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Bundesregierung
Bauernverband kritisiert geplante Insektenschutzmaßnahmen harsch

Das geplante Aktionsprogramm zum Insektenschutz hat zu einem heftigen Streit zwischen dem Bauernverband und dem Bundeslandwirtschaftsministerium geführt. Denn dem Bauernverband gehen die Regierungspläne viel zu weit. Das Ministerium wehrt sich und bekommt Rückendeckung von ungewohnter Seite.

Von Daniela Siebert | 25.09.2019
Joachim Rukwied, Bauernpräsident, lächelt in die Kamera
Der Bauernverband hat eine achtseitige Kritik an den geplanten Insektenschutzmaßnahmen publiziert (picture alliance/Jörg Carstensen/dpa)
Die Kritik des Bauernverbandes hat im Bundeslandwirtschaftsministerium für Verärgerung gesorgt. Das machen Kostproben aus dem Brief deutlich, den der Staatssekretär Hermann Onko Aiekens am Montag an den Präsidenten des Deutschen Bauernverbandes geschickt hat.
"Sie haben diese Hochrechnung aus der Behauptung hergeleitet, nach dem Pflanzenschutz auf drei Millionen Hektar Fläche verboten werden würde und diese Flächen dadurch einen Wertverlust von 10.000 Euro pro Hektar erleiden würden. Diese Zahlen sind nahezu grotesk übertrieben."
"Ihre Berechnung entbehrt jeglicher Grundlage"
Es folgen Erklärungen, dass die geplanten Maßnahmen längst nicht so dramatisch seien, wie vom Bauernverband behauptet. Deutlich weniger Flächen und nicht alle Pflanzenschutzmittel seien betroffen, zudem würden Ausnahmen vorgesehen. Staatssekretär Aiekens verweist auf Beschränkungen, die in bestimmten Schutzgebieten schon heute gelten. Die Tonlage bleibt angefasst:
"Wie Sie wissen, sind die Details zur Änderung der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung noch zu klären. Dazu werden auch die Verbände angehört werden.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass Ihre Berechnung sowohl hinsichtlich des Flächenumfangs als auch der postulierten Wertminderung jeglicher Grundlage entbehrt."
Insektenschutz und die Folgen für das Einkommen
Was ist passiert? Normalerweise gelten das Bundeslandwirtschaftsministerium und der Bauernverband nicht als Kontrahenten. Doch der Bauernverband hatte vor wenigen Tagen eine achtseitige Kritik an den geplanten Insektenschutzmaßnahmen publiziert und Verbandspräsident Joachim Rukwied servierte die eingangs zitierten Zahlen bei einer Festrede im eigenen Haus, vor geldadenem Fachpublikum. Auch das Ministerium war anwesend. Mit vielen Vertretern, bis hoch zu Julia Klöckner. Unter der Überschrift "Folgenabschätzung" monieren die Bauernvertreter, die Regierungspläne seien für die Landwirtschaft nicht praktikabel und wirtschaftlich nicht tragfähig. Zudem wollen sie nicht als einzige für den Insektenschutz in die Pflicht genommen werden. Generalsekretär Bernhard Krüsken:
"Wir sind für 50 Prozent der Fläche dieser Republik verantwortlich und bewirtschaften die. Und natürlich stehen wir auch ohne Frage zu unserem Teil der Verantwortung. Aber wir müssen auch das Thema öffentliche Flächen, Lichtverschmutzung, Verkehr, Flächenfraß und Zersiedelung adressieren, das ist wichtig."
Die Botschaft: Jetzt wolle die Regierung nur die Bauern verpflichten, ins Boot gehörten aber auch die Kommunen, die Bürger und andere Wirtschaftszweige.
So manche Vorgabe ist schlicht übertrieben
Die Bauernvertreter listen viele landwirtschaftliche Projekte auf, die bereits freiwillig Artenschutzmaßnahmen erproben und erforschen. Auf jedem vierten Hektar werde bereits vertraglich vereinbarter Naturschutz betrieben in Kooperation mit Umweltorganisationen und Behörden so Krüsken.
Ein besonderes Ärgernis sind der Bauerlobby daher ordnungsrechtliche Vorgaben, denn diese Kooperationsprojekte dürften dann nicht mehr gefördert werden. Vor allem in Schutzgebieten, auf Streuobstwiesen, im Grünland und am Rand von Gewässern werde das zum Problem. Das Aktionsprogramm Insektenschutz sehe beispielsweise vor, an bewachsenen Ufern fünf Meter Abstand zum Wasser einzuhalten. Zehn Meter ohne Bewuchs. Das sei "überzogen", "fachlich nicht geboten", er sehe "keinen Bedarf" wettert der Bauernverband. Bernhard Krüsken:
"Es gibt jetzt schon im Pflanzenschutzrecht Abstandsauflagen, auch für Gewässer. Das ist Wirkstoff für Wirkstoff geregelt, diese Möglichkeit gibt es, und dieses Instrumentarium ist wesentlich präziser als eine pauschale Regelung 'jetzt machen wir mal alle Gewässerrandtreifen ackerbau-untauglich.' "
Naturschützer reagieren verwundert
Beim Deutschen Naturschutzring beobachtet man derweil den Zwist zwischen Ministerium – abgekürzt BMEL - und Bauernverband mit Verwunderung und Sorge. Ilka Dege:
"Die Antwort des BMEL zeigt eigentlich sehr deutlich, was in der Kommunikation zwischen den einstigen Verbündeten gerade schief läuft, wir als Umweltverbände kommen selten in die Situation, dem BMEL zur Seite springen zu müssen oder zu können, aber in diesem Fall möchten wir das auch wirklich tun, weil es nicht nachvollziehbar ist, in welcher Art und Weise der Bauernverband hier agiert."
Auch sie hält die vom Bauernverband postulierten Zahlen und Einschränkungen für stark übertrieben. Ilka Dege bestätigt, dass es gute Naturschutzprojekte in Kooperation mit Landwirten gebe. Trotzdem hofft sie auf verbindliche Vorgaben von der Politik.
Dege und ihre Mitstreiter beim Deutschen Naturschutzring hoffen daher, dass die Regierung an ihren Plänen festhält, auch wenn sie sich eigentlich mehr gewünscht hätten. Aber dieses Aktionsprogramm sei ein erster wichtiger Schritt zur überfälligen Trendwende im Insektenschutz.