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US-Strafzölle
"Trump will Recht des Stärkeren auf internationaler Ebene"

Grünen-Politikerin Katharina Dröge sieht wenig Chancen, dass die angedrohten Strafzölle der USA noch durch Gespräche abgewendet werden können. Denn Donald Trump verfolge die Strategie, ein System von Spiegelzöllen zu schaffen. Damit verabschiede er sich von grundsätzlichen Prinzipien der WTO, sagte Dröge im Dlf.

Katharina Dröge im Gespräch mit Sandra Schulz     | 21.03.2018
    US-Dollar und Euro-Geldscheine liegen zusammen
    Zwischen der EU und den USA droht ein Handelskrieg (imago stock&people)
    Sandra Schulz: Wenn von konstruktiven Gesprächen die Rede ist, dann ist das bei politischen Begegnungen gerne eine freundliche Umschreibung dafür, dass es inhaltlich kaum nennenswerte Bewegung oder Fortschritte gegeben hat. Konstruktiv nannte das Wirtschaftsministerium dann jetzt auch die Gespräche, die Wirtschaftsminister Altmaier in Washington geführt hat, über die verhängten Strafzölle auf Stahl und Aluminium. Am Freitag sollen die ja greifen und noch versuchen die Europäer das abzuwenden. Von Altmaier hat jetzt EU-Handelskommissarin Malmström den Verhandlungs-Staffelstab in Washington übernommen, aber Ausnahmen für Europa zeichnen sich nach wie vor nicht ab.
    Wie gefährlich können die Zölle nun werden? Unser Thema in den kommenden Minuten. Am Telefon ist Katharina Dröge, Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion und Sprecherin für Handelspolitik. Schönen guten Morgen.
    Katharina Dröge: Schönen guten Morgen.
    Schulz: Unter anderem die Grünen haben sich ja mit Händen und Füßen dagegen gewehrt. Aber wäre Europa jetzt nicht in einer viel besseren Lage, wenn das Freihandelsabkommen TTIP zur Trump-Wahl schon unter Dach und Fach gewesen wäre?
    Dröge: Nein, das wäre Europa leider überhaupt nicht, und dafür muss man sich nur anschauen, wie Trump grundsätzlich mit internationalen Verträgen umgeht. Die sind ihm nämlich eigentlich völlig egal. Er macht diese Ankündigung, Strafzölle auf Stahl und Aluminium zu verhängen, ja unter anderem deshalb, um die Kanadier und um Mexiko unter Druck zu setzen, das Freihandelsabkommen NAFTA noch mal nachzuverhandeln, das es seit Ewigkeiten gibt.
    Es war ihm egal, ob es ein Freihandelsabkommen TPP gibt. Es war ihm egal, ob es den Pariser Klimavertrag gibt. Das interessiert ihn alles nicht. Da hätte TTIP einfach auch grundsätzlich gar nichts gebracht.
    Und das zweite ist: Wir haben TTIP nicht kritisiert, weil es um das Thema Zollsenkung ging, sondern weil es um Standards ging. Diese Kritik bleibt auch weiterhin bestehen, hätte aber in dieser Frage auch nichts gelöst.
    "Trump verbindet das Ganze einfach mit einer grundsätzlichen Strategie"
    Schulz: Wenn Sie das jetzt als reine Strategie von Donald Trump skizzieren, die Handelspartner gegeneinander auszuspielen, wie zuversichtlich sind sie denn, dass diese Ausnahmen, die die Europäer ja gerne aushandeln wollen, jetzt noch ausgehandelt werden können bis Freitag?
    Dröge: Ich finde es erst mal sehr richtig, dass Frau Malmström in die USA fährt, um Gespräche zu suchen, weil wir in einer sehr schwierigen Situation sind, wo aus meiner Sicht Gespräche das Mittel der Stunde sind. Trotzdem habe ich Zweifel, dass es da noch zu einer vernünftigen Bewegung kommt, weil Donald Trump einfach das Ganze mit einer grundsätzlichen Strategie verbindet. Es geht ihm ja nicht nur um den Stahlsektor, sondern er hat eigentlich angekündigt, er wolle ein System von Spiegelzöllen schaffen.
    Das heißt: Den Zoll, den ich in einem Land zahlen muss, musst Du in Zukunft auch bei mir zahlen. Damit verabschiedet er sich vom grundsätzlichen Prinzip der WTO, das jedes Land gleichbehandelt werden muss. Wenn das wirklich seine Idee ist, dann werden Gespräche wahrscheinlich recht wenig bringen. Trotzdem ist es richtig, über Gespräche da noch mal ein Einsehen versuchen zu erreichen, um vielleicht auch die Bündnispartner, die es in den USA gibt, die es selbst bei den Republikanern gibt, da auch zu erreichen und zu stärken.
    "Trump will Recht des Stärkeren auf internationaler Ebene"
    Schulz: Und diese Perspektive, dass das jetzt der erste Schritt sein könnte in einer langen Eskalationsspirale, das ist auch der Grund für die Aufregung eigentlich, oder? Denn Experten rechnen ja vor, dass diese Zölle, die jetzt im Gespräch sind, beim Beispiel der Stahlzölle, dass es da um Exporte im Wert von 0,05 Prozent des Bruttoinlandsprodukts geht. Es geht im Moment gar nicht unbedingt um die Sache?
    Dröge: Genau. Wenn man sich anschauen würde, welche Effekte alleine Zölle auf Stahl und Aluminium hätten, dann könnte man sagen, das ist für die Europäische Union verkraftbar. Soviel exportieren wir nicht in die USA. Trotzdem ist das mit dem Stahlsektor relevant, weil wenn man sich fragt, was passiert denn mit dem ganzen Stahl weltweit, der auf den amerikanischen Markt vielleicht nicht mehr kommt durch höhere Zölle, dann gibt es hier schon die Sorge der Stahlerzeuger, dass es dann Umleitungseffekte gibt, und das muss die Europäische Union schon sehr ernst nehmen.
    Da gibt es aber auch WTO-konforme Maßnahmen, was man tun kann, um kurzfristig auch den Stahlsektor zu schützen, wenn es da zu einer Überflutung käme. Aber trotzdem ist dieser Stahlbereich, wenn es ein singuläres Problem wäre, etwas, was wir in den Griff kriegen könnten. Die große Sorge, die dahinter steht, ist aber, dass das jetzt erst mal nur ein Symbol ist für eine längerfristige Strategie von Donald Trump, die eigentlich zum Ziel hat, das was wir als WTO-Recht mal geschaffen haben, auch nach dem Zweiten Weltkrieg geschaffen haben, gegen Protektionismus und Nationalismus, das zu ersetzen durch ein Recht des Stärkeren auf der internationalen Ebene.
    Schulz: Frau Dröge, da ja die Frage ist, wie gerecht und wie aktuell diese Verabredungen noch sind, die ja vor vielen Jahrzehnten getroffen wurden; Donald Trump haut jetzt ja mit der Faust auf den Tisch, weil er sagt, wir sind für alle praktischen Zwecke von allen Partnern weltweit abgezockt worden, und wenn wir auf die Zölle schauen, dann ist es ja so, dass die Europäer im Schnitt durchaus höhere Zölle erheben als umgekehrt die Amerikaner.
    Dröge: Grundsätzlich ist es so, dass jedes Land erst mal freiwillig bei der WTO gemeldet hat, welche Zölle sie senken wollen, und dass die USA da durchaus auch von profitiert haben in den letzten Jahrzehnten. Trotzdem kann man sich die Frage stellen - und das tun wir Grünen ja auch -, wie gerecht dieser Welthandel ist. Ich finde nur die Perspektive, die Donald Trump dort einnimmt, völlig falsch, dass er sagt, ich will alleine einen Benefit für die Vereinigten Staaten dabei herausholen.
    "USA waren nicht Opfer, sondern Gestalter dieses internationalen Handelssystems"
    Schulz: Er sagt ja, wir wollen nicht länger abgezockt werden.
    Dröge: Genau! Und ich glaube, dass die USA in der internationalen Politik über viele Jahre nicht das Opfer waren, sondern die Gestalter dieses internationalen Handelssystems. Und dass die USA jetzt Probleme haben auch im Inland, das ist durchaus gerechtfertigt, darüber mal zu sprechen. Das hat aber nicht unbedingt was mit der Zollpolitik zu tun, sondern durchaus mit einer mangelnden Wettbewerbsfähigkeit zu tun und mangelnden Innovation in vielen Bereichen.
    Man muss auch über ein ungerechtes Handelssystem sprechen, über die Möglichkeit, faire Handelsverträge zu gestalten. Da ist Trump nur in einer völlig anderen Richtung unterwegs. Da hätte er uns ja sonst, wenn er diese Idee hätte, gegebenenfalls als Partner gesagt, lasst uns mal über andere Handelsverträge reden, lasst uns mal über Produktionsstandards reden, lasst uns über gute Arbeitsbedingungen reden, über die Schaffung von Schiedsgerichten reden. All das könnte man machen. Aber da ist er gar nicht unterwegs. Das findet er weiterhin gut.
    Schulz: Aber es geht ja auch unter anderem um den deutlichen Überschuss beim deutschen Außenhandel. Auch der wird kritisiert aus den USA, auch von vielen europäischen Partnern, auch, ehrlich gesagt, wenn ich Sie richtig verstanden habe, bisher von den Grünen. Diese Kritik nehmen Sie jetzt zurück?
    "Das Problem ist die deutsche Binnennachfrage - wir müssen mehr konsumieren"
    Dröge: Nein. Der deutsche Leistungsbilanzüberschuss ist ein Problem, ist ganz grundsätzlich ein Problem. Das haben wir auch als Europäische Union als Lehre aus der Finanzmarktkrise gezogen, dass ausgeglichene Leistungsbilanzen wichtig sind für die europäische Stabilität, für die Stabilität weltweit. Da ist aber nicht die Lösung zu sagen, wir müssen jetzt die deutschen Exporte verbieten oder so. Die sind Ausdruck einer hohen Wettbewerbsfähigkeit.
    Sondern das Problem ist die deutsche Binnennachfrage, dass wir mehr konsumieren müssen, dass wir mehr im Inland investieren müssen. Das ist der Punkt, den wir immer gemacht haben, und der ist auch richtig. Und es ist auch richtig, dass die USA ein zu großes Leistungsbilanzdefizit haben. Aber da geht es auch um Maßnahmen im Inland, die die USA ergreifen müssen. Trump adressiert hier zufällig, würde ich sagen, ein reales Problem. Er ergreift nur völlig die falschen Maßnahmen.
    Schulz: Katharina Dröge, Sprecherin für Handelspolitik der Grünen-Bundestagsfraktion und heute Morgen hier bei uns im Deutschlandfunk. Danke für das Interview.
    Dröge: Ich danke Ihnen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.