Dienstag, 16. April 2024

Archiv

Bundestagskommission zu Atommüllendlager
Die Kriterien klar, die Entscheidung offen

Der Atom-Ausstieg ist zwar beschlossen, die Frage, wohin der radioaktive Müll soll, ist aber nach wie vor ungeklärt. Jetzt hat die Endlagerkommission des Bundestags zumindest die Kriterien festgelegt, die ein solcher Standort erfüllen muss, damit er sicher ist. Nicht alle sind begeistert.

Von Nadine Lindner | 28.06.2016
    Gelbe Fässer mit radioaktivem Abfall stehen am 6. Mai 2015 neben einem Weg im Zwischenlager der Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe (WAK) in Eggenstein-Leopoldshafen (Baden-Württemberg).
    Fässer mit radioaktivem Abfall stehen am 6. Mai 2015 im Zwischenlager Karlsruhe. (dpa / picture-alliance / Wolfram Kastl)
    Bis zum Schluss wurde heftig diskutiert. Doch am Ende konnte sich die Endlagerkommission des Bundestages in einer Mammut-Sitzung in der Nacht zu heute doch noch auf einen gemeinsamen Abschlussbericht einigen.
    Über 600 Seiten fasst das Abschlussdokument, das am 5. Juli Bundestagspräsident Norbert Lammert übergeben wird. Zu den wichtigsten Ergebnissen gehört, dass drei Gesteinsarten als prinzipiell geeignet betrachtet werden: nämlich Ton, Granit und Salzformationen. Damit ist völlig offen, in welchem Bundesland ein solches Endlager entstehen könnte. Es gilt das Prinzip der weißen Landkarte: jeder Standort werde auf Eignung überprüft.
    Und damit ist auch Gorleben weiter im Rennen. Der Salzstock in Niedersachsen wird seit Ende der Siebzigerjahre erkundet, derzeit ist die Forschung ausgesetzt. Bis zum Schluss blieb Gorleben einer der größten Zankäpfel der Endlagerkommission. Der Umweltverband BUND wollte Standort von vornherein aus dem Suchprozess ausklammern. Klaus Brunsmeier vom BUND: "Wir haben keine weiße Landkarte, wir haben den Fleck Gorleben. Der Fleck Gorleben zieht sich auch durch die gesamte Diskussion der Kommission hier. Das war eine Forderung von uns für ein geeignetes zukünftiges Verfahren, Gorleben rauszunehmen. Gorleben ist politisch verbrannt und geologisch ungeeignet. Das ist unsere klare Aussage dazu."
    Der BUND lehnte den Endlager-Bericht deshalb ab und kündigte ein Sondervotum an. Andere Anti-Atom-Initiativen waren wegen Gorleben gar nicht erst in die Kommission gegangen. Aber den Grünen war das vorbehaltlose Suchprinzip der "weißen Landkarte wichtiger, wie der Robert Habeck, Umweltminister aus Schleswig-Holstein erklärt: "Viele Leute, ich selbst auch, finden, dass Gorleben der falsche Standort ist, aber die Spielregel der Kommission war, nicht über Standorte zu reden."
    In diesem Zusammenhang ist eine weitere Einigung aus der Nacht interessant, die die Temperaturentwicklung betrifft: In einem möglichen Endlager darf das Gestein bis 100 Grad Celsius keine negativen Veränderungen zeigen. Das ist für die Forschung wichtig, erweitert die Liste der möglichen Standorte, weil damit auch Ton und Granit im Rennen bleiben.
    In einer ersten Reaktion begrüßten die grünen Umweltminister die Einigung in der Endlagerkommission. Der Weg sei frei für einen Neubeginn bei der Suche, sagte der Niedersachsens Ressort-Chef Stefan Wenzel.
    Auch Vertreter der Wirtschaft begrüßten die Einigung und hoffen auf eine zügige Umsetzung, wie Bernhard Fischer von E.ON: "Wir haben mit dem Ergebnis eine Basis geschaffen, der Politik zu helfen, einen Weg zu finden für den Neustart. Und ich glaube, das ist insgesamt gut zu bewerten."
    Die Kommission sprach sich außerdem für ein generelles Exportverbot von hoch radioaktiven Abfällen aus. Zudem wurde Bürgern, Gemeinden und Umweltverbänden in verschiedenen Phasen der Standortauswahl die Möglichkeit zur Klage eingeräumt. Das könne zwar die Suche verlängern, sorge aber für Rechtssicherheit und schaffe Vertrauen, so das Argument. Selbst wenn die Debatten teilweise heftig waren, herrschte doch ein konstruktives Klima in der Kommission, bilanziert Ko-Vorsitzende Ursula Heinen-Esser: "Es war eine interessante spannende Erfahrung, weil viele Vertreter der Zivilgesellschaft, der Wirtschaft, Politiker hier zusammengetroffen sind."
    Aufgabe der 32-köpfigen Kommission war es, Kriterien für die Suche nach einem Endlager für hoch radioaktiven Atommüll, also abgebrannte Brennelemente aus Kernkraftwerken, in Deutschland zu finden. Dabei ging es unter anderem um die Fragen, welches Gestein geeignet ist, wie heiß der Atommüll werden darf und wie die Bürger in den Suchprozess eingebunden werden können.
    Insgesamt zwei Jahre hat die Kommission getagt.
    Der Abschlussbericht, der in der Nacht mit großer Mehrheit angenommen wurde, wird kurz vor der Sommerpause, am 5. Juli, dem Parlament übergeben. Auch darüber hinaus können Bürger den Bericht im Internet kommentieren und bewerten. Auf der Grundlage der Empfehlungen der Kommission sollen Bundestag und Bundesrat die Leitlinien gesetzlich festlegen. Erst danach kann die wissenschaftliche Untersuchung möglicher Standorte für ein Endlager beginnen.
    Nach dem Willen von Bundesumweltministerin Barbara Hendricks soll das Endlager im Jahr 2050 in Betrieb genommen werden. Der Atommüll soll dann für eine Million Jahre sicher eingelagert werden können.