
Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) möchte eine Neuauszählung der Bundestagswahl aus dem Februar 2025 erreichen. Die Partei ist damit allerdings bereits mehrfach vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert. Nun hat sie prominente Unterstützerinnen und Unterstützer für einen Appell an den Wahlprüfungsausschuss gewonnen. Sie fordert eine schnelle Entscheidung des Gremiums.
Sowohl die Frage nach einer Neuauszählung der Stimmen sowie der Weg dorthin sind umstritten. Was spricht dafür, dass es eine Neuauszählung geben sollte – und was dagegen? Und sollte der Weg zu einer einer Neuauszählung erleichtert werden?
Sicher ist: Würde das BSW nachträglich in den Bundestag kommen, hätte das große Verwerfungen zur Folge.
Sehr knapp gescheitert: BSW bei der Bundestagswahl 2025
Das Bündnis Sahra Wagenknecht ist bei der vorgezogenen Neuwahl des Bundestags im Februar 2025 so knapp an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert wie noch keine Partei vor ihr: Laut amtlichem Endergebnis erhielt das BSW 4,981 Prozent der Zweitstimmen. Nach Angaben der Partei fehlten bundesweit 9.529 Stimmen, um in den Bundestag zu kommen.
Es gebe Hinweise darauf, „dass es zu unrichtigen Zuordnungen kam, dass also teilweise falsch ausgezählt wurde“, erklärt Christoph Degenhart, emeritierter Staatsrechtler der Universität Leipzig, ehemaliger Richter am Sächsischen Verfassungsgerichtshof und Unterstützer des BSW-Appells an den Wahlprüfungsausschuss.
Beispielsweise habe es Verwechslungen mit der Partei Bündnis Deutschland gegeben. So habe diese durch falsche Übermittlung der Ergebnisse Stimmen erhalten, die für das BSW abgegeben worden seien.
In einer punktuellen Nachzählung hätten sich „bereits etwa 4.000 oder 5.000 zusätzliche Stimmen für das BSW“ ergeben, so Degenhart. Ursprünglich hätten mehr als 14.000 Stimmen gefehlt, um über die Fünf-Prozent-Hürde zu kommen. Wenn man das bundesweit hochrechne, komme man zum Schluss, „dass es mehr Stimmen sein könnten als die bisherigen 4.000, die bei erster punktueller Nachprüfung rausgekommen sind“.
Allerdings ist bei diesen punktuellen Nachzählungen nicht bekannt, wo genau die Fehler lagen. Es seien aber Zählfehler, Zuordnungsfehler und Übermittlungsfehler festgestellt worden, die auch korrigiert wurden, so Degenhart. Das BSW macht außerdem Fehler bei ungültigen Stimmen geltend.
Einsatz für eine Neuauszählung: Wahlprüfung beantragt
Das Bündnis Sahra Wagenknecht erhält zunehmend Unterstützung bei ihrer Forderung nach einer Neuauszählung des Bundestagswahlergebnisses aus dem Februar 2025. Mitte November 2025 unterzeichneten nach Partei-Angaben mehr als 20 Persönlichkeiten etwa aus Wissenschaft, Kultur, Medien sowie Mitglieder konkurrierender Parteien einen Aufruf an den Wahlprüfungsausschuss des Bundestags für dieses Anliegen.
Das BSW hat Ende April 2025 beim Wahlprüfungsausschuss eine Neuauszählung der vorgezogenen Bundestagswahl im Februar 2025 beantragt.
Zuvor, im Juni 2025, wies das Bundesverfassungsgericht bereits zwei Organklagen des BSW ab. Unter anderem ging es um eine rechtliche gesicherte Einspruchsmöglichkeit bei knappem Scheitern an der Sperrklausel.
Im März 2025 hatte das Bundesverfassungsgericht mehrere Eilanträge der Partei abgewiesen. Sie bezogen sich auf eine Neuauszählung der Stimmen noch vor der Bekanntgabe des amtlichen Ergebnisses.
Pro und contra Neuauszählung
Eine Nachzählung sei „im Interesse des Vertrauens in die demokratische Ordnung“ und in den Rechtsstaat, sagt Staatsrechtler Christoph Degenhart. Auch, wenn diese neue Auszählung ergäbe, dass das Wahlergebnis korrekt war. Daher sollte generell geregelt werden, so Degenhart: „Wenn begründete Einwände bestehen“, müsse neu ausgezählt werden.
Auch beispielsweise die Politikwissenschaftler Eckhard Jesse und Uwe Wagschal fordern eine Neuauszählung der Bundestagswahl. In einem Gastbeitrag für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ verweisen sie darauf, dass das Verschwörungsmythen eindämmen würde.
Sophie Schönberger, Staatsrechtlerin und Professorin an der Freien Universität Berlin, hingegen sieht die Chancen des BSW, eine neue Auszählung zu erreichen, sehr kritisch. Die Partei müsste konkrete Anhaltspunkte zu Wahlfehlern nennen und nicht lediglich einen allgemeinen Verdacht auf Unregelmäßigkeiten.
Die Ergebnisse der „punktuellen Nachzählungen“, von denen etwa Staatsrechtler Christoph Degenhart spricht, sieht Sophie Schönberger als nicht aussagekräftig. Man habe dort nachgeprüft, „wo es konkrete Anhaltspunkte für Fehler gab“. Tatsächlich zufällige Stichproben würden „wahrscheinlich zu ganz anderen Ergebnissen“ führen.
Das BSW erwecke den Eindruck, dass die Auszählung der Stimmen nicht geprüft worden sei, dem tritt Schönberger entgegen: Es gebe Vorschriften, wonach „das alles geprüft wird“. Nachdem Wahlvorstände und Wahlhelfer ausgezählt haben, überprüften die Kreiswahlausschüsse diese Ergebnisse. Bei Zweifeln zählten die nochmals nach.
Bei einem „Massenverfahren wie der Bundestagswahl“ könne es im Einzelfall immer zu kleineren Fehlern kommen, erklärt Schönberger. „Doch wir haben keine Anhaltspunkte dafür, dass es großflächig Fehler gegeben hätte.“ Die Argumentation des BSW stelle den Wahlvorgang als solchen infrage, „indem sie insinuiert, es würden systematisch Fehler zulasten des BSW begangen“.
Kritik am Verfahren bis zu einer Neuauszählung
Vom Bündnis Sahra Wagenknecht, seinen Unterstützern und auch von Staatsrechtler Christoph Degenhart kommt Kritik am Verfahren bis zu einer möglichen Neuauszählung der Stimmen.
Degenhart verweist auf die nachträgliche Überprüfung der Bundestagswahl 2021, bei der es in Wahllokalen in Berlin Unregelmäßigkeiten gab. Damals habe es „mehr als ein Jahr gedauert, bis es dann eine Entscheidung gab, damals für eine Teilwiederholung der Bundestagswahl“.
Immerhin ein Viertel der Legislaturperiode, argumentiert Degenhart. In dieser Zeit habe der Bundestag dann in verfassungswidriger Zusammensetzung agiert. Darin zeige sich, dass dieses System des nachträglichen Rechtsschutzes „sehr problematisch und dysfunktional ist“.
Allerdings hat das BSW selbst einen üppigen Schriftsatz von etwa 100 Seiten eingereicht, und zwar erst im Oktober 2025 – was auch früher möglich gewesen wäre. Degenhart verweist auf die nötige Fundiertheit.
in weiterer Kritikpunkt neben der Dauer des Verfahrens ist der Umstand, dass im Wahlprüfungsausschuss des Bundestags Abgeordnete „in eigener Sache entscheiden“, so Degenhart. Ihre Motivation könne sein, die Konkurrenz draußen zu halten. Auch Verfassungsrechtler Ulrich Battis bemängelt, dass damit Betroffene entscheiden: „Es wäre sicher sinnvoll, das zu ändern.“
Ein Ergebnis zur Prüfung des BSW-Antrags im Wahlprüfungsausschuss könnte im Dezember vorliegen. Über diese Empfehlung hätte dann aber noch der Bundestag insgesamt abzustimmen. Sollte der Wahlprüfungsausschuss des Bundestags negativ für das BSW entscheiden, will die Partei eine Wahlprüfungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht einlegen.
Und sollte ganz am Ende des Verfahrens tatsächlich ein nachträglicher Einzug des BSW ins Parlament stehen, ist eines klar: Die jetzige Koalition aus Union und SPD – und damit die aktuelle Bundesregierung – hätte keine Mehrheit mehr.
Umstrukturierung beim BSW: Vorbereitung auf den Bundestag?
Das Bündnis Sahra Wagenknecht versucht bereits, sich auf weitere Entwicklungen einzustellen. Anfang November hat das BSW bekanntgegeben: BSW-Chefin Wagenknecht will den Bundesvorsitz abgeben. Sie bleibe aber in führender Position in der Partei und wolle eine Grundwertekommission aufbauen und leiten, sagte die 56-Jährige Wagenknecht.
Die Parteispitze sollen künftig die bisherige Co-Vorsitzende Amira Mohamed Ali und der Europaabgeordnete Fabio De Masi bilden. Im Fall, dass das BSW durch die angestrebte Neuauszählung der Stimmen der vergangenen Bundestagswahl doch noch in das Parlament einziehen sollte, will Wagenknecht Fraktionschefin werden.
Zudem diskutiert das BSW über eine Namensänderung. Künftig soll das Kürzel für „Bündnis Soziale Gerechtigkeit und Wirtschaftliche Vernunft“ stehen. Das findet jedoch nicht überall im BSW Anklang: Der Landesverband in Rheinland-Pfalz etwa hält den Namen für zu wenig griffig. Die Entscheidung darüber sowie über die neuen Parteivorsitzenden soll ein Parteitag Anfang Dezember fällen.
In Umfragen liegt das BSW derzeit bundesweit bei 3 bis 4 Prozent.
In Umfragen liegt das BSW derzeit bundesweit bei 3 bis 4 Prozent.
abr









