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Bundeshaushalt 2020
"Es ist ein Haushalt der Alten"

Der neue Chef der Jungen Union, Tilman Kuban, kritisiert den Haushaltsplan 2020 des SPD-Finanzministers. "Wir brauchen einen Sozialstaat", sagte er im Dlf, aber er frage sich, ob das die wesentliche Aufgabe unserer Gesellschaft sei. Er forderte, den Schwerpunkt "auf die Bereiche Sicherheit, Ordnung und Infrastruktur" zu legen.

Tilman Kuban im Gespräch mit Mario Dobovisek |
Tilman Kuban, Bundesvorsitz der Jungen Union
Tilman Kuban ist seit März der neue Chef der Jungen Union (picture alliance/dpa - Michael Kappeler)
Mario Dobovisek: Einiges ist inzwischen bekannt und führte auch zur einen oder anderen heftigen Reaktion. Das Bundeskabinett will heute die Eckpunkte des Haushalts beschließen. Klar ist schon jetzt: Der Wehretat bleibt hinter den Erwartungen der NATO-Partner zurück. Auch die Entwicklungspolitik. Zukunftsinvestitionen fehlten, moniert etwa die deutsche Industrie.
Viel Geld gibt es stattdessen unter anderem für die Rentenpakete der Großen Koalition. Am Telefon ist Tilman Kuban. Am vergangenen Wochenende hat ihn die Junge Union zu ihrem neuen Vorsitzenden gewählt. Guten Morgen, Herr Kuban!
Tilman Kuban: Guten Morgen, Herr Dobovisek!
Dobovisek: Ist das ein Haushalt der Jungen oder der Alten?
Kuban: Aus meiner Sicht ist es immer noch ein Haushalt der Alten und wir müssen sehr, sehr genau aufpassen, dass wir jetzt, wo die fetten Jahre vorbei sind, nicht die gleichen Fehler machen, die schon in der Vergangenheit gemacht worden sind, weil in den letzten Jahren viele Rentengeschenke verteilt worden sind, und jetzt rächen sie sich in gewisser Weise.
Dobovisek: Welcher ist aus Ihrer Sicht der größte Fehler im Haushalt?
Kuban: Das ist sicherlich die Frage, ob wir wirklich so viel Etat für den Bereich Soziales ausgeben können und ausgeben müssen. Wir müssen uns die Frage stellen, wofür ist der Staat eigentlich zuständig, und wenn 40 Prozent des gesamten Haushalts in den Bereich Soziales gehen, dann frage ich mich: Wir brauchen einen Sozialstaat, ja, aber ist das die einzige und so wesentliche Aufgabe, die unsere Gesellschaft trägt.
Eine Demonstrantin mit einem Schild auf dem Steht: "Sozialstaat ade Pfui Frau Merkel" Symbolfoto,  
Nicht jeder in Deutschland will einen starken Sozialstaat, der viel Geld kostet (imago stock&people)
Dobovisek: Der SPD geht es dabei um Gerechtigkeit. Ihnen nicht?
Kuban: Ich finde Gerechtigkeit wichtig. Aber es ist auch die Frage, ob man immer nur neue Randgruppen bedient, oder ob man nicht mal wieder die Mitte der Gesellschaft bedient. Ich glaube, damit tut sich die SPD auch überhaupt keinen Gefallen. Sie versucht, sich selbst zu therapieren, anstatt mal dafür zu sorgen, dass wir wieder Politik für die Mitte der Gesellschaft machen.
Kuban forderte "Schwerpunkt auf die Bereiche Sicherheit, Ordnung und Infrastruktur" zu legen
Dobovisek: Das heißt, Sie haben vor allem ein Problem mit der Grundrente - einem Projekt der SPD, aber eben verabschiedet im Koalitionsvertrag. Was würden Sie stattdessen machen?
Kuban: Stattdessen würde ich den klaren Schwerpunkt auf die Bereiche Sicherheit, Ordnung und Infrastruktur legen. Wenn wir uns mal überlegen, was wir im Bereich der Verteidigung und im Bereich der Entwicklungshilfepolitik machen, dann sind wir dort auf jeden Fall hinter den Ansprüchen zurück.
Wir sind diejenigen in Deutschland, die immer die Leute anhalten zu sagen, ihr müsst eure Ziele einhalten, ihr müsst die Maastricht-Kriterien in Europa einhalten, ihr müsst andere Ziele einhalten. Aber selber stehen wir den Zielen seit Jahren hinterher, und das können wir uns nicht leisten, wenn wir redlich bleiben wollen in dieser Welt.
Dobovisek: Sicherheit und Ordnung, sagen Sie. Wir halten auch fest: Der Bund will deutlich weniger Geld für Flüchtlinge ausgeben. Das sei ja auch Länderaufgabe, zeichnet Finanzminister Scholz noch mal hinterher. Ist es an der Zeit, die Finger ein bisschen rauszunehmen aus der Länderaufgabe?
Kuban: Gerade wenn Sie das Thema Flüchtlinge ansprechen, dann muss man auch sagen, dass wir in den letzten Jahren das häufig zum Tabuthema gemacht haben, dass dafür auch Geld ausgegeben wird und dass die Menschen, die zu uns gekommen sind, dass uns das auch Geld kostet.
Wir haben in den letzten Jahren pro Jahr circa 20 Milliarden Euro ausgegeben für den Bereich Flüchtlinge und wir müssen uns die Frage stellen, wie wir in den nächsten Jahren damit umgehen wollen. Die Entscheidungen sind jetzt getroffen. Aber ich finde, wir müssen auch darüber sprechen, dass wir diejenigen, die hier in Deutschland kein Bleiberecht haben, dann auch zurückführen, weil das natürlich auch Kosten sind, und da müssen wir uns schon die Frage stellen, dass man nicht immer nur gleich sagen kann, das ist ein Tabuthema, das darf man nicht mit anderen vergleichen, sondern das gehört genauso in den Topf, wie wir über andere Themen reden.
Ein Polizeiwagen und eine Gruppe von Migranten auf einem Feld vor einem bayrischen Dorf.
Die Bayrische Polizei begleitet eine Gruppe von Migranten von der österreichischen Grenze. (Getty Images Europe / Johannes Simon)
Dobovisek: Es ist natürlich ein Unterschied, ob man ein Thema zum Tabuthema macht, oder gleich die Mittel um zwei Drittel kürzt.
Kuban: Absolut! Aber ich finde den Aufschrei, den die Länder machen, durch alle Parteien hinweg, absolut richtig. Man kann nicht von Bundesseite die Belastungen so deutlich erhöhen und dann immer gleich danach meinen, dass die Länder sie aber weiter schultern müssen. Das haben wir deutlich erlebt.
Es gibt aber viele, viele Länder, die in den letzten Jahren versucht haben, ihre Haushalte deutlich besser aufzustellen, und dass diejenigen natürlich jetzt sagen, so kann es nicht weitergehen, dass ihr uns quasi die Aufgaben erhöht und dann aber sagt, jetzt müsst ihr es aber selbst finanzieren, und es gibt dafür keinen Ausgleich, das ist schon ein starkes Stück.
"Ich bin dagegen, dass die Mittel gekürzt werden"
Dobovisek: Trotzdem verstehe ich, Herr Kuban, noch nicht so ganz Ihre Position. Sind Sie dafür, dass die Mittel gekürzt werden, oder sind Sie dagegen?
Kuban: Ich bin dagegen, dass die Mittel gekürzt werden, weil man den Ländern nicht immer neue Aufgaben und immer neue Belastungen geben kann und auf der anderen Seite dann sie im Regen stehen lässt. Das haben wir schon bei vielen Projekten erlebt, dass es Anschubfinanzierungen gab und anschließend wurden die Projekte dann so überführt, dass sie dann selbst getragen werden müssen.
Ich glaube, dass wir damit am Ende die Länder überfordern und ihnen dann auch schwerlich sagen können, ihr müsst aber jetzt noch die Schuldenbremse einhalten.
Dobovisek: Sie haben 2015 schon früh Angela Merkels Flüchtlingspolitik kritisiert. Heute bewundern wir nach dem Anschlag in Neuseeland die Stärke der Regierungschefin dort im Umgang auch mit den Flüchtlingen im Land. Was war falsch an dem "Wir schaffen das" der Kanzlerin?
Kuban: Ich glaube, dass durchaus die Entscheidungen, die damals getroffen worden sind, dass man in Budapest eine humanitäre Katastrophe verhindert hat, das kann in Deutschland jeder nachvollziehen. Aber ich finde es bis heute falsch, dass man von Seiten der Kanzlerin nie deutlich gemacht hat, dass auch unsere Ressourcen endlich sind.
Es ist am Ende auch viel eine Symbolfrage und ich glaube, dass die Kanzlerin gut daran getan hätte, deutlich zu machen, dass auch wir in Deutschland am Ende endliche Ressourcen haben und dass auch wir in Deutschland nicht jeden aufnehmen können, der auf der Welt auf der Flucht ist.
"Annegret Kramp-Karrenbauer hat einen guten Start hingelegt"
Dobovisek: Wird Annegret Kramp-Karrenbauer an der Spitze der CDU jetzt alles besser machen?
Kuban: Ich finde, Annegret Kramp-Karrenbauer hat einen guten Start hingelegt. Sie hat viele neue Akzente gesetzt, beispielsweise auch beim Thema Migration mit dem Werkstattgespräch, wo sie einen guten Auftakt hingelegt hat, auch mit ihren Anregungen beispielsweise zum Thema Unternehmenssteuerreform.
Dobovisek: Und jetzt kommt Ihr Aber, Herr Kuban.
Kuban: Da hat sie einen wirtschaftlich liberaleren Kurs eingeschlagen. Aber jetzt wird es darum gehen, dass sie auch Taten folgen lässt, weil es gute Aufschläge waren, gute Ankündigungen, aber es geht natürlich auch darum, was am Ende umgesetzt wird, und daran wird sie gemessen werden.
Dobovisek: Was wäre da aus Ihrer Sicht das wichtigste?
Kuban: Ich habe gerade zwei Beispiele genannt und ich finde, dass das sehr, sehr wichtige Themen sind, die auch Leute beschäftigen, aber wenn wir über das Thema Finanzen reden, dann sicherlich auch die Frage, wie wir mit dem Soli in Zukunft umgehen, wie wir generell mit dem Thema Steuern umgehen. Ich glaube, dass es viele Menschen gibt, die durchaus sagen, ihr könnt auch uns mal wieder was zurückgeben, ihr müsst nicht immer nur weitere Sozialleistungen erhöhen, sondern ihr könnt auch uns, denjenigen, die die Leistungsträger der Gesellschaft sind, die Mitte der Gesellschaft sind, denen auch mal wieder etwas mehr im Geldbeutel lassen. Da wäre beispielsweise die Abschaffung des Solis für alle der richtige Schritt.
Oder ich habe zum Beispiel neulich auch schon mal gesagt, die Grunderwerbssteuer fürs erste Eigenheim abzuschaffen, damit wir die Eigenheimquote in Deutschland erhöhen, weil auch das ist Altersvorsorge, wenn wir es hinbekommen, dass man die Grunderwerbssteuer fürs erste Eigenheim, nicht für alle Eigenheime, sondern fürs erste Eigenheim abschafft, dass die Leute, die frühzeitig sich dazu entscheiden, eine Wohnung oder ein Haus zu kaufen, dass die natürlich, wenn sie es im Alter abbezahlt haben, dann keine Miete mehr zahlen müssen. Das wäre auch ein guter Schritt für unsere Generation.
Das Bild zeigt die Bundesvorsitzende der CDU, Annegret Kramp-Karrenbauer, beim außerordentlichen Deutschlandtag der Jungen Union in Berlin.
Die neue CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer (dpa / Michael Kappeler)
Dobovisek: Das sind Inhalte, die Ihnen wichtig sind. Annegret Kramp-Karrenbauer findet immer wieder klare Worte, eckt damit aber auch an, zum Beispiel bei Schwulen und Lesben. Gefällt Ihnen der Ton der neuen CDU-Chefin, der neuen CDU?
Kuban: Ich habe am Wochenende gesagt, wer keine Reibung erzeugt, der wird nichts bewegen. Von daher wird man auch vom Tonfall her manchmal vielleicht deutlichere Worte finden. Ich finde nicht jede Aussage von Annegret Kramp-Karrenbauer richtig, aber ich finde, sie hat einen guten Start hingelegt.
Dobovisek: Zum Beispiel? Welche finden Sie falsch?
Kuban: Ich fand den Vergleich, den sie gezogen hat zwischen den Homosexuellen und der Inzucht unter den Tieren, unangemessen.
Dobovisek: Sie sind ja nun "aufgestiegen" zum Vorsitzenden der Jungen Union, der Jungen in der CDU und auch der CSU. Das heißt, Ihr Vorgänger zum Beispiel ist jetzt Generalsekretär geworden in der CDU. Wir sprechen über eine bestimmte Ebene. Sagen Sie ihr diese Kritik auch direkt ins Gesicht, bei Terminen zum Beispiel?
Kuban: Ja. Wir haben ein Kennenlerngespräch vereinbart und ich freue mich sehr darauf, und ich denke, wir werden einen sehr guten und fruchtvollen Austausch pflegen. Ich bin jemand, der immer mit offenem Visier den Leuten ins Gesicht sagt, was ich denke und was ich meine, und das werde ich auch in Zukunft tun.
Dobovisek: … sagt Tilman Kuban, der neue Vorsitzende der Jungen Union. Vielen Dank für das Interview.
Kuban: Danke, Herr Dobovisek.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.