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Kalkarer Bürgermeisterin zum AfD-Präsenzparteitag
"Wir haben keine Handhabe - außer durch das Hygienekonzept"

Die Bürgermeisterin von Kalkar sieht den Präsenzparteitag der AfD mitten in der Corona-Pandemie kritisch. Er sei aber ohne Genehmigung zulässig. Die Stadt habe Hygieneauflagen gemacht, sie habe jedoch Zweifel, ob das "so funktioniert, wie wir uns das wünschen", sagte Britta Schulz im Dlf.

Britta Schulz im Gespräch mit Stephanie Rohde |
Die Bürgermeisterin von Kalkar in Nordrhein-Westfalen, Britta Schulz vom Bürgerforum Kalkar, spricht im bei einer Pressekonferenz im Rathaus anlässlich des Bundesparteitags der AfD in dem Ort
Britta Schulz ist Bürgermeisterin der Stadt Kalkar, wo die AfD ihren Bundesparteitag trotz Coronakrise als Präsenzveranstaltung abhält (Imago/ Markus van Offern)
Die AfD hält auf dem ehemaligen Kraftwerksgelände "Wunderland" in Kalkar in Nordrhein-Westfalen ihren Bundesparteitag ab. Mehr als 600 Delegierte kommen dort vor Ort zusammen. Sie müssen auch an ihrem Sitzplatz einen Mund-Nasen-Schutz tragen, das hat das Oberverwaltungsgerichts in Münster entschieden. Die AfD hatte gegen diese Auflage geklagt. Gegen den Präsenzparteitag mitten in der Pandemie will ein breites Bündnis protestieren. Viele fragen sich, warum kann so eine Veranstaltung in Zeiten von Corona überhaupt stattfinden und wie wird diese kontrolliert. Die Bürgermeisterin von Kalkar, Britta Schulz vom Forum Kalkar, einer kommunalen Wählergemeinschaft, erklärte im Deutschlandfunk, dass der Parteitag keiner Genehmigung bedurfte. Wäre dies der Fall, hätte sie sie nicht erteilt.
 Jörg Meuthen, Bundessprecher der AfD und Abgeordneter im Europaparlament, spricht, spricht am Rande einer mündlichen Verhandlung des AfD-Bundesschiedsgerichts zur Frage, ob der Brandenburger AfD-Fraktionsvorsitzende Kalbitz rechtmäßig Mitglied der Partei ist oder nicht, mit Journalisten.
Jörg Meuthen verspricht eine akribische Einhaltung der Maskenpflicht (picture alliance/Sebastian Gollnow/dpa)
AfD-Parteitag - Meuthen verspricht Einhaltung der Maskenpflicht
Während Gastronomiebetriebe schließen müssen und im Privaten Kontaktbeschränkungen gelten, hält die AfD ihren Parteitag als Präsenzveranstaltung mit etwa 600 Delegierten ab. AfD-Bundessprecher Jörg Meuthen kündigte im Dlf an, seine Partei werde sich akribisch an das Hygienekonzept halten.
Stephanie Rohde: Sie haben den Parteitag in Kalkar nicht genehmigt, warum findet er trotzdem statt?
Britta Schulz: Der Parteitag oder eine Versammlung dieser Art ist grundsätzlich nach Corona-Schutzverordnung § 13 zulässig, und insofern ist sie nicht zu genehmigen und eben auch nicht zu verbieten. Ich denke, das resultiert ja daraus, dass man zeigen will, auch seitens des Gesetzgebers, wir haben super viele Einschränkungen, aber eure Grundrechte auf eine Selbstverwaltung durch Parteien und so weiter sind nicht eingeschränkt. Insofern haben wir als Stadt da keinerlei Handhabe – außer durch das Hygienekonzept.
"Parteitag ist zulässig, ohne Genehmigung"
Rohde: Darüber sprechen wir gleich noch. Es gibt einen vergleichbaren Fall, und zwar von der AfD Bayern, die wollte einen Landesparteitag in Greding abhalten, allerdings hat das Landratsamt das da untersagt, wegen des massiv gestiegenen Infektionsgeschehens könne keine Ausnahmegenehmigung erteilt werden. Könnten Sie dann nicht auch in Kalkar so argumentieren?
Schulz: Nein, letztendlich nicht, weil ich ja keine Genehmigung erteilt habe, auch keine Ausnahmegenehmigung. Es ist zulässig, ohne Genehmigung.
Rohde: Welche Auflagen können Sie denn machen?
Schulz: Ja, das ist eben der entscheidende Punkt, die Auflagen können wir machen durch das Hygienekonzept, das haben wir ja auch getan. Ich denke, die Dinge sind weitestgehend bekannt, von Abständen, Einwegstrecken und so weiter und so weiter, aber wir hatten ja eben auch die Maskenpflicht am Platz in unserem Konzept. Dagegen ist geklagt worden, das ist auch bekannt, Gott sei Dank ist die Klage abgewiesen, also muss auch Maske getragen werden.
"Wir haben schon Zweifel, dass das funktioniert"
Rohde: Gehen Sie davon aus, dass sich alle Delegierten daran auch halten? Der NRW-Landesvorsitzende der AfD, Rüdiger Lucassen, hat gestern gesagt, die Auflagen sind hart, das wird schwierig, das für volle zwei Tage durchzuhalten.
Schulz: Ja, also da habe ich schon auch meine Bedenken. Es ist einfach – die AfD in diesem Falle –, wenn sie denn diesen Präsenzparteitag machen will, unbedingt, es wäre ja nicht zwingend notwendig, man hätte ja auch noch warten können, dann muss sie sich eigentlich an diese Maßnahmen halten, einfach um der Bevölkerung ein Zeichen zu geben. Es ist ja so schon schwierig genug, wie will man das nach außen überhaupt verteidigen, was da getan wird, das ist ja der entscheidende Punkt in der ganzen Angelegenheit. Aber ich glaube auch, nach all dem, was ich gehört habe – und ich denke mal, die Klage gegen die Maskenpflicht spricht ja Bände –, haben wir schon auch Zweifel, dass das funktioniert, wie wir es uns wünschen.
"Letztlich liegt die Durchsetzung des Hygienekonzepts beim Veranstalter"
Rohde: Können Sie vielleicht mal ein bisschen schildern, wie genau Sie das kontrollieren werden, auch mit wie vielen Personen dann vor Ort sind, wie das ablaufen wird.
Schulz: Wir sind ja nun mal eine Kleinstadt, und wir haben entsprechend auch natürlich eine kleine Verwaltung mit auch einem kleinen Ordnungsamt, das sind normalerweise drei Mann. Wir haben das Gott sei Dank ein Stück weit aufstocken können durch Freiwillige aus der Verwaltung selber, aber auch aus anderen Kommunen, die sich beteiligen. Wir kommen so auf ungefähr 20 Leute, das ist trotz allem nicht viel, aber ich denke, es wird reichen.
Man muss immer sehen, letztlich liegt die Durchsetzung des Hygienekonzepts beim Veranstalter, und der hat ja auch entsprechende Kräfte vor Ort. Unsere Aufgabe ist nun die Kontrolle, das heißt festzustellen, ah, da hinten sitzt einer, der hat keine Maske an. Da müsste man dem Ordner der AfD sagen, bitte sorg dafür, dass … Und wenn das dann trotz Ansprache nicht geschieht, einer weiteren Ansprache nicht geschieht, dann kommt ja nun irgendwo auch der Punkt, wo man sagen muss, so, nun ist Schluss, dann kann diese Person hier nicht drinbleiben. Das sagt auch explizit das Urteil des OVG.
"Die Kontrolle obliegt dem Ordnungsamt"
Rohde: Wie genau wollen Sie das denn machen, die Polizei untersteht Ihnen ja nicht. Wie machen Sie das in so einem Fall, wenn sich jemand weigert zum Beispiel, einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen?
Schulz: Genau, dann ist natürlich – ja, das ist ja auch immer ein bisschen seltsam, sage ich mal. Die Kontrolle obliegt dem Ordnungsamt, aber zum Vollzug reicht es ja nicht. Wir haben aber sehr viele Polizeikräfte vor Ort, und es haben wirklich intensive Absprachen mit der Polizei stattgefunden. Sollte es da Probleme geben, leistet die Polizei auch Vollzugshilfe.
Rohde: Und wären Sie auch vorbereitet auf den Fall, dass Sie den Parteitag abbrechen müssen?
Schulz: Ja, letztendlich natürlich ja. Ich denke mal, das sind jetzt Sachen, da hoffe ich wirklich, dass das nicht geschieht. Das wäre etwas – also nee, das kann ich mir letztendlich nicht vorstellen, dass eine Partei das nicht geregelt kriegt, dass das nicht passiert. Aber wenn es passiert, und wenn die Lage so ist, dass viele im Saal sich weigern sollten, eine Maske zu tragen, dann muss man sagen, Leute, dann geht es nicht, dann werden wir auch so weit gehen, dass wir die Veranstaltung abbrechen.
Coronavirus
Übersicht zum Thema Coronavirus (imago / Rob Engelaar / Hollandse Hoogte)
"Es gibt doch eine Selbstverantwortung von Parteien"
Rohde: Was ist denn jetzt die Konsequenz aus all dem? Sie sind ja auch mit der Landesregierung da im Austausch, die nordrhein-westfälische Coronaschutzverordnung für Parteiveranstaltungen schreibt ja Sonderregeln vor. Sollte die Landesregierung das Ihrer Meinung nach ändern, sodass jetzt bei Spezialfällen wie in einer Pandemie solche Parteitage nicht stattfinden können?
Schulz: Ja, das ist eine wirklich gute und auch schwierige Frage. Ich denke mal, der Sinn des Ganzen ist ja zu demonstrieren, zu zeigen, dass wir zwar ja … Wir werden ja extrem eingeschränkt im Moment – mit Verboten, Bußgeldern und allem Möglichen –, zu unserem eigenen Besten. Ich glaube doch, dass der Sinn dieser Ausnahmen in der Verordnung ist zu zeigen, nun gut, aber wir nehmen eure Grundrechte euch nicht weg. Hier gibt es doch auch eine Selbstverantwortung, insbesondere von Parteien. Ich meine, man muss doch ganz klar sehen, dass alle anderen es nicht tun. Und ja, wir hätten das Problem jetzt zweifellos nicht, wenn es verboten wäre, klar, oder wenn man eine Ausnahmegenehmigung geben müsste, dann hätten wir es auch nicht, das hätte man nicht gemacht. Sollte man da einen Schritt weitergehen? Nein, ich glaube es eigentlich nicht. Grundsätzlich ist das schon so richtig, und ich muss erwarten, dass Parteien eine Verantwortung für die Gesellschaft übernehmen. Dass das in diesem Falle jetzt nicht geschieht beziehungsweise, ich meine, unter Vorbehalt, wenn jetzt alle Vorschriften eingehalten werden, ist es immer noch bedenklich, es ist eine Riesenveranstaltung. Aber gut. Aber nein, sollte man da noch weitergehen? Nein, das würde ich eigentlich nicht sagen. Ich gehöre aber vielleicht auch zu den Leuten, die letztendlich an das Gute im Menschen glauben, an Eigenverantwortung und an Verantwortung für eine Gesellschaft – dann wäre es eigentlich nicht notwendig, aber in diesem Fall ist wohl ein bisschen anders.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.