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Brok: Fall Mladic schadet Serbien

Der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok hat Serbien zur Zusammenarbeit mit dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag aufgerufen. Dies sei Voraussetzung dafür, dass das Land enger an die Europäische Union heranrücken und so einen wirtschaftlichen Aufschwung nehmen kann, sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Europaparlament. Die Haltung gegenüber dem mutmaßlichen Kriegsverbrecher Ratko Mladic schade dem Land.

Moderation: Elke Durak |
    Elke Durak: Am Telefon begrüße ich Elmar Brok, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Europaparlament. Schönen guten Tag Herr Brok!

    Elmar Brok: Guten Tag!

    Durak: Herr Brok, die serbische Regierung, sie muss sich entscheiden für einen Kurswechsel gegenüber den alten Kriegshelden Mladic und Karadzic, und darüber wollen wir jetzt miteinander reden, denn die EU-Außenminister, sie beraten heute in Brüssel darüber und hören sich einen Bericht des Erweiterungskommissars Rehn an, der über die Zusammenarbeit Serbiens mit dem UNO-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag berichten soll. Sagen Sie, Herr Brok, weshalb ist es eigentlich der Europäischen Gemeinschaft so wichtig, Serbien enger an die Union zu binden? Denn Rehn droht ja mit Abbruch der Verhandlungen.

    Brok: Ich meine, wir wollen die Stabilisierung auf dem Westbalkan hinbekommen und dazu gehört es natürlich, dass ein wichtiges Land wie Serbien einbezogen wird und hier insbesondere die Verhandlungen für das Stabilitäts- und Assoziationsabkommen durchgeführt werden können. Dies geht allerdings nur, wenn hier bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind, wie die Zusammenarbeit mit dem Den Haager Gerichtshof.

    Durak: Welche Möglichkeiten gibt es denn, Belgrad doch noch, sagen wir mal, zum Einlenken zu bewegen?

    Brok: Ich glaube, Belgrad ist außerordentlich darauf angewiesen, dass es näher zur Europäischen Union hinrückt, und das sind die einzigen Voraussetzungen, die Belgrad die Chance gibt, eine ökonomische Entwicklung zu haben, dass man wirklich der Bevölkerung etwas zu bieten hat. Aber hier ist natürlich die Frage des Nationalismus so tief ausgeprägt in den Gefühlen, dass das offensichtlich schwer zu sein scheint.

    Durak: Genau, dann könnte ja der Schuss auch nach hinten losgehen, wenn sich beispielsweise in der serbischen Bevölkerung wegen des Drucks der anderen Europäer, also von uns, eine anti-europäische Haltung sich erst so richtig entwickelt.

    Brok: Ja nun, aber wir haben ja auch das bei Kroatien zur Bedingung gemacht, dass auch Beitrittsverhandlungen mit Kroatien nur durchgeführt werden konnten, wenn dort entsprechende Zusammenarbeit erfolgt ist und erst als das bewiesen war, ging das. Wir können ja schwerlich europäische Unterstützung in ein Land hineingeben, in dem die Mörder von Srebrenica nach wie vor geschützt werden, finanzielle Hilfe bekommen, die Familien ausgestattet werden. Ich glaube, dass hier doch eindeutig geklärt sein muss, dass hier bestimmte Bedingungen zusammenlebender Völker erfüllt sein müssen.

    Durak: Welche Möglichkeiten, noch einmal gefragt, haben wir denn, Belgrad zu zwingen?

    Brok: Wir können sie nur dadurch zwingen, dass wir Ihnen sagen, bestimmte Dinge sind nur möglich. Und auf diese Dinge ist Belgrad angewiesen. Belgrad kann wirklich nur vorankommen, wenn es auch hier einbezogen wird in den europäischen Prozess. Ansonsten wird es völlig isoliert sein und hätte keinerlei Chancen zu einer wirtschaftlichen Entwicklung, die dieses Land dringend benötigt.

    Durak: Könnte man denn die Regierung in Belgrad politisch unterstützten zum Beispiel durch das Europaparlament, dessen Vorsitzender im Auswärtigen Ausschuss Sie ja sind?

    Brok: Ja, wir können sagen, dass wir bereit sind, einen solchen Vertrag zu ratifizieren, dass wir bereit sind, auch Geldmittel zur Verfügung zu stellen, dass wir bereit sind, auch eine Freihandelszone zu ermöglichen, um Handel mit diesen Ländern entsprechend zu verstärken. Ich glaube, dass das sicherlich wichtige Voraussetzungen sind für eine positive Entwicklung in diesem Land. Wir müssen natürlich auch sehen, dass auf Belgrad viel Schweres zukommt. Die Ankündigung eines Referendums in Montenegro, dass sich abspalten will, die Verhandlungen über ein selbstständiges Kosovo, dies ist eine außerordentlich schwierige Situation für Serbien und für die gesamte Region.
    Durak: Also bräuchte Belgrad eigentlich mehr Hilfe als Druck?

    Brok: Es bräuchte Hilfe, aber wir können nur Hilfe geben, wenn man auch Menschenrechte erfüllt, wenn wir hier nicht unsere Standards miterfüllen und akzeptieren, dass ein Mann wie Mladic weiter frei rumlaufen kann. Das scheint ja offensichtlich ganz klar zu sein, dass diese Regierung weiß, wo er sich befindet. Es finden ja offensichtlich Gespräche mit ihm statt. Ich glaube, dass man da den Weg gehen sollte, damit Serbien sich auf diese Art und Weise in die Völkergemeinschaft einbringt.

    Durak: Wir haben vorhin in einem Bericht unseres Korrespondenten aus Belgrad gehört, dass er meint, die Regierung hoffe auf ein paar Wochen Frist für die Auslieferung von Mladic, zunächst mal. Von Karadzic ist ja zunächst mal eigentlich kaum noch die Rede oder gar nicht mehr die Rede. Wie kann man denn einer Regierung vertrauen und mit ihr zusammenarbeiten, die so denkt und handelt wie die Belgrader Regierung?

    Brok: Nun, man muss sehen, dass diese Regierung natürlich auch selbst unter ungeheurem Druck in der Bevölkerung steht. Mladic wird von den Serben als ein Volksheld betrachtet auf Grund der kriegerischen Auseinandersetzung, und von daher ist es natürlich auch von einer Regierung wegen der Einstellung der eigenen Bevölkerung außerordentlich schwer. Hier soll es wirklich auf ein paar Tage nicht ankommen, das ist nicht der entscheidende Punkt, sondern es muss grundsätzlich der Wille vorhanden sein, dies in Ordnung zu bringen, und ich hoffe, dass dieses bald geschehen wird.

    Durak: Wäre es nicht auch hilfreich, Herr Brok, wenn die Europäische Union, das Parlament und jeder, der da irgendwie involviert ist, auch der Bevölkerung in Serbien verdeutlicht, was es ihr nützen würde, besser mit dem anderen Europa zusammenzuarbeiten und sich endlich von diesen alten Kriegshelden zu trennen?

    Brok: Das ist sicherlich so und ich glaube, dass dieses sehr viel stärker verdeutlicht wird. Ich weiß nicht, in welchem Rahmen das im Rahmen der elektronischen Medien dort möglich ist, die ja doch zum großen Teil sehr hart bisher in dieser Argumentation sind, die ja gerade auch diesen Nationalismus mit vorantreiben. Aber hier sollte man natürlich ständig diese Zusammenhänge verdeutlichen, um auf diese Art und Weise klar zu machen, dass die Haltung gegen Mladic dem ganzen Land schadet und dass Mladic selbst dem Lande schadet.

    Durak: Welche Möglichkeiten nutzt denn das Europaparlament, also Ihr Bereich?

    Brok: Wir sind dort tätig, wir haben Treffen mit serbischen Parlamentariern, wir führen entsprechende Gespräche und machen auch deutlich, dass wir halt die Einbindung Serbiens möchten und Serbien gleichberechtigt wie Länder wie Kroatien behandeln möchten.

    Durak: Dankeschön, Elmar Brok, für dieses Gespräch. Er ist Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Europaparlament und Mitglied der EVP.