Samstag, 27. April 2024

Sozialpolitik
Wie es mit dem Bürgergeld weitergeht

Arbeitssuchende zu fördern, statt sie zu gängeln, das war die Idee, als Hartz IV durch das Bürgergeld abgelöst wurde. Doch Rufe nach härteren Regeln werden lauter. Besonders die CDU will eine radikale Reform des Bürgergelds.

19.03.2024
    Ein Antrag für Bürgergeld und 563 Euro liegen auf dem Boden.
    Die Berechnungsgrundlagen bei der Erhöhung des Bürgergelds sind gesetzlich festgelegt und können nicht einfach ausgesetzt werden. (picture alliance / CHROMORANGE / Jürgen Schott)
    Am 1. Januar 2023 hat das Bürgergeld das Arbeitslosengeld II, das sogenannte Hartz IV, abgelöst. Immer wieder wird über Änderungen diskutiert. So fordern CDU und CSU härtere Sanktionen.

    Inhalt

    Was die Einführung des Bürgergeldes bisher gebracht hat

    Mit dem Bürgergeld sollten Menschen durch Bildung längerfristig in den Arbeitsmarkt gebracht werden. Die Statistik der Bundesagentur für Arbeit zeigt aber nur eine langsame Zunahme bei Aus- und Weiterbildungen im Rahmen des Bürgergelds. Im November 2023 waren es zwar rund sieben Prozent mehr als im Vorjahr. Bei rund vier Millionen Erwerbslosen ist das aber nur eine Minderheit.
    Die Änderungen brachten für Betroffene auch ein höheres Schonvermögen und eine Schonfrist von einem Jahr bei einer zu großen Wohnung. Der Sozialverband Deutschland warnte im Dezember 2023 in der aktuellen politischen Debatte davor, Geringverdienende gegen Transferberechtigte auszuspielen und damit die Gesellschaft zu spalten.
    Außerdem mahnte das Bündnis, die Fakten im Blick zu behalten, "statt Vorurteile zu schüren". Denn ein Teil der 5,5 Millionen Bürgergeld-Beziehenden stehe dem Arbeitsmarkt wegen ihres Alters (unter 15 Jahren), ihrer Gesundheit, der Pflege von Angehörigen oder weil sie sich bereits in arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen befinden gar nicht zur Verfügung.
    Im Jahr 2023 bezogen durchschnittlich 3,9 Millionen erwerbsfähige Personen in Deutschland Bürgergeld. Am 1. Januar 2023 ist das Arbeitslosengeld II (ALG II) durch das Bürgergeld abgelöst worden. Die Zahl der erwerbsfähigen Leistungsempfänger von ALG II war seit dem Jahr 2017 tendenziell rückläufig.
    Im Jahr 2023 bezogen durchschnittlich 3,9 Millionen erwerbsfähige Personen in Deutschland Bürgergeld. (Statista / Bundesagentur für Arbeit)
    Der Anteil der erwerbsfähigen Bürgergeld-Empfänger lag 2023 nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit bei rund 3,9 Millionen. Dazu gab es knapp 1,6 Millionen nicht erwerbsfähige Empfänger von Bürgergeld.

    Was hat sich 2024 beim Bürgergeld geändert hat

    Das Bürgergeld wurde 2024 für rund 5,5 Millionen Erwachsene und Kinder in der Grundsicherung um gut zwölf Prozent erhöht. Das war die größte Erhöhung überhaupt.
    Für Alleinstehende heißt das 61 Euro mehr und damit ein neuer monatlicher Regelsatz von 563 Euro. Erwachsene, die mit einem Partner zusammenleben, bekommen 506 Euro (vorher 451 Euro). Für Kinder liegen die Sätze je nach Alter zwischen 357 und 471 Euro. 2025 soll die Steigerung nur noch sehr gering ausfallen.
    Die Erhöhung ist nicht willkürlich, sondern folgt einer gesetzlichen Regelung. Diese berücksichtigt die jährliche Entwicklung von Preisen und Löhnen. Mit den stark gestiegenen Lebenshaltungskosten folgt nun eine deutliche Anhebung der Regelsätze.
    Die Inflation fließt neuerdings schneller in die Berechnung ein als bisher. Deshalb kritisierte noch im Dezember CDU-Chef Friedrich Merz die geplante Erhöhung als zu hoch. Bürgergeld-Empfänger sollten einen Anreiz haben, eine Arbeit aufzunehmen.
    Das Bürgergeld startete im 2023 mit einem Regelsatz von 502 Euro. 2024 ist das Bürgergeld auf 563 Euro gestiegen. Abgebildet ist der volle Bürgergeld-Regelsatz - Anspruch auf diesen vollen Regelbedarf haben Alleinstehende, Alleinerziehende sowie Volljährige, deren Partner minderjährig ist.
    Das Bürgergeld ist 2024 auf 563 Euro gestiegen. (statista / BMAS)
    Auch durch das Milliarden-Haushaltsloch nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes war die Erhöhung umstritten. Doch eine kurzfristige Rücknahme der geplanten Bürgergelderhöhung wäre politisch und rechtlich kaum möglich gewesen. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) erteilte solchen Forderungen eine Absage.

    Was plant die SPD am Bürgergeld zu verändern?

    Bundesminister Heil plant schärfere Strafen, wenn Bürgergeld-Empfänger Arbeitsangebote komplett verweigern. Heil hat der Bundesregierung vorgeschlagen, das Bürgergeld dann für bis zu zwei Monate zu streichen. Die Kosten für Unterkunft und Heizung sollen aber weiter gezahlt werden. Aktuell dürfen die Jobcenter maximal 30 Prozent des Bürgergelds kürzen.
    Laut den Zahlen der Bundesagentur für Arbeit wurden von Januar bis August 2023 rund 8500 Fälle registriert, bei denen nicht auf Arbeitsangebote reagiert wurde.
    Zuspruch für seine Pläne bekommt der Bundesarbeitsminister von FDP-Fraktionschef Christian Dürr: "Wer zumutbare Arbeit ablehnt, kann nicht erwarten, dass andere, die jeden Morgen zur Arbeit gehen, dauerhaft für ihn aufkommen.“ Hubertus Heil kürze an der richtigen Stelle, so Dürr.
    In Teilen seiner eigenen Partei stößt der SPD-Arbeitsminister aber auf Kritik. Auch die Grünen sind skeptisch und wollen den Vorschlag mit Blick auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2019 prüfen. Harsche Kritik kommt von der Grünen Jugend, die den Vorschlag für menschenunwürdig hält. Die Jusos werfen Heil vor, mit diesen Sanktionen lasse man Menschen hungern.
    DGB-Chefin Yasmin Fahimi sieht pauschale Forderungen nach härteren Maßnahmen gegen Totalverweigerer ebenfalls kritisch. Es gehe nur um eine sehr kleine Gruppe. Sie sprach von "Symbolpolitik" angesichts von "einigen wenigen Einzelfällen".
    Der evangelische Sozialverband Diakonie warnte vor einer kontraproduktiven Entscheidung. Die Beratungspraxis zeige, dass Sanktionen besonders Menschen mit besonders harten Problemen träfen.
    Abgeschafft werden soll auch der sogenannte Bürgergeldbonus für mindestens achtwöchige Weiterbildungen in Höhe von 75 Euro monatlich. Die Änderungen sind auch Folge der Haushaltsverhandlungen der Ampel-Koalition, bei denen auch das Arbeitsministerium Zugeständnisse machen muss. Das Arbeitsministerium rechnet mit Einsparungen von 170 Millionen Euro jährlich beim Bürgergeld und noch einmal 100 Millionen Euro beim Bürgergeld-Bonus.

    Wie sieht das Konzept der CDU zum Bürgergeld aus?

    Die CDU will das Unterstützungssystem des Bürgergelds, dem sie selbst zugestimmt hat, umbauen. Der CDU-Vorstand beschloss dazu einstimmig ein Konzept.
    Demnach soll das Bürgergeld durch eine "Neue Grundsicherung" ersetzt werden. Als Argumente dafür nennt die CDU, das Bürgergeld sei vom Namen her irreführend und Ausdruck des Konzepts eines bedingungslosen Grundeinkommens. Außerdem wird als Grund der Arbeitskräftemangel genannt.
    Die CDU will verbindlichere Anforderungen und Sanktionen: "Wir werden ein gerechtes System schaffen, indem wir vor allen Dingen für die Menschen da sind, die Hilfe bedürfen", sagte Generalsekretär Carsten Linnemann am 18. März 2024. Menschen, die arbeiten könnten, müssten auch arbeiten, "ansonsten entfallen Sozialleistungen", so der CDU-Politiker.
    Wenn ein arbeitsfähiger Grundsicherungsempfänger ohne Grund eine zumutbare Arbeit ablehne, solle künftig davon ausgegangen werden, dass er nicht bedürftig sei, so die CDU. Die CSU steht laut Parteichef Markus Söder hinter den Plänen der CDU. Er sieht die Schwesterpartei damit auf CSU-Kurs.
    SPD und Grüne kritisieren das Konzept der CDU als"Angriff auf den Sozialstaat". Auch Sozialverbände widersprachen den Forderungen der Christdemokraten. Von den Arbeitgebern wurden die Pläne indes begrüßt.

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