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Bundestagswahl 2021
Wissler (Linke): "Wir wollen einen Wechsel in der Außenpolitik"

Spitzenkandidatin Janine Wissler hält eine Regierungsbeteiligung der Linken mit Grünen und SPD auf Bundesebene für denkbar. Die Linke beteilige sich aber nicht an einer Bundesregierung, die Auslandseinsätze der Bundeswehr beschließe, sagte sie im Dlf. Es benötige eine neue Sicherheitsarchitektur weltweit.

Janine Wissler im Gespräch mit Philipp May | 11.05.2021
Co-Parteichefin Janine Wissler ist die Spitzenkandidatin der Partei - Die Linke - fuer die Bundestagswahl 2021. Hier schaut sie für ein Foto in die Kamera.
Linken-Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl Janine Wissler (imago / Thomas Imo)
Viereinhalb Monate vor der Bundestagswahl scheint vieles möglich. Sogar ein linkes Bündnis ist nicht mehr ausgeschlossen. Die Spitzenkandidatin der Linken, Janine Wissler, sagte im Deutschlandfunk, wenn es nach der Bundestagswahl eine rechnerische Mehrheit gebe, seien alle drei Parteien in der Verantwortung auszuloten, ob man daraus auch eine politische Mehrheit machen könne.
Für eine mögliche Regierungsbildung hat Wissler auch ihre inhaltlichen Linien genannt. "Die Linke wird sich an keiner Regierung beteiligen, die Sozialabbau betreibt, die Privatisierung vorantreibt, die Kampfeinsätze der Bundeswehr im Ausland unterstützt."
Sie sei befremdet über Robert Habecks Aufforderung an Die Linke, sich zur NATO zu bekennen. "Die Grünen haben sich als Friedenspartei gegründet", sagte Wissler. Sie freue sich, wenn Habeck offen sei für ein Mitte-Links-Bündnis, dennoch ginge es nun darum, über Inhalte zu reden und nicht über Bekenntnisse.
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Den Linken ginge es um einen Wechsel in der Außenpolitik. Die Militäreinsätze hätten die Welt nicht friedlicher gemacht. "Wenn Deutschland für eine friedlichere Welt sorgen will, dann sollte man aufhören, Waffen in die Welt zu exportieren." Die Linke trete für eine Auflösung der NATO ein und für einen neue weltweite Sicherheitsarchitektur.
Zum aktuellen Umfragetief der Linken sagte sie: "Natürlich müssen wir uns die Frage stellen, warum uns Menschen mal gewählt haben, die uns heute nicht mehr wählen". Deshalb wolle Die Linke stärker dahin gehen, wo die Menschen sind. "Wir brauchen eine bessere Verankerung, auch überhaupt gesellschaftlich mehr Mitglieder."

Das Interview im Wortlaut

Philipp May: Wollen Sie mitregieren nach der Bundestagswahl?
Janine Wissler: Das kommt ja immer auf die Inhalte an. Natürlich wollen wir Dinge verändern. Wir sind ja als Partei angetreten, um die Gesellschaft sozial gerechter zu machen, um für effektiven Klimaschutz zu sorgen, um eine friedliche Außenpolitik zu erreichen, und selbstverständlich wollen wir das auch in der Regierung machen, wenn die Inhalte stimmen und wenn man sich auf gute Projekte verständigen kann.
May: Aber jetzt ist die SPD nach links gewandert, die Grünen zumindest vom Wahlprogramm her auch. Wenn ich Linker wäre, würde ich mich schon fragen, wieviel Sinn würde es jetzt noch machen, wenn eine Mehrheit möglich wäre, von der Oppositionsbank aus zu kritisieren, wenn das rechnerisch möglich wäre.
Wissler: Ja, wir freuen uns, wenn die SPD in ihr Wahlprogramm richtige Sachen schreibt. Nur die SPD ist in den letzten Jahren ja immer an der Bundesregierung beteiligt gewesen und deswegen reicht es nicht, gute Dinge ins Programm zu schreiben. Man muss sie auch umsetzen. Und es war ja gerade ein Kanzlerkandidat der SPD und Bundesfinanzminister, der in den letzten Jahren immer mit Verweis auf die schwarze Null und die Schuldenbremse notwendige Investitionen verhindert hat, sei es in Soziales, in Gesundheit, in Klimaschutz. Deswegen: Wir freuen uns, wenn wir programmatische Übereinstimmungen haben, aber jetzt kämpfen wir weiter dafür, Die Linke so stark wie möglich zu machen. Und wenn es nach der Wahl eine rechnerische Mehrheit gibt, dann sind alle drei Parteien in der Verantwortung auszuloten, ob man aus diesen rechnerischen Mehrheiten auch politische Mehrheiten machen kann und 16 Jahre CDU-geführte Bundesregierung beenden kann.

"Wir wollen Gesellschaft verändern, dafür wollen wir auch regieren"

May: Wo setzen Sie denn rote Linien?
Wissler: Ich würde eigentlich erst mal gerne nach der Wahl darüber reden, was gemeinsam möglich ist und wo die Übereinstimmungen sind. Was wir aber als Linke deutlich gemacht haben auch in unserem Grundsatzprogramm ist, dass Die Linke sich an keiner Regierung beteiligen wird, die Sozialabbau betreibt, die Privatisierung vorantreibt, die Kampfeinsätze der Bundeswehr im Ausland unterstützt, die Demokratie abbaut. Das sind für uns so was wie rote Linien, wo wir sagen, das sind wir nicht bereit zu machen, weil wir wollen Gesellschaft verändern, aber dafür wollen wir auch regieren. Aber wir wollen natürlich nicht nach der Wahl das Gegenteil von dem tun, was wir vorher gesagt haben. Da geht es auch um Glaubwürdigkeit. Deswegen kämpfen wir jetzt im Wahlkampf für eine starke Linke und alles andere muss man nach der Wahl sehen.
Die Linke und die Regierungsbeteiligung
Die Themen NATO-Mitgliedschaft sowie Auslandseinsätze der Bundeswehr seien weltanschauliche Grundelemente der Linken, auf die sie nur schwer verzichten könne, sagte der Politologe Torsten Oppelland im Dlf.
May: Vieles von dem, was Sie gesagt haben, lässt sich sicherlich machen mit Rot, der SPD, und den Grünen. Ein Reizwort haben Sie aber genannt: Kampfeinsätze der Bundeswehr im Ausland. Die anderen Parteien setzen ja durchaus rote Linien. Robert Habeck sagt, Voraussetzung für Grün-Rot-Rot ist ein Bekenntnis der Linkspartei zur NATO. Bekennen Sie sich?
Wissler: Ich bin der Meinung, wir sollten jetzt nicht voneinander gegenseitig Bekenntnisse verlangen, sondern wir sollten über konkrete Politik reden. Die Linke sagt ganz deutlich, wir wollen die Aufrüstung stoppen. Der Verteidigungshaushalt ist seit 2014 um 35 Prozent gestiegen, immer auch mit Verweis auf das Zwei-Prozent-Ziel der NATO, das ja eine noch krassere Aufrüstung vorsieht. Wir sind der Meinung, wir müssen eine friedliche Außenpolitik machen. Wir müssen die Entwicklungszusammenarbeit stärken. Wir brauchen eine gerechte Weltwirtschaftsordnung. Und wenn Deutschland für mehr Frieden in der Welt sorgen will, dann sollte man aufhören, Waffen in alle Welt zu exportieren, weil das findet ja gerade statt.

NATO auflösen und durch ein kollektives Sicherheitsbündnis ersetzen

May: Aber jetzt haben Sie meine Frage nicht beantwortet. Das fordern Sie ja in Ihrem Wahlprogramm. Die Linkspartei will Deutschland rausführen aus der NATO. Ist das nicht verhandelbar für Sie?
Wissler: Im Programm steht nicht, dass Die Linke Deutschland aus der NATO rausführen will, sondern dass wir die NATO auflösen wollen und ersetzen wollen durch ein kollektives Sicherheitsbündnis. Das ist auch nichts, was Die Linke erfunden hat, sondern diese Debatten gab es ja auch gerade am Beginn der 90er-Jahre, ob es nicht notwendig ist, ein neues Sicherheitsbündnis zu haben. Und ich habe die Frage ja insofern beantwortet, dass ich finde, dass es jetzt nicht um Bekenntnisse geht, die man gegenseitig voneinander verlangt. Natürlich werden wir uns jetzt nicht zur NATO bekennen, zum Kapitalismus oder zu sonstigem, sondern wir wollen über konkrete Politik reden, und ich bin schon ein bisschen befremdet darüber, dass ein grüner Vorsitzender – die Grünen haben sich als Friedenspartei gegründet – jetzt ausgerechnet die NATO da zu einer Bedingung macht. Ich freue mich, wenn Robert Habeck offen ist für ein Mitte-Links-Bündnis, aber dann sollten wir wirklich über Inhalte reden und jetzt nicht über Bekenntnisse, was auch immer das dann heißen soll. Unsere Kritik an der NATO, finde ich, ist stichhaltig und wir haben hier gute Argumente. Wir haben jetzt gelesen, dass die Grünen auch das Zwei-Prozent-Ziel der NATO ablehnen. Von daher können wir gerne über Abrüstung reden.
19.06.2020, Berlin: Dietmar Bartsch, Fraktionsvorsitzender der Partei Die Linke, spricht während der 167. Sitzung des deutschen Bundestages bei einer aktuellen Stunde zum Thema Lobbyismus. Foto: Christoph Soeder/dpa | Verwendung weltweit
"Wir befreien die Sozialdemokraten aus der Gefangenschaft der Union"
Linken-Politiker Dietmar Bartsch hält es für "abstrus", dass SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz die Regierungsfähigkeit der Linkspartei infrage stelle.
May: Das Zwei-Prozent-Ziel und Aufrüstung ablehnen ist ja das eine. Die andere Frage ist, ob man die NATO auflöst, so wie Sie es im Wahlprogramm schreiben. Aufrüsten und Aufstocken ist noch mal ein Unterschied zu Auflösen.
Wissler: Ja, natürlich!

Andere Weichenstellung in der Außenpolitik

May: Deswegen ist die Frage: Wollen Sie einfach nur weg vom zwei-Prozent-Ziel? Wäre das etwas, wo Sie mit den anderen Parteien reden könnten? Oder sagen Sie wirklich ganz klar, für uns gibt es nur eine Koalition ohne NATO?
Wissler: Ich sage jetzt erst mal gar nicht, für uns gibt es nur eine Koalition, wenn, sondern Die Linke geht in den Wahlkampf mit unseren Positionen und die habe ich ja eben beschrieben. Wir wollen nicht Deutschland raus aus der NATO; wir wollen die NATO auflösen, weil wir der Meinung sind, dass die NATO-Staaten in den letzten Jahren nicht zu Frieden in der Welt beigetragen haben, und die NATO auch nicht. Schauen Sie: Das ist ein Wertebündnis unter Einschluss der Türkei. Wir haben eine große Kritik daran, was Erdogan in der Türkei macht, wenn wir uns anschauen, wie die Situation mit den Kurdinnen und Kurden ist, mit der innerparteilichen Opposition. Wir kritisieren die Bundesregierung, dass sie gerade immer Rücksicht nimmt auf den NATO-Partner Türkei und da keine deutlichen Worte findet, und wir sind der Meinung, wir brauchen eine neue Sicherheitsarchitektur weltweit. Das ist unsere Position. Und ja, wir wollen die Aufrüstung stoppen, aber wir wollen eine andere Weichenstellung in der Außenpolitik. Dazu gehört der Stopp von Waffenexporten und dazu gehört das Setzen auf zivile Lösungen und nicht auf militärische.
May: Wie ist es mit Auslandseinsätzen der Bundeswehr? Haben Sie schon genannt. Ist das ein absolutes No Go, oder wären unter bestimmten Bedingungen durchaus Auslandseinsätze auch mit einer rot-rot-grünen Bundesregierung möglich?
Wissler: Ich habe ja gesagt, was dazu bei uns im Grundsatzprogramm steht, dass Die Linke Kampfeinsätze der Bundeswehr beenden will und sich nicht an einer Bundesregierung beteiligt, die diese beschließt. Das habe ich ja deutlich gesagt.
May: Was ist mit Aufklärungsmissionen beispielsweise, die dem Kampf gegen den IS dienen, in Syrien oder im Irak?
Wissler: Schauen Sie, wir sind hier jetzt nicht in Koalitionsgesprächen, sondern wir sind jetzt an einem Punkt, wo wir unsere Positionen deutlich machen. Ich habe ja gesagt, wir wollen einen grundsätzlichen Wechsel in der Außenpolitik. Wenn wir uns die Situation beispielsweise im Irak anschauen, dann ist das Ergebnis, was wir dort haben, und die Situation dort ja auch die Folge von einer jahrzehntelangen Kriegspolitik des Westens, von jahrzehntelangem Eingreifen des Westens. Das Problem ist doch, dass all diese Bundeswehreinsätze oder generell Militäreinsätze die Welt nicht friedlicher machen, sondern wir werden doch die Probleme nicht mit den gleichen Mitteln lösen, wie sie überhaupt erst entstanden sind. Deswegen brauchen wir eine friedliche Außenpolitik. Wir brauchen eine gerechte Weltwirtschaftsordnung. Wir müssen Fluchtursachen beseitigen und wir müssen Menschen eine wirtschaftliche Perspektive auch geben. Viele Konflikte werden angeheizt. Viele verdienen gut daran, dass es Kriege gibt, und da wollen wir einen grundsätzlichen Wechsel. Deswegen haben wir gestern auch so deutlich noch mal gesagt, wir wollen nicht nur einzelne Stellschrauben drehen, sondern wir wollen einen Richtungswechsel in der Politik haben. Das Geld, was ausgegeben wird für Aufrüstung, das wollen wir nutzen, zum einen natürlich für Soziales und für Klimaschutz, aber wir wollen es vor allem auch nutzen, indem wir die Entwicklungszusammenarbeit stärken, indem wir auf zivile Konfliktlösungen setzen und nicht Waffen in alle Welt liefern und dann noch bei Bedarf die Bundeswehr hinterherschicken.
Wissler: "Corona-Infektionen enden nicht am Betriebstor"
Man müsse bei der Pandemie-Bekämpfung endlich auch die Arbeitswelt einbeziehen, fordert Janine Wissler, Co-Vorsitzende der Linken, im Dlf. Eine Möglichkeit sei dabei die Verpflichtung zum Homeoffice.
May: Frau Wissler, wo Sie Richtungswechsel ansprechen. Von Ihren politischen Gegnern wird immer wieder Ihre Vergangenheit im kommunistischen Netzwerk Marx21 hervorgehoben und kritisiert – ein Netzwerk, das vom Verfassungsschutz beobachtet wird, von dem Sie sich nicht distanzieren wollen. Man kann immer noch Reden finden von Ihnen, in denen Sie zur Revolution aufgerufen haben, nach dem Vorbild des Arabischen Frühlings beispielsweise. Drunter machen Sie es nicht, unter Revolution?
Wissler: Die Rede, die Sie meinen, da ging es in der Tat um den Arabischen Frühling, ja, und da bin ich sehr froh, dass es in diesen Ländern revolutionäre Zustände gegeben hat, weil wir dort Diktatoren an der Macht hatten und Menschen dagegen aufgestanden sind. Die Frage ist doch, was bedeutet Revolution, und Revolution bedeutet erst mal eine grundlegende und nachhaltige Veränderung. Und wenn Sie mich so fragen: Ja, ich bin der Meinung, wenn wir das 1,5-Grad-Ziel erreichen wollen und beim Klimaschutz endlich vorankommen wollen, dann müssen wir unsere Wirtschaftsweise sehr radikal ändern. Sonst bekommen wir Generationen, die auf diesem Planeten nicht mehr leben können. Und ja, ich finde, wenn wir uns anschauen, was notwendig ist, dann reden wir an der einen oder anderen Stelle über revolutionäre Veränderungen. Das ist eine Energierevolution. Das ist eine Revolutionierung unserer Wirtschaftsweise, wenn wir die Klimaziele einhalten wollen. Deswegen finde ich, dass wir grundlegende Veränderungen brauchen und dass die nachhaltig sein müssen, und was das Bundesamt für Verfassungsschutz dazu sagt, ist für mich überhaupt kein Maßstab. Das ist bis vor ein paar Jahren von einem rechten Verschwörungsideologen Maaßen geführt worden und deswegen ist der Verfassungsschutz nicht Maßstab meines politischen Handelns.

"Es geht darum, unsere Wirtschaftsweise sehr grundsätzlich zu verändern"

May: Verstehe ich! – nur um das noch mal kurz klarzustellen: Es geht Ihnen bei Revolution eher um unsere westliche Lebensweise und weniger um unser Gesellschaftssystem?
Wissler: Ich finde, dass wir darüber diskutieren müssen, wie wir Gesellschaft demokratischer machen, wie wir Menschen besser beteiligen können an politischen Prozessen. Es geht darum, unsere Wirtschaftsweise sehr grundsätzlich zu verändern. Schauen Sie, wir haben die weltweite Situation, dass acht Menschen so viel besitzen wie 3,5 Milliarden Menschen, wie die Hälfte der Menschheit. Diese ungerechte Verteilung von Reichtum, die muss doch verändert werden. Wir wollen doch nicht, dass Pharmakonzerne darüber entscheiden, dass nicht genug Impfstoffe hergestellt werden, weil sie die Patente nicht freigeben. Wir wollen nicht, dass Immobilienkonzerne darüber entscheiden, wie wir wohnen, und Krankenhauskonzerne darüber entscheiden, wie unsere Gesundheit aussieht. Nein, wir wollen eine demokratische Gesellschaft. Das heißt, Infrastruktur und Daseinsvorsorge in die öffentliche Hand. Und wir wollen die Macht- und Eigentumsstrukturen verändern. Das heißt, nicht Immobilienkonzerne besitzen große Teile von Wohnungen und treiben die Preise in die Höhe. Das wollen wir verändern.
SPD-Fraktionsvize Miersch - "Wir machen keine Politik für die Linkspartei"
Man mache keine Politik für andere Parteien, sagte SPD-Fraktionsvize Matthias Miersc im Dlf. Außerdem warb er für die Vermögenssteuer, um in diesen schwierigen Zeiten Solidarität sicherzustellen.
May: Frau Wissler, viele Themen, die Sie jetzt angesprochen haben, treiben tatsächlich gerade sehr, sehr viele Menschen um. Wenn ich in die USA schaue, dann sehe ich, linke Themen sind gerade ziemlich salonfähig. Joe Biden fährt in den USA gerade das linkste Programm seit Roosevelt in den 30ern. Dennoch dümpelt Die Linke hier knapp oberhalb der Fünf-Prozent-Hürde entlang. Woran liegt das? Wie erklären Sie sich das?
Wissler: Das wollen wir jetzt im Wahlkampf ändern. Wir haben ein Programm, wir haben Spitzenkandidaten, wir haben ein politisches Angebot, das wir machen. Natürlich müssen wir uns die Frage stellen, warum uns Menschen mal gewählt haben, die uns heute nicht mehr wählen. Natürlich tun wir uns auch in der Corona-Situation alles andere als leicht, weil wir natürlich gerade eine Partei sind, die auf Haustürwahlkampf setzt, auf Straßenwahlkampf setzt, auf Veranstaltungen und auf Kundgebungen. Ich denke, dass wir mehr dahin gehen müssen, wo die Menschen sind, mehr auch eine andere Ansprache finden müssen, nicht einfach Veranstaltungen machen und hoffen, dass die Leute zu uns kommen, sondern wirklich dort hingehen, wo die Menschen sind. Wir brauchen eine bessere Verankerung, auch überhaupt gesellschaftlich mehr Mitglieder. Das sind alles Dinge, die wir angehen müssen, und natürlich war das die letzten Monate auch alles nicht ganz einfach mit zwei verschobenen Parteitagen pandemiebedingt, ein bisschen unklarer Situation an der Spitze. Das hat sicher alles nicht einfach gemacht. Aber jetzt werfen wir uns voll in den Wahlkampf und kämpfen dafür, Die Linke so stark wie irgend möglich zu machen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.