DFL-Investorendeal
Proteste und Rufe nach Neuabstimmung: Wie geht es weiter?

Im Dezember 2023 haben sich in der 1. und 2. Fußball-Liga 24 Vereine für die Aufnahme von Verhandlungen mit Investoren ausgesprochen, exakt die benötigte Mehrheit. Doch es folgten Proteste und Rufe nach einer Neuabstimmung. Wie geht es weiter?

Von Matthias Friebe und Julian Tilders |
    Durchschnittlich 1,1 Milliarden Euro erlöst die Deutsche Fußball Liga zwischen 2021 und 2025 durch den Verkauf der TV-Rechte.
    Durchschnittlich 1,1 Milliarden Euro erlöst die Deutsche Fußball Liga zwischen 2021 und 2025 durch den Verkauf der TV-Rechte. (IMAGO / Herbert Bucco / IMAGO / Herbert Bucco)
    Für die einen ist es eine Art Dammbruch, für die anderen ein notwendiges Geschäft für die Überlebensfähigkeit der Bundesliga. Die Profi-Vereine aus 1. und 2. Bundesliga haben im Dezember 2023 den Weg frei gemacht für den Einstieg eines externen Investors, der im Gegenzug einen Teil der TV-Erlöse bekommen soll.
    Die Sache schien beschlossen, doch das Thema ist alles andere als durch. Denn mittlerweile gibt es einen Streit um das Zustandekommen der Entscheidung. Viele Fans in den Kurven protestierten, auch einige Clubs wollen nun eine neue Abstimmung. Im Zuge der Sitzung des DFL-Präsidiums am Mittwoch (21.02.2024) soll nach Informationen des Deutschlandfunks entschieden werden, eine außerordentliche Mitgliederversammlung der 36 Clubs einzuberufen.

    Inhalt

    Was hat die DFL im Dezember 2023 entschieden?

    Die Mitgliederversammlung der 36 Proficlubs aus 1. und 2. Fußball-Bundesliga stimmte in geheimer Abstimmung im Dezember 2023 dafür, dass die DFL-Geschäftsführung Gespräche mit potenziellen Investoren aufnehmen soll. Die Liga verspricht sich davon Kapital in der Höhe von rund einer Milliarde Euro. Wie die „Sportschau“ berichtete, führten die Geschäftsführer Marc Lenz und Steffen Merkel bereits früh erste Gespräche. Lenz betonte auch, das sei kein Anteilsverkauf, sondern ein Erlösmodell, das dem sehr ähnlich sei, was es im Umfeld vieler Clubs längst gebe.
    Marc Lenz und Steffen Merkel stehen nebeneinander vor einer Sponsorenwand.
    Knapp geschafft: DFL-Geschäftsführer Marc Lenz (l) und Steffen Merkel haben den erhofften Auftrag zur Aufnahme von Gesprächen mit Investoren von den Vereinen bekommen. (picture alliance / dpa / Jürgen Kessler)
    24 Ja-Stimmen brauchte es, um die Zweidrittel-Mehrheit zu erreichen und diese 24 Stimmen wurden es im Dezember am Ende exakt. Nachdem bei einem früheren Versuch im Mai 2023 noch vier Stimmen zur Mehrheit gefehlt hatten, ging ein veränderter Antrag im Dezember knapp durch.

    Wie gespalten sind die Proficlubs?

    Von fast allen der 36 Clubs aus 1. und 2. Liga wurde das Abstimmungsverhalten danach öffentlich. Neben den 24 Ja-Stimmen enthielten sich zwei Vereine (Osnabrück und Augsburg) der Stimme. Zehn votierten dagegen – und zehn Vereine machten eine "Nein"-Stimme öffentlich. Darunter auch Union Berlin. Der Club teilte mit, man habe dagegen gestimmt, weil man gerne erst noch Alternativen zu dem jetzt beschlossenen Modell gesucht und diskutiert hätte. „Zudem ist mit dem heutigen Tage nicht absehbar, ob der Finanzbedarf ausreichend ist, um die Ziele zu erreichen.“
    Der Geschäftsführer des VfL Bochum, Ilja Kaenzig, zeigte sich im Deutschlandfunk jedenfalls schon vor der Abstimmung verwundert, dass auch kleinere Teams und Clubs aus der 2. Bundesliga gegen den Vertrag seien: „Die Großen können auch ohne diese Private-Equity-Geschäfte leben. Die werden auch so Lösungen finden. Deshalb ist es für mich persönlich schwer nachvollziehbar, dass gerade viele Kleine dagegen rebellieren. Weil sachlich werden wir, glaube ich, im Verhältnis überproportional profitieren.“
    Schnell wurde aufgrund der knappen Abstimmung und Veröffentlichung der "Nein"-Stimmen zu Hannover 96 geschaut. Der Verein hatte Geschäftsführer Martin Kind die Anweisung gegeben, mit „Nein“ zu stimmen. Im Rahmen der 50+1-Regel ist der Stammverein weisungsbefugt gegenüber der ausgegliederten GmbH, bei der die Fußballprofis angestellt sind. Ob Kind der Weisung gefolgt ist, ist nicht klar. Die Abstimmung erfolgte geheim.
    Kind bekräftigte auch Mitte Februar 2024 in der ARD-Sendung "Hart aber fair", er wolle sich dazu nicht äußern. Dass andere ihr Abstimmungsverhalten öffentlich gemacht haben, bezeichnete er als unprofessionell. Zwischen dem 79-jährigen Geschäftsführer der Hannover 96 Management GmbH und dem Stammverein schwelt seit Jahren ein Konflikt, weshalb der Verdacht besteht, dass sich die Mehrheit für den Investorendeal auf ein "Ja" von Kind stützt.
    Es gibt deshalb Vereine, die nun ein erneutes Abstimmungsverfahren fordern. So kündigte zuletzt der 1. FC Köln, der gegen den Investorendeal stimmte, in einem Brief an das DFL-Präsidium einen Antrag an, "um das DFL-Präsidium vom durch die Mitgliederversammlung erteilten Abschlussmandat zu befreien". Auch St. Pauli (ebenfalls "Nein"-Stimme) und der VfL Borussia Mönchengladbach, der mit "Ja" stimmte, schlugen dieses Vorgehen vor. Und der SC Paderborn teilte jüngst mit, dass die Mitglieder auf der Mitgliederversammlung beschlossen haben, der SCP solle sich für eine Neuabstimmung über einen Investorendeal einsetzen und bei einer möglichen Neuwahl nun mit "Nein" stimmen.
    Wenn sich eine Mehrheit für den Antrag des 1. FC Köln findet, der das DFL-Präsidium vom Abschlussmandat aus dem Dezember 2023 befreit, könnte die Abstimmung über den Investoreneinstieg neu aufgesetzt oder das Geschäft auch ganz abgesagt werden. Entscheidet sich aber eine Mehrheit gegen den Entzug des Mandats, ist auch weiter ein Abschluss für die DFL möglich.
    Vereinsrechtsexperte Lars Leuschner von der Uni Osnabrück gab gegenüber der Sportschau die Einschätzung ab, dass eine einfache Mehrheit bei der Abstimmung über den Entzug des Mandats aus dem Dezember 2023 ausreiche. Das würde allerdings bedeuten, dass mehr Vereine mit "Nein" stimmen müssten als bei der letzten Abstimmung.

    Was sind die Reaktionen der Fanszene?

    Grundsätzlich gibt es Vorbehalte vieler Fans gegen Investoren im Allgemeinen, speziell entzündeten sich die teils massiven Proteste in den Stadien, die zahlreiche lange Spielunterbrechungen nach sich zogen, aber an der Intransparenz der geheimen Abstimmung und Martin Kinds Schweigen zu seiner Stimme. Dadurch steht der Verdacht auf einen Verstoß gegen die 50+1-Regeln im Raum, deren Aushöhlung die Fans und Teile der Clubs befürchten.
    In der Sache selbst sorgen sich viele Fans, dass die „Roten Linien“ der DFL-Geschäftsführung aufgeweicht werden könnten und die Bundesliga ähnlich wie die US-Profiligen im Football oder Basketball vor allem zu einem großen rendite-orientierten Entertainment-Geschäft werden könnten.
    Tennisbälle, Schokomünzen und zuletzt auch ferngesteuerte Modellautos oder -flugzeuge gehörten über mehrere Wochen nun zum Repertoire der protestierenden Fans, die auch auf Bannern ihre Ablehnung des Investoreneinstiegs zum Ausdruck brachten.
    Das Bündnis Fanszenen Deutschlands, das die Proteste maßgeblich prägt, forderte am Dienstagabend (20.02.2024) „eine offene Neuabstimmung mit einer benötigten Zweidrittelmehrheit unter Einhaltung der 50+1-Regel“. Unterstützung gibt es auch von der Club-Seite: Michael Becker, Geschäftsführer des Karlsruher SC ("Ja"-Stimme), befürwortete den Antrag des 1. FC Köln und betonte mit Blick auf eine mögliche neue Abstimmung ebenfalls, dass es dann wieder eine Zweidrittelmehrheit für einen Investoreneinstieg geben müsse, keine einfache Mehrheit.

    Wie soll das Geld investiert werden?

    Von den erhofften Einnahmen in Höhe von einer Milliarde Euro soll laut Plan ein großer Teil vor allen in eine Streaming-Plattform und die Digitalisierung der Liga gesteckt werden. Rund 600 Millionen Euro sind dafür vorgesehen. Davon soll auch eine bessere Vermarktung im Ausland möglich werden. Aktuell erlöst die Bundesliga im internationalen Vergleich, vor allem mit der englischen Premier League, nur geringe Summen.
    Außerdem soll mit dem Erlös aus dem Investoren-Deal auch eine verstärkte Reise-Tätigkeit der Bundesliga-Vereine ins Ausland gefördert werden. Dabei sollen die Clubs beispielsweise in den großen Märkten wie China, Indien oder USA Werbung für die Liga machen.

    Welche Rechte tritt die Liga dafür ab?

    Bis zu acht Prozent der Medienrechts-Erlöse tritt die DFL für die kommenden 20 Jahre an den neuen Investor ab. Nach aktuellem Stand der Dinge wäre das erst einmal ein Verlustgeschäft. Sollte die Liga weiter Einnahmen aus Fernsehrechts-Verträgen wie aktuell bekommen, dann würde der Investor rund 100 Millionen Euro pro Jahr davon bekommen. Auf zwanzig Jahre hin gerechnet wären das 2 Milliarden Euro, also das Doppelte dessen, was die Liga jetzt erlösen möchte.
    Die Deutsche Fußball-Liga versteht den Investoren-Deal aber auch als Anschubfinanzierung für Projekte, die – so die Hoffnung der Liga – zu höheren Fernseheinnahmen führen soll und das Standing der Bundesliga verbessern soll.

    Welche Investoren sind noch im Rennen?

    Laut DFL wird der weitere Prozess nun mit CVC fortgeführt. Das Unternehmen aus Luxemburg ist damit vorerst der einzige Bieter, der noch dabei ist. CVC ist bereits in der französischen Ligue 1 investiert.
    Denn Blackstone, eine Investmentgesellschaft aus den USA, kommt nach Angaben der DFL aus dem Februar nicht mehr als möglicher Investor infrage. Zuvor hatten die Nachrichtenagenturen Bloomberg und Reuters darüber berichtet, dass Blackstone aussteigen will. Grund seien demnach die Fan-Proteste und das Zaudern einiger Vereinsfunktionäre, wodurch sich das Verfahren weiter in die Länge ziehe. Die DFL sprach auf Anfrage dagegen hohe Anforderungen an, die man den potenziellen Partnern gestellt habe.

    Gelingt es so, die Lücke zur finanzstarken Premier League zu schließen?

    Um der finanzstarken Premier League finanziell nahe zu kommen, reicht ein solcher Deal in der Höhe von einer Milliarde Euro nicht aus. Jan-Christian Dreesen, der Vorstandschef von Rekordmeister Bayern München betonte deshalb auch noch einmal: „Das hat mit der Premier League erst mal gar nichts zu tun. Das wäre auch vermessen zu glauben.“
    Die englische Liga hat jüngst erst einen neuen Fernsehvertrag abgeschlossen, der für die kommenden vier Jahre umgerechnet acht Milliarden Euro Einnahmen garantiert. Im kommenden Jahr beginnt auch die Ausschreibung der neuen Bundesliga-Rechte. Im laufenden Vertrag erlöst die Deutsche Fußball-Liga rund eine Milliarde pro Saison, also gerade einmal die Hälfte. Ob das mit dem neuen Vertrag steigen kann, ist fraglich. Die Lücke zur Premier League kann dadurch also bestenfalls nur langsamer wachsen.
    Der Investoren-Deal könnte aber im internationalen Wettbewerb die Position der Bundesliga verbessern. Das betonte auch Ilja Kaenzig, der Geschäftsführer des VfL Bochum, im Deutschlandfunk: „Man muss daran arbeiten, dass die deutschen Klubs Mehr-Einnahmen generieren können, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Weil gleichzeitig Frankreich, Italien, Spanien sehr aktiv sind und mit Investoren zusammenarbeiten, um von deren Know-how auch zu profitieren.“