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Brüssel
Globale Krisen überschatten den EU-Gipfel

Eigentlich wollten Bundeskanzlerin Angela Merkel und die übrigen Staats- und Regierungschefs der EU auf ihrem Gipfeltreffen ruhig und geordnet die aktuellen Baustellen abarbeiten. Doch jetzt stehen andere Themen im Vordergrund: Streit mit den USA, Spannungen mit Russland, die Besteuerung digitaler Großkonzerne.

Von Thomas Otto | 22.03.2018
    Gerissene Fahnen von den USA und EU, Symbolfoto für drohenden Handelskrieg
    Um eine Spaltung der EU-Staaten mit nationalen Zöllen zu vermeiden, müssen die EU-Staaten mit einer Stimme auftreten (imago stock&people)
    Eigentlich sollten beim Frühjahrsgipfel der EU Themen wie die wirtschaftliche Entwicklung der Union oder die Zukunft der Eurozone im Vordergrund stehen. Doch einerseits hat die lange Regierungsbildung in Berlin den Fortschritt bei wichtigen Reformvorhaben blockiert. Andererseits sind es ganz aktuelle Themen, die nun auf die Agenda gesetzt werden mussten. So wie die von US-Präsident Trump für Freitag angekündigten Zölle auf Stahl und Aluminium aus der EU.
    Bundeskanzlerin Angela Merkel:
    "Wir halten diese Zölle für rechtswidrig, wir glauben, sie sind schädlich, ich habe das gesagt. Aber wir müssen die Entwicklung natürlich abwarten." Hatte Bundeskanzlerin Merkel noch in ihrer gestrigen Regierungserklärung festgestellt. EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström hatte gestern in Washington versucht, eine Ausnahme bei diesen Zöllen für die EU zu vereinbaren. In einem Statement zusammen mit US-Handelsminister Wilbur Ross wurde ein Diskussionsprozess mit US-Präsident Trump angekündigt. Auf dem Gipfel in Brüssel werden die Staats- und Regierungschefs nun über mögliche Reaktionen diskutieren.
    Im Gespräch sind auch Handelserleichterungen für US-Produkte, notfalls aber auch Gegenzölle. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte bereits vergangene Woche vor dem EU-Parlament angekündigt:
    "Wir sind keine naiven Verfechter des Freihandels. Wir schauen nicht einfach dabei zu, wenn unsere Industrie mit unfairen Handelsmaßnahmen getroffen wird, die Jobs gefährden. Wir werden unsere Arbeiter und unsere Industrie verteidigen. Und wir tun das unter Einhaltung der Regeln, auf die sich die Welt unter der WTO geeinigt hat."
    Gefahr der Spaltung der EU durch Trumps Strategie
    Die sehen vor, dass die EU ebenfalls neue Zölle erheben kann. Die Kommission hatte dazu bereits eine Liste ausgearbeitet, auf der sich unter anderem Tabakprodukte, Whiskey, Jeans und Orangensaft finden.
    Entscheidend wird sein, ob die EU-Staaten hier mit einer Stimme auftreten oder der Strategie von US-Präsident Trump in die Hände spielen, die EU-Staaten mit nationalen Zöllen zu spalten.
    Später soll es dann unter anderem um den Kommissionsvorschlag zur Besteuerung großer Digitalkonzerne wie Facebook oder Google gehen. Hierzu hatte die Kommission gestern ihre Ideen vorgelegt.
    Fall des Ex-Doppelagenten Skripal
    Kurzfristig wurde auch der Fall des in Großbritannien vergifteten Ex-Doppelagenten Sergej Skripal auf die Tagesordnung gesetzt. Die Außenbeauftragte Federica Mogherini hatte am Montag beim Treffen der EU-Außenminister dem Vereinigten Königreich ihre volle Solidarität versichert: Man sei extreme besorgt über das Geschehene, das sei nicht akzeptabel, so Mogherini. Die Staats- und Regierungschefs wollen nun über mögliche Konsequenzen des Giftanschlages beraten. Unklar ist bisher, ob man sich auf eine klare Schuldzuweisung in Richtung Russland verständigen wird. Neue Sanktionen seien zunächst nicht geplant, hieß es aus Diplomatenkreisen.
    Morgen wollen sich die Staats- und Regierungschefs dann zunächst in der Runde der 27 ohne Großbritannien treffen und über das künftige Verhältnis zum UK nach dem Brexit diskutieren. Ein Anfang der Woche erzielter Kompromiss zur Übergangszeit bis zum endgültigen Ausscheiden aus EU und Binnenmarkt soll unterzeichnet werden.
    Anschließend werden sich die Staats- und Regierungschefs der 19 Euro-Länder zusammensetzen und über eine Reform der Eurozone diskutieren. Beschlüsse werden hier allerdings nicht erwartet.