lausitz Verbindung geschaffen werden, MILAU." Eine Straßenverbindung zwischen Leipzig und der Lausitz. Auf derselben Liste steht auch der Ausbau der Autobahn 4. Und eine neue ICE-Strecke zwischen Berlin und Görlitz. Außerdem sollen neue Forschungsinstitute in der Lausitz angesiedelt werden, die Region soll "5G-Modellregion" werden.
"Also ich kann mir vorstellen, dass es Menschen gibt, die sagen, ich habe einen interessanten Arbeitsplatz in Berlin oder am Rande von Berlin, will aber gerne in der Lausitz wohnen." Eine, die es so hält, ist Antonia Mertsching. Die Lausitzerin hat in Dresden studiert, dann dort mehrere Jahre gearbeitet. Letztes Jahr ist sie in die Lausitz zurückgezogen – und pendelt jetzt als Landtagsabgeordnete der Linken.
"Ich fahre von Weißwasser aus zweieinhalb Stunden über Görlitz nach Dresden und finde, man muss dann Mobilität und die Schienenanbindung auch aus der Lausitz herausdenken und nicht zur Lausitz in dem Sinne hin. Und da denke ich, wenn man zum Beispiel Neubau Weißwasser-Hoyerswerda machen würde und dann eine kürzere Verbindung mit einer S-Bahn nach Dresden, dann, wenn man einen anderthalb Stunden von Weißwasser in Dresden, ohne dass ein ICE losrollen muss, der erst in 20 Jahren hier rollt."

Gar nichts hält Antonia Mertsching davon, dass mit Geldern aus der Strukturförderung Straßen gebaut werden. Schließlich gehe es beim Kohleausstieg um den Klimaschutz. "Wir haben in Sachsen überdurchschnittlich viele Straßen, und wer Straßen sät, wird Autos ernten. Und der Individualverkehr, also mit dem Auto, ist halt einfach im Sinne der Nachhaltigkeit auch nicht zukunftsträchtig. Das heißt, wir müssen den Schienenverkehr ausbauen, für den Personennahverkehr und für den Gütertransport. Und da finde ich einfach, dass dann auch der parallele Ausbau von Schiene und Straße nachher alle nur frustrieren wird."
Proteste gegen den Ausbau von Autobahnen und Straßen dürften also programmiert sein. Aber die Probleme liegen womöglich noch tiefer, sagt Joachim Ragnitz: "Also das große Problem der Lausitz ist nicht der Kohleausstieg. So bedeutsam ist der Sektor dann jetzt auch nicht mehr." Der Wirtschaftswissenschaftler ist stellvertretender Leiter des Ifo-Instituts in Dresden. Sein Schwerpunkt ist der sektorale Strukturwandel und die regionale Entwicklung in Ostdeutschland.
Portraitfoto der Lausitzer Landtags-Abgeordneten Antonia Mertsching
Die Lausitzer Landtags-Abgeordnete Antonia Mertsching ist gegen den Ausbau von Autobahnen und Straßen (Deutschlandradio / Bastian Brandau)
"Das große Problem ist die demografische Entwicklung, dass es eben aufgrund der Bevölkerungsentwicklung, der Vergangenheit und der zu erwartenden Bevölkerungsentwicklung in den nächsten Jahren zu einem ganz massiven Mangel an Fachkräften oder Arbeitskräften allgemein dort kommen wird. Und Arbeitskräfte kriegt man nicht gebacken. Und sie kriegt man auch nicht dadurch, dass man jetzt die Straßen und Infrastrukturen ausbaut. Selbst die Ansiedlung von Forschungseinrichtungen oder von Behörden ist da nicht unbedingt hilfreich. Also so gesehen bin ich weiterhin skeptisch, dass dieser Strukturwandel wirklich in dem Sinne gelingt."
Der Wirtschaftsforscher ist skeptisch, dass sich aus dem nun geschnürten Paket eindeutige Zukunftschancen für strukturschwache Regionen wie die Lausitz ergeben. Daran ändern womöglich auch die 2,4 Milliarden Euro nichts, die nicht der Bund steuert, sondern die das Land selbst verteilen kann. Der CDU-Minister, Thomas Schmidt, unterstreicht:
"Dann geht es natürlich um Lebensqualität und Daseinsvorsorge, die Modernisierung von Krankenhäusern. Wir haben so ein Projekt, das nennt sich Smart Hospital. Aber es geht auch um die Sanierung von Kindergärten, durchaus auch von Kindergarten und anderen Einrichtungen. Es geht wie gesagt um Wertschöpfung, aber auch um Absicherung von Lebensqualität und dafür die notwendige Daseinsvorsorge aufzubauen. Und nicht zuletzt, und das sage ich ganz bewusst zuletzt, es wird auch Tourismus eine große Rolle spielen. Aber ich sage es zuletzt, weil es nicht der Ansatz ist, "der Tourismus wird alles retten", das ist ein Mosaikstein von vielen."
Kohleabbau hinterlässt Spuren
Der Strukturwandel, den die Braunkohleregionen Ostdeutschlands bereits hinter sich haben, brachte neue Seen, wo früher Tagebau war. Radwege verbinden die Wälder der Lausitz mit den Abbruchkanten der noch aktiven Abbaugebiete. Im Süden Leipzigs kann man längst von See zu See paddeln. Und wäre es nach den Braunkohleunternehmen gegangen, wäre auch das Dorf Schleife, sorbisch Slepo, wohl irgendwann erst einem Tagebau gewichen, um später überflutet zu werden.
Doch die pensionierte Grundschullehrerin Edith Penk hat für den Erhalt ihres Dorfes gekämpft. Erfolgreich. Am Ausstiegsbeschluss, der jetzt in die Umsetzung geht, findet sie trotzdem keinen Gefallen. Die Sorbin deutet auf die Spuren, die der Kohleabbau für immer hinterlässt: "Wenn das alles ausgetrocknet ist, was soll denn da dann noch werden? Da wächst kein Baum mehr, nichts mehr. Das Wasser ist in den letzten 30 Jahren um 40 Meter gesunken."
Der Braunkohleabbau ist äußerst wasserintensiv. Rund um die Tagebaue wird das Grundwasser zunächst abgesenkt und in die Flüsse gepumpt. Wenn in der Nachnutzung das Wasser wieder ansteigt, führt das -etwa in der Spree -zu einer Erhöhung von Schadstoffen. Und weil die Spree außerdem umgeleitet wird, um ehemalige Tagebaue zu fluten, fehlt ihr Wasser. So viel, dass sie in der Vergangenheit schon mal rückwärts floss.

Der Klimawandel beschleunigt solche Entwicklungen. Auf lange Sicht verursacht das hohe Kosten, sagt Sachsens Umweltminister Wolfram Günther von Bündnis 90/Die Grünen. "Und das sind Beträge, die sind in den jetzigen Zahlungen auch noch nicht integriert. Sondern wir kalkulieren nur aus den Erfahrungen der letzten 30 Jahre Braunkohlesanierung im Mitteldeutschen und Lausitzer Revier, wenn man das hochrechnet, Laufzeiten von 60-70 Jahren, zehn Milliarden nach heutigem Stand."
Kosten, auf denen die Bundesländer sitzen bleiben könnten, darauf hatte Minister Günther vor der Verabschiedung des Kohleausstiegs-Kompromisses aufmerksam gemacht. Inzwischen gibt es einen Entschließungsantrag, der die Länder entlasten soll. So stehen zehn Milliarden allein für das Wassermanagement gegen zehn Milliarden Euro für die Strukturförderung. "Es ist, glaube ich, klar, dass dieses Geld nicht in den zehn Milliarden enthalten ist. Sondern das sind zusätzliche Mittel, die wir brauchen. Dieses Geld wird aber die Voraussetzung dafür sein, dass alles das was wir jetzt in die Strukturmaßnahmehilfen investieren, überhaupt funktionieren kann."
Eine Frau in traditioneller Kleidung mit Kopfhaube und andere Menschen mit Transparenten, wo "Rettet Heimat und Natur, Hände weg von unseren  Dörfern" geschrieben steht
Die Sorbin Edith Penk bei Demonstration gegen Braunkohle vor dem sächsischen Landtag in Dresden (Deutschlandradio / Bastian Brandau)
Auf die Umweltzerstörung und die Ewigkeitskosten machen auch sächsische Umweltaktivisten immer wieder aufmerksam. Immerhin: In Sachsen sieht es so aus, als könnten von der Abbaggerung bedrohte Dörfer doch erhalten bleiben. Sicher gilt das für Pödelwitz bei Leipzig, den Ort in dem Franziska Knauer aufgewachsen ist – und in den sie gern wieder zurückziehen will. "Für mich ist es solange kein Kompromiss, bis nicht alle Dörfer erhalten bleiben. Das gilt nicht nur für Pödelwitz, Mühlrose und Obertitz, sondern auch für unsere Freunde im Rheinland, in den Garzweiler-Dörfern."
Hambacher Forst als Symbol der Kohle-Ausstiegsbewegung
Das Örtchen Lützerath im Rheinischen Revier. Wie in Ostdeutschland geht auch hier der Protest gegen die Kohleverstromung und das Abbaggern weiterer Dörfer weiter, auch an diesem Sonntag, nachdem in Berlin die Unterschriften unter den Kohlekompromiss gesetzt wurden. "Die Bundesregierung, sie hat mit diesem Gesetz deutlich unter Beweis gestellt, dass sie ohnehin macht, was sie will. Nein, noch schlimmer: Sie macht nicht, was sie will, sie macht, was die Kohlekonzerne wollen", ruft Antje Grothuis ins Mikrofon. Seit Jahren kämpft sie gegen die Aktivitäten des Braunkohle-Betreibers RWE.
"Alle Dörfer?" - "Bleiben!"
Die Forderung gilt nicht zuletzt für den Hambacher Forst, jenem Wald, der zum Symbol der Kohle-Ausstiegsbewegung wurde. "Wir haben nichts erwartet und sind trotzdem enttäuscht." - "Es hat sich großartig nichts geändert." Vier Aktivisten, Frauen und Männer, sitzen in einem Kreis zusammen. Sie haben sich Fantasie-Namen gegeben, ihre Gesichter sind vermummt – doch die Botschaft ist eindeutig: "Ich denke, dass sich die Klimabewegung, vor allem in den letzten Jahren, sehr um diesen Ort forciert hat, und dass es jetzt ein politisches Manöver ist, diesen Ort zu erhalten, um uns ein bisschen den Wind aus den Segeln zu nehmen."

Aus der NRW-Landesregierung, in der man – nach der versuchten Räumung des Hambacher Forstes im Herbst 2018 – die Zustände erst einmal duldet, gibt es keine Anzeichen, dass der Wald zeitnah geräumt wird. Auf der Prioritätenliste des historischen Projekts Kohleausstieg haben andere Punkte nun Vorrang. Das Verkleinern der Tagebauflächen beispielsweise.
Alles in allem, so Wirtschafts- und Energie-Minister Andreas Pinkwart, sei NRW während der Beratungen meist optimistisch gewesen. "Wir haben das als große Herausforderung gesehen und sehen es nach wie vor als große Herausforderung, weil 51 Prozent der bundesdeutschen Wertschöpfung auf der Braunkohle-Seite liegen hier im Rheinischen Revier, das von allen Regionen Deutschlands am stärksten wirtschaftlich betroffen ist. Auf der anderen Seite haben wir gesagt, wir stehen zu den Erfordernissen, hier ein Wandel vornehmen zu müssen und je früher wir ihn ergreifen, umso besser für Mensch und Umwelt. Vorausgesetzt, dass es dafür auch die notwendige Unterstützung gibt. Die ist jetzt da."
Vermummte Waldbesetzer sitzen im Hambacher Forst auf dem Boden
Die Waldbesetzer im Hambacher Forst halten es für ein politisches Motiv, den Ort zu erhalten (Deutschlandradio / Moritz Küpper)
Rheinisches Revier: "Energieregion der Zukunft"
Mit 14 der insgesamt 40 Milliarden Euro Investitionshilfe fließt der größte Anteil des Geldes nach Nordrhein-Westfalen. Pinkwart will das Rheinische Revier als Energieregion der Zukunft profilieren und so den Verlust tausender Arbeitsplätze kompensieren. Zukunftsfähige und klimaschonende Industrie, ressourceneffiziente und nachhaltige Stoffströme oder auch innovative Mobilität sind Schlagworte, die dann durch die Luft fliegen, wenn der Minister über kommende Zeiten spricht. Pinkwarts Formel lautet: Kohleausstieg als Chance.
"Und wir gehen dort mit Engagement und Zuversicht in diese große Gestaltungsaufgabe. Und ich denke, wenn es hier gelingt, dann wird es auch in den neuen Ländern gut gelingen können. Und dann ist es vielleicht auch ein gutes Beispiel für andere Kohleregionen in Europa und weltweit."