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Bundespräsident
Gutachten über Gaucks Befugnisse

Der Bundespräsident soll Deutschland in der Welt repräsentieren, aber mit welchen außenpolitischen Kompetenzen? Muss die Bundesregierung wichtige Reden gegenzeichnen? Offenbar gibt es im Bundestag Klärungsbedarf in diesen Punkten. Der Wissenschaftliche Dienst hat ein Gutachten verfasst.

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    Bundespräsident Joachim Gauck verlässt auf dem Flughafen von Budapest in Ungarn das Regierungsflugzeug. (picture alliance / dpa)
    Im Bundestag kursiert nach einem Bericht der "Bild"-Zeitung ein Gutachten, das Grenzen für die außenpolitischen Kompetenzen des Bundespräsidenten untersucht. Demnach ist das Staatsoberhaupt verpflichtet, jede Form von "Nebenaußenpolitik" zu vermeiden. Was konkret damit gemeint ist, wurde nicht bekannt. Der Bundespräsident sei außerdem "in seinen Äußerungen nicht gänzlich frei". Er dürfe keinen "ständigen außenpolitischen Gegenkurs fahren", unterschiedliche Schwerpunkte seien aber "im Einzelfall zulässig".
    Joachim Gauck hat als amtierender Bundespräsident sich zwar nicht ständig, aber doch häufig in der Außenpolitik zu Wort gemeldet. Das Wort, das ist die große Macht des Bundespräsidenten. So manchem Politiker - aller Couleur - ging Gauck in der Vergangenheit zu weit: Bei einem Türkei-Besuch hatte er den damaligen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan kritisiert. Scharf war auch die Kritik an Russland mit Blick auf den Ukraine-Konflikt. "Die Geschichte lehrt uns, dass territoriale Zugeständnisse den Appetit von Aggressoren oft nur vergrößern. Die Geschichte lehrt uns auch, dass aus unkontrollierter Aggression eine Dynamik entstehen kann, die sich irgendwann der Steuerung entzieht." Im Deutschlandfunk hatte sich der Bundespräsident für eine aktivere Rolle Deutschlands in der Welt ausgesprochen. Die Bundesrepublik solle ihre früher gut begründete Zurückhaltung ablegen, sagte Gauck. Im Kampf um die Menschenrechte sei es erforderlich, auch zu den Waffen zu greifen.
    Bundespräsident Joachim Gauck mit dem türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan
    Bundespräsident Joachim Gauck mit dem damaligen türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan (dpa / picture-alliance / Jesco Denzel)
    Gegenzeichnungspflicht
    Der Bericht des Wissenschaftlichen Dienstes befasst sich auch mit einer möglichen "Gegenzeichnungspflicht" von Reden des Staatsoberhaupts durch die Bundesregierung. Dies werde im verfassungsrechtlichen Schrifttum überwiegend abgelehnt. Im Einzelfall gebe es jedoch die Pflicht zu einer engen Abstimmung mit der Bundesregierung.
    Die Bundestagsverwaltung bestätigte die Existenz eines entsprechenden Gutachtens. Welcher Abgeordnete die Untersuchung, die auf den 9. Oktober datiert ist, in Auftrag gegeben hat, wurde nicht mitgeteilt. Das Bundespräsidialamt wollte keine Stellungnahme abgeben.
    "Geradezu absurd"
    Stellung bezog der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Michael Grosse-Brömer. Er betonte, der Wissenschaftliche Dienst sollte sich aus der Bewertung der Amtsführung des Bundespräsidenten heraushalten. "Es ist ja geradezu absurd, wenn Juristen dieses Dienstes dem Präsidenten vorschreiben wollten, wozu er sich äußern kann und wozu nicht." Der Bundespräsident sei verfassungsrechtlich zur Abgabe politischer Erklärungen in auswärtigen Angelegenheiten berechtigt.
    Michael Grosse-Brömer, Geschäftsführer der Unionsfraktion
    Michael Grosse-Brömer, parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion (picture alliance / dpa / Soeren Stache)
    Die außenpolitischen Kompetenzen des Bundespräsidenten sind in Artikel 59 des Grundgesetzes ungenau geregelt. Dort heißt es unter anderem: "Der Bundespräsident vertritt den Bund völkerrechtlich. Er schließt im Namen des Bundes die Verträge mit Auswärtigen Staaten."
    Gaucks Innenpolitik
    Nicht außenpolitische, sondern innenpolitische Äußerungen Gaucks rufen besonders viel Kritik hervor - zuletzt seine kritischen Fragen zur möglichen Wahl eines Ministerpräsidenten der Linkspartei in Thüringen. Gauck fragte sich mit Blick auf die DDR-Vergangenheit, ob die Linke von den Vorstellungen der SED "tatsächlich schon so weit weg" sei, dass ihr vertraut werden könne. Spiegel Online sah dadurch eine Grenze überschritten.
    Dabei hatte das Bundesverfassungsgericht die Grenzen eines Bundespräsidenten klar definiert - durch Gaucks Wertung der rechtsextremen NPD als "Spinner". Laut diesem Urteil darf der Amtsinhaber "grundsätzlich selbst bestimmen", wie er seine Repräsentations- und Integrationsaufgabe mit Leben füllt; eigentlich war das schon zuvor eine verfassungsrechtliche Selbstverständlichkeit.
    (sdö/stfr)