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Briten im französischen Périgord (3/5)
Im Tea Room des Café des Arts

Fragt man nach britischen Auswanderern, weisen Franzosen im Périgord nach Eymet. Das Dorf wäre tot ohne die vielen "Expats". Das Café des Arts verkauft Würstchen und Baked Beans zum Frühstück. Der Brite Colin liebte sofort, mit welcher Entschiedenheit die Einheimischen ihr ruhiges Leben gegen jede Hektik verteidigen.

Von Simonetta Dibbern | 21.10.2017
    "English friends welcome" - Franzosen stehen allgemein nicht im Ruf, Fremde immer willkommen zu heißen. Die "Expats" im südwestfranzösischen Eymet fühlen sich aber überaus freundlich empfangen
    "English friends welcome" - Franzosen stehen allgemein nicht im Ruf, Fremde immer willkommen zu heißen. Die "Expats" im südwestfranzösischen Eymet fühlen sich aber überaus freundlich empfangen (Deutschlandradio / Simonetta Dibbern)
    Auf dem großen staubigen Parkplatz von Le Bugue gibt es heute ein Boule-Turnier. Viele Teams, die sich um ihre Spielplätze scharen, die Eisenkugel werfen, ausmessen. Alles Franzosen, kaum Engländer, sagt der Mann am Getränkestand.
    "Pas beaucoup, ils jouent de golf et de cricket ... Bergerac ..."
    Sie spielen Golf oder Cricket, tatsächlich? Nicht hier, sagt er, in Bergerac – oder genauer: in der Nähe von Bergerac. In Eymet. Das kleine Städtchen liegt südlich der Dordogne, im Kernland der frankophilen Briten, unterstreicht auch Martin Walker, der Schriftsteller, der uns das Leben seiner Landsleute in der Dordogne näher bringt. Drei Jahrhunderte lang hätten die Engländer hier regiert:
    Aquitanien ging 1152 als Mitgift an England
    "Im Jahre 1152 fing alles an. Damals hat Eleonore von Aquitanien, eine der wundervollsten Frauen der damaligen Zeit, Heinrich II. geheiratet, König von England, und sie brachte ganz Aquitanien mit in die Ehe. So besaß der englische König hier mehr Land als der französische. Das konnte natürlich nicht gut gehen – und so gab es in den folgenden 300 Jahren immer wieder Kriege, mal eroberten die Franzosen die Bretagne und die Normandie, dann holten die Engländer sich die Gebiete zurück ..."
    Die Dordogne war damals der Grenzfluss zwischen dem englischen und dem französischen Königshaus – erst nach dem Hundertjährigen Krieg wurden die Engländer endgültig vom französischen Festland vertrieben, mit der Schlacht von Castillon im Jahr 1454.
    Wären sie im 20. Jahrhundert nicht zurückgekehrt, wäre Eymet wohl ausgestorben, die alten Häuser verlassen – wie in so vielen Dörfern Frankreichs fernab der Küste. Jetzt ist Eymet ein lebendiges Städtchen, nicht nur wegen des Cricket Clubs. Hier gibt es auch einen Pub, einen tea-room und den English Shop mit Marmite und Baked Beans. Jeder fünfte Einwohner ist Brite. Auch das Café des Arts ist nur dem Namen nach französisch:
    "We offer le petit déjeuner anglais que est deux saucisses, deux bacons, an oeuf et le baked beans et toasts."
    Hier gibt es englisches Frühstück, sagt Besitzer und Gastgeber Adrian Cattermole: Würstchen, Schinken, ein Ei, gebackene Bohnen. Und Toast.
    "Manchmal kommen auch Franzosen – wegen unserer Scones!"
    Heute sind hier Briten unter sich – quatschen in familiärer Atmosphäre. Hat jemand Lust, etwas zu erzählen über Engländer in der Dordogne, fragt Adrian in die Runde.
    "Well, I have had lots and lots of it, and I don't want to do it any more … Maybe Colin as a new person?"
    Ich habe schon mit so vielen Journalisten gesprochen - die blondgelockte Frau in geblümtem Kleid hat keine Lust mehr auf Interviews …
    "Haben unsere Boote verbrannt wie William, der Eroberer"
    Wie wär's mit Colin? Der große blonde Mann mit einem jungenhaften Gesicht lässt sich überreden – aber die anderen sollen nicht mithören, frech und neugierig, wie sie sind:
    "My name is Colin and I have lived permanently in this area for two months. We've burnt our boats as William the conquerer did."
    Vor zwei Monaten ist Colin mit seiner Frau nach Eymet gezogen, in England haben sie alle Zelte abgebrochen oder, wie William der Eroberer sagte: die Boote verbrannt.
    "Meine Frau liebt Frankreich, aber ich wollte überzeugt werden, dass es wirklich ein guter Ort ist. Und in der Tat, es ist noch viel besser, als ich erwartet hatte! Wir hatten befürchtet, dass die Franzosen die Briten nicht mögen, weil es hier so viele gibt, weil sie kein Französisch sprechen und ihren englischen Lebensstil weiterführen wollen – aber nichts davon! Alle, die wir bisher getroffen haben, sind nett, hilfsbereit – das gibt es in England nicht, dass jemand anhält, um Dir zu helfen."
    Überhaupt ist hier vieles besser als in England, seine Augen strahlen. Pittoreske Häuser – warum er sich nicht lieber eine Neubauwohnung kauft, hatte ihn sein Vorbesitzer gefragt. Die Sonne. Die schöne Landschaft. Und so wenige Autos auf den Straßen.
    "Natürlich gibt es auch schöne Landschaften in England, aber dort leben einfach sehr viele Menschen! Überall Verkehr, das wird immer mehr, je mehr Leute ins Land kommen, desto mehr Verkehr gibt es auf den Straßen, desto mehr Häuser werden gebaut. Und überall nur Arbeit, Arbeit, Arbeit."
    "Halb eins wird gegessen. Die Läden machen zu"
    Dass es hier soviel entspannter ist, könnte auch an seinem neuen Lebensabschnitt liegen: Colin ist gerade in Rente gegangen. Er war Beamter bei der Gesundheitsbehörde in Oxford.
    "Oder zum Beispiel das Mittagessen. Halb eins wird gegessen. Die Läden machen zu, dann ist es noch ruhiger auf den Straßen. Alle gehen essen, weil es ihnen wichtig ist. Sie sagen, wir brauchen diese Pause, weil wir ein entspanntes Leben haben wollen, wir wollen nicht so viel arbeiten, lieber unser Leben genießen."
    Und das will er auch – die Rente wird schon reichen, sagt er, und wenn das Pfund noch weiter fallen sollte, müssen wir halt auf manches verzichten. Colin ist fest entschlossen, sein Leben in Frankreich durch die rosarote Brille zu sehen. Und die vielen Landsleute, die er hier trifft, helfen ihm dabei.
    "Wir nennen uns Expats, das ist die beste Bezeichnung für uns. Überall in Europa leben Expats, in Spanien, in Italien. Es ist vielleicht kein sehr freundlicher Begriff, aber es ist auch kein Schimpfwort. Man benutzt es einfach. Natürlich spielt Geschichte da eine Rolle, es erinnert an die Zeit, als Briten in der ganzen Welt waren und es unterstellt uns, dass wir Teil eines Empire sind."
    Das, sagt Colin, sind sie natürlich nicht und zwinkert über die Schulter zu seinen neuen Freunden im Café. Und er selbst tut alles dafür, ein Teil der französischen Gesellschaft zu werden. Er hat sich schon ein neues Auto gekauft, mit dem Lenkrad links. Er zahlt Steuern. Und Französisch lernt er auch:
    "Bon chance – and I can't say the word but I think it's now the temps pour déjeuner."