Donnerstag, 28. März 2024

Archiv

Brexit-Gespräche
Die Wirtschaft soll mitreden

Premierministerin Theresa May gelobt Besserung: Sie will nach der desaströsen Unterhauswahl jetzt mehr auf die Wirtschaft hören, wenn es um den Brexit geht. Heute empfing ihr Austritts-Minister die Spitzen der Wirtschaft des Landes - aber auch die sind beim Thema EU-Austritt nicht alle einer Meinung.

Von Friedbert Meurer | 07.07.2017
    Der britische Brexit-Minister David Davis
    Der britische Brexit-Minister David Davis hat britische Spitzenunternehmer zu Brexit-Gesprächen eingeladen. (imago / Pete Maclaine)
    Für die meisten britischen Unternehmer und Verbandsvertreter steht fest: Innerhalb von zwei Jahren werden die Brexit-Verhandlungen nicht beendet sein - mag die eigene Regierung noch so viel Optimismus verbreiten. Carolyn Fairbairn von Verband der Britischen Industrie forderte schon vor dem Treffen: Großbritannien soll sich auf eine Übergangszeit vorbereiten, und in dieser Phase weiter im EU-Binnenmarkt und in der Zollunion bleiben.
    "Das bringt andernfalls nur Unsicherheit. Es ist zu komplex. Wir können in der Übergangsperiode konzentriert einen finalen Vertrag verhandeln. Aber jetzt sollte man etwas Einfaches vereinbaren, so schnell wie möglich, dann können wir auch investieren."
    Schwarzmalerei der Industrie
    Erst einmal im Binnenmarkt und in der Zollunion bleiben: Das ist die Maximalposition der britischen Wirtschaft. Aber die Unternehmer sind gespalten. Manche, die nicht exportieren, glauben, dass es ihnen ohne die angebliche Regulierungswut Brüssels besser gehen könnte, zum Beispiel den Pubs. Tim Martin ist der Gründer der Pub-Kette JD Wetherspoon.
    "Hinter der Schwarzmalerei der Industrie steht der Wunsch, auf Dauer im Binnenmarkt und dann doch für immer in der EU zu bleiben. Mir ist sonst nicht klar, was dahinter steckt."
    Produktion gefährdet?
    Andere, wie die Luftfahrtindustrie, treiben aber ganz konkrete Sorgen um. Sie sind auf einen reibungslosen Ablauf einer internationalen Produktionskette angewiesen. Airbus zum Beispiel.
    Paul Everitt , Chef des Verbands der Britischen Luftfahrtindustrie: "Für unsere europäischen Kollegen ist die Position der britischen Regierung konfus und nicht klar. Die Premierministerin hat früh eine ganze Anzahl von roten Linien für die Brexit-Verhandlungen gezogen, die jetzt nicht hilfreich sind."
    Gemeint ist damit das rigorose Beharren Theresa Mays darauf, volle Kontrolle über die Einwanderung zu erhalten und auf keinen Fall irgendeine Geltungskraft des Europäischen Gerichtshofs hinzunehmen. Everitt fürchtet, dass die Just-in-Time Produktion gefährdet wird. John Longworth, ehedem Generaldirektor der britischen Handelskammer, sieht das dagegen anders.
    "Viele Länder, mit denen wir handeln, haben keinen Handelsvertrag mit der EU, sind also nicht im Binnenmarkt und der Zollunion. Und es funktioniert einwandfrei."
    May sucht Verbündete
    Würden für Großbritannien die Regeln der Welthandelsorganisation gelten, müsse man im Bereich der Luftfahrt keine Zölle bezahlen. Ist also alles in Ordnung? Nein, heißt es beim Verband: Unsere Produkte werden im Hafen von Dover zwischen den zollpflichtigen Waren hängen bleiben.
    Brexit-Minister David Davis zeigte heute zumindest ein offenes Ohr für die Interessen der Wirtschaft. Seine Chefin Theresa May ist politisch angeschlagen, sie sucht Verbündete. Ein Ergebnis schon vor dem Treffen war, dass es künftig alle zwei Wochen eine von David Davis geleitete Runde mit der britischen Wirtschaft geben soll.