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Brotfabrik auf der Krim
Zuversicht seit der Verstaatlichung

Heute vor einem Jahr nahm Wladimir Putin die Halbinsel Krim offiziell in die Russische Föderation auf. Die pro-russische Krim-Regierung hatte da schon damit begonnen, die ersten ukrainischen Unternehmen zu nationalisieren – also die bisherigen Besitzer zu enteignen. Davon betroffen ist auch Backwaren-Fabrik "Krym-Chleb".

Von Mareike Aden | 18.03.2015
    Eine Gedenkmünze mit dem Kopf von Wladimir Putin erinnert an den Beitritt der Krim zu Russland.
    Eine Gedenkmünze mit dem Kopf von Wladimir Putin erinnert an den Beitritt der Krim zu Russland. (dpa / picture alliance / Aleksandr Kondratuk)
    Ein Brot nach dem anderen fällt goldbraun gebacken vom Band in die Metallwanne am Ende des Fließbands. Sie haben lange gezögert hier in der Backfabrik "Krymchleb" in Simferopol, ob sie eine Journalistin aus dem Westen im Haus haben wollen. Jetzt zeigt Dmitrij Prostakow, ein großer Mann mit Schnauzbart, persönlich die Produktionshallen des größten Backwaren-Herstellers auf der Krim. Mit seinem Anzug fällt er auf zwischen den Arbeitern in weiß.
    Prostakow ist Berater des Parlamentsvorsitzenden auf der Krim und seit der Nationalisierung des Werkes Anfang des Jahres "Kurator" bei "Krymchleb", wie er es nennt. Von Lebensmittelknappheit, Krise oder Isolation auf der Krim könne keine Rede sein.
    "Viele ukrainische Unternehmen profitieren doch vom Handel mit der Krim– das ist auch nach dem Referendum, jetzt wo die Krim russisch ist, so geblieben. Jetzt stehen auf der anderen Seite der Grenze zu uns sehr viele ukrainische Lastwagen und wollen uns Waren liefern. Aber wir können uns auch selbst versorgen. Unsere Regale sind ja auch überhaupt nicht leer. Wir werden auf der Krim so viel Lebensmittel produzieren, dass wir noch in die Europäische Union liefern werden."
    Brot und andere Backwaren gehören in der Tat bisher nicht zu den knappen Waren auf der Krim, das sind eher Medikamente, Windeln oder Reinigungsmittel. Aber so wie alles ist auch Brot auf der Krim wesentlich teurer geworden und deshalb produzieren sie hier jetzt schon mehr: Statt wie früher 119 Tonnen pro Tag sind es nun 127 Tonnen. Die Arbeiter sind dieselben wie früher: Sie wurden entlassen und dann wieder eingestellt – mit ihnen auch einige neue: Statt 1420 Arbeitern seien es nun 1600.
    Neben Prostakow läuft Denis Boyko, ein muskulöser Mann Anfang 40: Er ist der einzige, der aus der vorherigen "Krymchleb"-Führungsriege auch nach der Nationalisierung geblieben ist. Er kommt von der Krim und ist jetzt befördert worden.
    "Als ich vor Jahren hier anfing, da hatte unsere Fabrik noch Besitzer aus Kiew. Wenn ich ehrlich bin: Die haben investiert in die Produktion und auch neue Fahrzeuge für den Lieferfuhrpark gekauft. Dann kaufte jemand aus Donezk 'Krymchleb' und nichts wurde mehr investiert, im Gegenteil: Man hat uns Fahrzeuge weggenommen und bei anderen Unternehmen, die zur Holding gehörten, stationiert."
    Nationalisierung als Wunsch des Kollektivs?
    Eine staatliche Kommission der Krimregierung führte in den vergangenen Monaten eine Analyse der Lage durch und beschloss schließlich "Krymchleb" zu nationalisieren, um den Bankrott zu verhindern, erzählt Prostakow und stellt einen Mann vor, der unbedingt ein paar Worte sagen wolle: Dmitrij Gamajunowe arbeitet seit mehr als zehn Jahren hier als Teigmischer. So zuversichtlich wie jetzt, da das Werk in staatlicher Hand ist, sei er noch nie gewesen, erzählt er. Der Lohn werde nun, anders als früher, pünktlich ausgezahlt und soll schrittweise sogar um zehn Prozent erhöht werden.
    "Ich möchte Ihnen sagen, dass die Nationalisierung wirklich auf Wunsch des Kollektivs geschehen ist. Das war keine politische Entscheidung von oben, wir haben darum gebeten. Und wir sind froh, dass wir nun weiterhin Arbeit haben, denn wir haben gesehen, dass unser Werk zerfiel unter den alten Besitzern. Jetzt ist alles gut."
    Die Büroräume von "Krymchleb" liegen über den Produktionshallen. An der Wand hängt ein Foto von Wladimir Putin, ihrem neuen Präsidenten. Der ehemalige Besitzer aus Donezk könne "Krymchleb" nichts mehr anhaben, glaubt Prostakow.
    "Er kann sich natürlich beschweren. Das ist sein gutes Recht und das können wir ihm nicht nehmen. Aber wir haben ihn drei bis viermal gewarnt, seit die Krim russisch ist. Seine Gesandten sind zu uns in die Regionalverwaltung gekommen und haben verhandelt. Im November haben wir gesagt: Ihr ändert ja nichts. Sie haben uns weiter ignoriert. Wir wissen nicht einmal, ob sie bei Gericht geklagt haben – aber wenn das so ist, dann ist das ihr Recht."
    An der Realität bei "Krymchleb" in Simferopol würde das aber wohl nichts ändern: Denn beschweren müsste sich der enteignete, ukrainische Besitzer vor einem russischen Gericht.