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Brexit-Chefunterhändler auf Twitter
Barnier: EU will Großbritannien nicht in die Zollunion zwingen

Kurz vor der erneuten Brexit-Abstimmung im britischen Unterhaus versucht EU-Chefunterhändler Michel Barnier offenbar, den Briten Entgegenkommen zu signalisieren: In einem Tweet bietet er einen "einseitigen Austritt" aus der Zollunion mit der EU an. Den Gegnern des Brexit-Vertrags reicht das wohl nicht.

Von Bettina Klein | 09.03.2019
Der Brexit-Unterhändler der Europäischen Union, Michel Barnier.
Der Brexit-Chefunterhändler der EU, Michel Barnier (AFP / Philippe LOPEZ )
Die britischen Gegner des Austrittsabkommens fürchten ein ewiges Gekettet-sein an die EU. Sie verlangen daher unter anderem die Option, den Backstop für die nordirisch-irische Grenze einseitig aufzukündigen. Die Betonung liegt auf einseitig. Ein No-Go bisher für die EU. Begründung: Eine Versicherung, die jederzeit einseitig aufgekündigt werden kann, ist keine Versicherung, denn sie erfüllt ihren Zweck nicht.
Nun versucht Michel Barnier mit einem juristischen Fingerzeig, den Brexiteers ihre Sorgen zu nehmen. Er verweist auf Artikel 178 des Austrittsvertrages, den es schon gibt. Dieser Artikel räumt - wie in jedem gute Vertrag üblich - die Möglichkeit ein, "die Verpflichtungen in verhältnismäßiger Weise auszusetzen", wenn die EU gegen Treu und Glauben verstößt und nicht alles gibt, um eine Alternative zum Backstop auszuhandeln. Die Entscheidung darüber wäre, laut Austrittsabkommen, einem Schiedsgericht übertragen.
Option auf Verlassen des Zollgebiets
Dafür bietet die EU nun eine rechtsverbindliche Erklärung an und verpflichtet sich – lautet Tweet von Barnier - dem Vereinigten Königreich die Option zu geben, das einheitliche Zollgebiet zu verlassen. Wörtlich: Großbritannien wird nicht gegen seinen Willen zur Zollunion gezwungen.
Die anderen Klauseln des Backstops müssen aber laut Barnier erhalten bleiben. Und demnach auch die Bestimmung, dass Nordirland im Binnenmarkt bleibt, sollte keine alternative Lösung für die Grenzfrage und kein Partnerschaftsabkommen gefunden sein. Das aber war erst recht auf den Widerstand der Brexiteers gestoßen. Weil dies auf eine Grenze zwischen Nordirland und Großbritannien in der irischen See hinauslaufen würde. Daher war man gerade auf die Idee mit der Zollunion verfallen.
Es ist also äußerst unwahrscheinlich, dass dies den Gegner des Austrittsabkommens reichen wird. Erste Reaktionen, insbesondere von der Nordirischen DUP, lassen ahnen, dass dies nicht der Fall ist. Von einem "Non Starter" und einem einseitigen Ansatz ist die Rede.
Alle anderen 27 EU-Staaten wohl unterrichtet
Das zweite Angebot, das Chefunterhändler Michel Barnier Großbritannien unterbreitet: Eine Interpretation des Austrittsvertrages aus dem Januar, ein Schreiben von Donald Tusk und Jean Claude Juncker an Theresa May, soll Rechtskraft bekommen. In dem dreieinhalbseitigen Brief vom 14.01. versichert die EU unter anderem, zügig an einem Partnerschaftsabkommen zu arbeiten, sodass der Backstop niemals in Kraft zu treten braucht und wenn dann nur vorübergehend gelten würde. Auf rechtsverbindliche Zusagen war es den Kritikern des Abkommens immer angekommen. Da der Austrittsvertrag nicht aufgemacht werden soll, bliebe nur, angehängte Dokumente als rechtsverbindlich zu erklären.
Nach Informationen des Deutschlandfunk-Studios in Brüssel wurden die Botschafter der anderen 27 EU-Staaten unterrichtet, bevor Michel Barnier dieses Angebot per Twitter verbreitete. Die Gespräche sollen weiter gehen. In den kommenden Tagen werde man weiter intensiv daran arbeiten, dass Großbritannien die EU mit einem Abkommen verlässt.
Kurz vor den entscheidenden Abstimmungen in London und drei Wochen vor dem Austritt Großbritanniens versucht der Chefunterhändler offenkundig, Entgegenkommen zu demonstrieren. Ob es etwas hilft, wird sich nächste Woche im Parlament von Westminster erweisen.