
"Herr Seehofer, wie stellen Sie sich das Ende ihrer politischen Laufbahn vor?"
Bundesinnenminister Horst Seehofer "Schmerzfrei."
Da muss selbst der CSU-Chef schmunzeln. Es sind Fragen wie diese, die Bürgerinnen und Bürger beim Tag der Offenen Tür der Bundespressekonferenz am Wochenende stellen.
Vor allem beim Besuch des Bundesinnenministers ist der Saal mit der blauen Wand im Hintergrund bis auf den letzten Platz gefüllt.
"Warum sind so wenige Frauen in Führungspositionen in Ihrem Ministerium, Herr Seehofer?", will eine Bürgerin wissen.
"Es waren halt acht. Zwei davon hat die CDU mir vorgeschlagen: Männer, dazu gibt’s ein Foto, das sie vielleicht verstört hat." Die Frau nickt Seehofer zustimmend zu, so als wollte sie ihm signalisieren: Ja, und warum ändern Sie das nicht?
"Sie können ja jetzt nicht einfach rumlaufen in Berlin und sagen: Welche Frau möchte gerne Staatssekretär beim Seehofer werden?"
Die Fragen sind kritisch, haben zum Teil mit aktuellen Bezug:
Warum haben Sie die Große Koalition wegen ihrer Migrationspolitik aufs Spiel gesetzt, was ist mit dem Fall Sami A.? Oder: Was sagen Sie zu dem Vorfall mit den ZDF-Journalisten in Dresden und: Ist es nicht ein Widerspruch, wenn Sie twittern wollen und Sätze wie diese sagen?
"Es wird viel zu viel in Deutschland aus der Hüfte bewertet. Viel zu viel. Jeden Tag. Und insbesondere von Politikern."
Horst Seehofer rechtfertigt seine Politik, spricht über Migration und die bevorstehende Landtagswahl in Bayern. Und ja, das mit Twitter meint er wirklich ernst.
"Ich schaue auch ins Internet, auch in meinem Alter kann man solche Dinge beherrschen."
Es fällt schwer als Politiker, den Mund zu halten, ergänzt er. Versichert aber: "Ich will es doch nicht so machen wie der amerikanische Präsident."
Die angehende Studentin Lucy Leichsering wollte vom Innenminister wissen: "Er hat ja gesagt, dass der Islam nicht zu Deutschland gehört. Ich habe daraufhin gefragt, weil ich finde, dass der Islam zu Berlin gehört ob für ihn Berlin zu Deutschland gehört und ob er zu Berlin gehört."
Bürgerin: "Einen persönlicheren Eindruck bekommen"
Horst Seehofer: "Ich gehöre zu Berlin und Berlin gehört zu Deutschland. Das kann man auf jeden Fall mal sagen."
Mit der Antwort war zu rechnen, so die 20jährige. Aber immerhin: "Ich fand's sehr interessant, mal quasi einen persönlicheren Eindruck zu bekommen. Auch wenn ich persönlich vorsichtig benutzen würde."
Der Andrang bei den Bürger-Pressekonferenz en ist groß. Die Menschen stehen dicht hintereinander an, um Katrin-Göring Eckhart von den Grünen, Gesundheitsminister Spahn, Wirtschafsminister Altmaier oder Finanzminister Scholz zu sehen und ihnen vielleicht die eine Frage zu stellen. Das tun hier sonst die Hauptstadtjournalistinnen- und Journalisten drei Mal die Woche bei den sogenannten Regierungspressekonferenzen. Diese werden nicht von der Bundesregierung veranstaltet, sondern von den Journalisten selbst.
"Wer hierher kommt, wird – und ich sage das jetzt mal ganz flapsig: Gegrillt von den Kollegen", sagt Tim Szent-Iványi vom Vereinsvorstand der Bundespressekonferenz, der mit die Fragerunden koordiniert.
Horst Seehofer: "Stimmt."
"Dann Feuer frei!"
Als nächster Gast nimmt Vizekanzler Olaf Scholz Platz.
"Deshalb ist es ja ganz gut, dass wir aufgrund ihrer Frage die Möglichkeit mal haben zu erörtern: Was tun wir gerade?"
Heißes Eisen: die Rentenpolitik
Ja, das möchten einige hier wissen. Was tut die Bundesregierung eigentlich gerade? Vor allem in der Rentenpolitik. Das Thema bewegt viele der anwesenden Besucher, es gibt viele Fragen dazu. Ein Gast will deshalb auch nach zweieinhalb Minuten Einleitung von Finanzminister und Vizekanzler Scholz wissen:
"Gibt es schon konkrete Vorschläge, wie man unser Sozialsystem bis zum Jahr 2040 und darüber hinaus auch finanzieren kann, ohne dass jemand in Altersarmut und dergleichen rein rutscht."
"Also schönen Dank für die lange Frage. Ist ja völlig in Ordnung. Ich antworte ja auch immer ganz kurz. Aber: Wir wollen ein bisschen dafür sorgen, dass zum Beispiel das Thema Stabilität des Rentenniveaus dabei auch rauskommt. Es ist eine nach all den Reformen überschaubare und lösbare Sache."
Ein Journalist nutzt die Chance und mischt sich unter die Fragesteller: "Wie lief das Gespräch mit der Kanzlerin und Seehofer am Wochenende ab?", will er wissen.
"Das Einzige was ich Ihnen mitteilen möchte: Es gab Cordon Bleu und Pommes Frites."
"Haben Sie damit die Frage nach dem Klima in der Koalition auch schon beantwortet?"
"Ja, es schmeckte gut."
Umweltschutz interessiert keinen
Es soll ein ehrlicher Austausch sein zwischen Bürgern und Regierungsvertretern Aber die Politiker antworten häufig zu souverän, fast schon abgeklärt, sagen einige. Und das Interesse sei auch nicht immer gleich hoch findet, Lucy Leichsering.
"Das fand ich eigentlich sehr schade. Dass beim Horst Seehofer, der gerade so ein Medienmensch ist, so viel Presse auch gleich kam, aber beim Umweltschutz – es interessiert niemanden."
Aber solche Veranstaltungen – egal ob man die Meinung der anwesenden Politikerinnen und Politiker teilt, seien wichtig für die politische Bildung, so Roberta Castegini, die mit der ganzen Familie da ist.
Bürgerin: "Dass man so was mitmachen darf so als Bürger"
"Ich finde, Politik ist wichtig und Demokratie muss man lernen irgendwie. Und das ist für die Kinder sehr wichtig, finde ich. Dass sie es erleben. Das finde ich toll, dass man so was mitmachen darf so als Bürger."
Für Politik begeistern, das ist nicht mehr nötig beim gerade erst 13jährigen Jakob Sunderer. Er war schon mehrmals hier und er weiß bereits jetzt: Er will Politiker werden.
"Ja! Weil mich das halt beschäftigt. Auf alle Fälle die Mitbestimmung, dieses Mitentscheiden, was passiert in der Welt?"