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"Brückenbauer zwischen den Religionen"

Papst Benedikt XVI. sei einer der großen Theologen auf dem Stuhl Petri gewesen, sagt Robert Zollitsch, Erzbischof von Freiburg und Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz. Er verteidigt die Aufhebung der Exkommunikation von Mitgliedern der Pius-Bruderschaft, dem Papst sei dabei ein "bedauerlicher Fehler" unterlaufen.

Robert Zollitsch im Gespräch mit Peter Kapern | 28.02.2013
    Peter Kapern: Hadrian VI. war der letzte deutsche Papst. Seine Amtszeit dauerte von 1522 bis 1523. Der letzte deutsche Papst, bis Joseph Ratzinger am Nachmittag des 19. April 2005 vom Konklave gewählt wurde. Fast 500 Jahre dauerte es also, bis wieder ein Deutscher auf dem Stuhl Petri Platz nahm. Wenn das Pontifikat Benedikt XVI. heute um 20 Uhr endet, dann ist das also ein tiefer Einschnitt für die Katholiken, hierzulande ganz besonders. Wie tief dieser Einschnitt denn sein könnte, das soll uns nun der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz erklären, Erzbischof Robert Zollitsch, den wir in Rom erreichen. Guten Morgen.

    Robert Zollitsch: Guten Morgen!

    Kapern: Der Bruder des Papstes, Georg Ratzinger, hat gestern die letzte Generalaudienz in Bayern vor dem Fernseher erlebt. Sie hingegen waren in Rom, wo ja Zehntausende den Papst auf dem Petersplatz gefeiert haben. Wie haben Sie diesen letzten öffentlichen Auftritt von Benedikt XVI. erlebt?

    Zollitsch: Ja, ich war mit auf dem Petersplatz und habe gespürt, es war eigentlich ein leiser Abschied. Papst Benedikt hat die Generalaudienz gehalten wie sonst an jedem Mittwoch auch. Es fiel natürlich auf, dass viel mehr Leute da waren, etwa 150.000, und dass dann der Papst natürlich für sich selbst Rückblick hielt und dann auch noch mal sagte, was ihn zu diesem Schritt bewogen hat. Man spürte, da war ein Stück Wehmut, da war ein Stück Trauer da, und es war zugleich einfach überwiegend der Dank für diese acht Jahre, in denen Papst Benedikt sich mit all seinen Kräften und mit dem, was ihm zur Verfügung stand, in sein Amt eingebracht hat und der Kirche gedient hat.

    Kapern: Erzbischof Zollitsch, gestatten Sie mir bitte, dass ich Ihnen den ersten Satz einer Presseerklärung vorlese, den die Deutsche Bischofskonferenz gestern verschickt hat. Ich zitiere: "Anlässlich des Rücktritts von Papst Benedikt XVI. hat der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, heute einen Dankgottesdienst in der Kirche Santa Maria in Traspontina gefeiert." Das war ja wahrscheinlich nur missverständlich ausgedrückt, weil es ja fast so klingt, als seien Sie froh, dass Benedikt XVI. geht. Aber schwingt da nicht doch ein wenig Erleichterung mit, denn das Verhältnis zwischen dem Papst und den deutschen Bischöfen war ja auch angespannt?

    Zollitsch: [Störung in der Leitung, Anmerkung der Redaktion] … gehalten und werden auch heute Abend in Berlin einen Dankgottesdienst halten, und zwar wirklich den Dankgottesdienst für das, was Papst Benedikt in der Kirche getan hat, für das, was er geleistet hat und was Gott uns durch ihn geschenkt hat. Denn bei all den Fragen, die da sind, die sich auch in der Pressemappe stellten, ist einfach das, was er getan hat, das darf nicht vergessen werden, und wir sind Papst Benedikt dankbar und sind auch ein Stück stolz, dass acht Jahre ein Deutscher nun auf dem Stuhl Petri die Kirche geleitet hat und auch vieles eingebracht hat, denn wir waren natürlich mit Papst Benedikt, der ein Deutscher ist, und sind mit ihm natürlich besonders eng verbunden, und jedes Mal, wenn ich in Rom war, auch mit dem Papst sprach, hatte ich den großen Vorteil, in der Muttersprache mit ihm sprechen zu können, und habe jedes Mal gespürt, wie sehr er mit Deutschland verbunden ist, wie sehr er die Kirche in Deutschland kennt, und ich muss auch sagen, wie sehr er zuhörte. Ich konnte jede Frage, die mich bewegte, mit ihm besprechen.

    Kapern: Welche seiner Leistungen wird denn wohl in 20 oder 50 Jahren noch Gesprächsstoff liefern?

    Zollitsch: Er ist sicher einer der großen Theologen auf dem Stuhl Petri und ich bin überzeugt, viele seiner Schriften, die werden noch lange gelesen werden, weil es ihm gelungen ist, das, was die Theologie, was das Evangelium sagt, auch dann in die Sprache zu übersetzen, sodass Menschen es verstanden haben. Das ist eine große Leistung. Er war immer auch stets Brückenbauer, gerade Brückenbauer zwischen den Religionen, Brückenbauer zwischen den verschiedenen Staaten, wenn er etwa in New York gesprochen hat, in Berlin gesprochen hat. Er wollte die Völker verbinden und hat vor allem auch viel dazu beigetragen, dass die Staaten Europas sich näher kommen, denn Europa ist ihm ein großes Anliegen.

    Kapern: Sie sagten gerade, Benedikt XVI. sei ein großer Brückenbauer zwischen den Religionen gewesen. Aber in Erinnerung bleibt doch auch, dass er Juden vor den Kopf gestoßen hat mit der Aufhebung der Exkommunikation eines Holocaust-Leugners, dass er Muslime vor den Kopf gestoßen hat mit seiner Regensburger Rede. Bleibt da nicht doch auch etwas zurück, was einen Schatten wirft auf dieses Pontifikat?

    Zollitsch: Er hat Dinge angesprochen, die Realität sind. Ich habe allerdings auch erlebt, wie er in Berlin den Juden begegnet ist, im Reichstag, und ich muss sagen, das war eine bewegende Stunde und viele Juden spüren, wie sehr Papst Benedikt auf sie zugegangen ist. Und damals diese Aufhebung der Exkommunikation etwa der Bischöfe, die der Pius-Bruderschaft angehören, da ist ihm ein Fehler unterlaufen, denn der Papst war nicht informiert über das, was Williamson gesagt hatte, und ich habe auch gespürt, wie sehr er das bedauert hat. Und wir haben auch in den letzten Jahren ja erlebt und in den letzten Monaten in seinem Zugehen auch auf die Muslime, etwa wenn ich an seine Rede in Amman denke, da spürt man: Der Papst ist auf die anderen zugegangen, auch wenn es durchaus die eine oder andere Sache gab, die dann zu Missverständnissen und auch zu Enttäuschungen führte, denn es war für die Juden tatsächlich schwer, [Störung in der Leitung, Anmerkung der Redaktion].

    Kapern: Da ist uns die Telefonleitung nach Rom zu Erzbischof Zollitsch ganz offenbar verloren gegangen. Vielleicht können wir ihn innerhalb weniger Sekunden noch mal erreichen. Ansonsten müssten wir das Gespräch dann einfach zu einem späteren Zeitpunkt fortsetzen.

    Kapern: Die Telefonverbindung nach Rom steht wieder, wir sprechen mit Erzbischof Zollitsch, dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz. – Herr Erzbischof, Sie haben gestern in Ihrer Predigt in Traspontina lobend hervorgehoben, Papst Benedikt XVI. habe es verstanden, der markante Fels in der mitunter stürmischen Brandung des Zeitgeistes zu sein. Aber ist es nicht genau diese Fähigkeit, die viele Katholiken hier in Deutschland an ihm hat zweifeln oder gar verzweifeln lassen, all jene, die sich Reformen, die sich Modernität gewünscht haben?

    Zollitsch: (Leitungsstörung) … Kirche gewahrt bleibt, dass auch das, was uns im Evangelium anvertraut ist, jederzeit verkündet wurde, und wir sind eine Weltkirche und in einer Weltkirche gibt es da natürlich auch immer wieder ganz verschiedene Erwartungen aus den einzelnen Ländern, und es ist … [Störung in der Leitung, Anmerkung der Redaktion].

    Kapern: Meine Damen und Herren, Sie bekommen es mit: Auf diesem Telefonat mit Erzbischof Robert Zollitsch liegt einfach kein Segen an diesem Morgen. Ich fürchte, wir bekommen die Telefonleitung nicht mehr in ausreichender Stabilität hin. Wir machen ein paar Takte Musik und dann mit dem nächsten Thema weiter. Wir können uns wahrscheinlich mit dem Erzbischof irgendwann später noch einmal über Benedikt XVI. und seinen Nachfolger dann unterhalten.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

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