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Bundesumweltministerin Svenja Schulze
Konsensorientiert, stets freundlich, aber machtlos?

Ein knappes Jahr ist Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) im Amt - aus der nordrhein-westfälischen Landespolitik wechselte die frühere Wissenschaftsministerin nach Berlin. In der Großen Koalition trifft sie auf viel Widerstand. Und auf Desinteresse - selbst bei eigenen Genossen.

Von Barbara Schmidt-Mattern | 21.02.2019
    Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD)
    Beim Thema Nachrüstungen durch die Autoindustrie verhallen die Worte der Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) ein ums andere Mal (picture alliance/Kay Nietfeld/dpa)
    Wo Svenja Schulze hinkommt, da kreucht und fleucht es. Noch kein Jahr im Amt, ist die Bundesumweltministerin bereits Wildbienen-Patin. Immer wieder gerne zeigt sie sich, wie in diesem Werbefilm ihres Ministeriums, zwischen Blumenbeeten und Gartenhäuschen, hier in Berlin-Treptow:
    "Die Hälfte der Wildbienenarten ist schon gefährdet, und wenn wirklich immer mehr Insekten jetzt aussterben, dann trifft das unmittelbar die Menschen."
    "Eigentlich nichts zu sagen"
    Unermüdlich und stets freundlich wirbt die Sozialdemokratin für die Rettung der kleinen Flügeltiere - und trifft damit bei vielen einen Nerv. In Bayern gab es gerade erst ein Volksbegehren. Und längst ist die Biene auch in den Nachrichten ein Top-Thema.
    Svenja Schulzes Ruf ist - im Berliner Regierungsviertel - jedoch bestenfalls ambivalent. Zu nett, zu unerfahren und vom Kabinett, den eigenen Parteifreunden, selbst der Kanzlerin im Stich gelassen. Dieses Image hat sich bis zur EU nach Brüssel herumgesprochen:
    "Ich hab eine Umweltministerin, die sitzt am Tisch, und hat eigentlich nichts zu sagen. Kanzleramt telefoniert mit den Hauptstädten, und die Umweltministerin, die sitzt hier und kann nix bewegen. Also es ist ziemlich absurd", lästert Luxemburgs Energieminister.
    Ob CO2-Grenzwerte, Glyphosat, Plastikmüll, Dieselabgase, oder der Kohleausstieg - ständig sitzt Schulze, die gebürtige Düsseldorferin, zwischen allen Stühlen.
    Mit ihrer konsensorientierten Art bringt sie selbst erfahrene Fernseh-Journalisten aus der Fassung:
    "Ich versuche Ihre Position da zu erfahren. Ich versuche Ihre Position da zu erfahren, ich versuch's noch mal so: Wer rasen will, wählt Andreas Scheuer. Wer ein Tempolimit will, wählt die Grünen. Was bekommen die, die Sie wählen?"
    Mit vielen Worten nichts sagen
    Ein halbes Dutzend Mal quält sich ZDF-Moderator Thomas Walde mit der Frage, ob Svenja Schulze für oder gegen ein Tempolimit ist. Doch die Ministerin und passionierte Radfahrerin sagt mit vielen Worten: Nichts. Typisch Schulze: Scheinbar nichts bringt sie aus der Ruhe, egal welches Thema, immer gilt: "Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir das schaffen."
    Nein, tun wir nicht - glaubt Georg Nüßlein, in diesen Tagen Schulzes schärfster Widersacher. Oder zumindest der einzige, der sich aus der Deckung traut. Der Unionsfraktionsvize feuert aus allen Rohren gegen das geplante Klimaschutz-Gesetz aus dem Umweltministerium:
    "Wir wollen kein Rahmengesetz, das außer Bürokratie, externer Überwachung, Ressortzuständigkeit und einem Volkswirtschaftsplan Dinge bringt, die niemanden voranbringen im Klimaschutz."
    Nüßlein schimpft gar über "Planwirtschaft". Dass seine Partei, die CSU, im letzten Herbst auch wegen der fehlenden Klimaschutzpolitik in Bayern vom Wähler abgestraft wurde, scheint vergessen. Und dass das Klimaschutz-Gesetz im Koalitionsvertrag steht, auch.
    Im Bundestag braut sich was zusammen
    "Wir haben jetzt über die Strukturwandelkommission einen Kompromiss, wie wir aus der Kohle aussteigen können. Das wird aber nicht reichen. Auch der Verkehr muss seinen CO2-Fußabdruck reduzieren, auch in der Landwirtschaft, in der Industrie wird noch eine ganze Menge passieren müssen."
    Konkret will Schulze ihre Kabinettskollegen in den genannten Ressorts per Gesetz verpflichten, dass sie nur noch festgelegte Mengen an klimaschädlichen Treibhausgasen ausstoßen dürfen. An diesem Punkt klingt Svenja Schulze durchaus auch mal streng:
    "Und Herr Scheuer wird das für den Verkehrsbereich machen genauso wie Frau Klöckner für die Landwirtschaft."
    Doch letzte Woche nach dem Koalitionsausschuss geriet Svenja Schulze endgültig in die Defensive - interessierte Kreise ließen streuen, das Klimaschutzgesetz sei auf Eis gelegt. Mitnichten, kontert das nun das Umweltministerium und schickte einen ersten Vorentwurf jetzt direkt an das Kanzleramt. Im Bundestag braut sich derweil etwas zusammen.
    Kommissionen hier, Kommissionen dort - Unionsfraktionsvize Nüßlein geht das alles zu weit: "Also zunächst einmal haben wir eine große, demokratisch legitimierte Kommission, und das ist der Deutsche Bundestag, und ich persönlich bin sehr, sehr skeptisch, wenn wir jetzt anfangen, zu jedem Thema Kommissionen zu machen."
    Doch Widerstand gibt es auch in der SPD - nur äußern die Genossen das nicht durch lauten Protest, sondern durch Schweigen. Kein Wort von Parteichefin Andrea Nahles, oder ihrem Vize, Olaf Scholz, obwohl es seit Tagen Knatsch gibt um das Klimaschutzgesetz - Gegner sprechen gar von einer Sollbruchstelle der Koalition. Erst auf Nachfrage versichert Fraktionsgeschäftsführer Carsten Schneider, man stehe an der Seite von Svenja Schulze: "Ja also, wir sind da fest. Wir sind da fest."
    Kaum Unterstützung von den eigenen Genossen
    Wirklich? Die SPD-Basis fordert lange schon mehr Einsatz für den Klimaschutz, gegen das Insektensterben, für saubere Luft und gegen schädliche Diesel-Abgase. Doch gerade beim Thema Nachrüstungen durch die Autoindustrie verhallen die Worte der Umweltministerin ein ums andere Mal:
    "Wir müssen jetzt handeln. Wir brauchen Hardware-Nachrüstungen für unsere Autos."
    Ein anderer Genosse hat längst erkannt, dass die SPD mit dem Umweltministerium ein Schlüsselressort in den Händen hält - und aus seiner Sicht nichts draus macht.
    Juso-Chef Kevin Kühnert: "Das ist ein gemachtes Feld für die SPD, das ist eine gesellschaftliche Machtfrage, wo die vielen, die beschissen wurden, die einen Diesel zuhause vor der Tür stehen haben, stehen gegen die wenigen in den Chefetagen, die zwar in der Lage sind, 1,1 Milliarden Dividende im Jahr auszuzahlen, aber nicht zwei bis 3.000 Euro für eine technische Nachrüstung auszugeben. Das ist ein gemachtes Feld für die SPD!"
    Parteichefin Andrea Nahles vergisst hingegen beim Klimaschutz-Gesetz die eigene Ministerin:
    "Und Matthias Miersch, und die Gruppe, die das für uns verhandelt hat, hat auf unser Betreiben hin, auf die Tagesordnung gesetzt, ein Klimaschutzgesetz. Bitte diskutiert mit. Klimaschutz muss ganz nach vorne, was dieses Klimaschutzgesetz angeht."
    "Was uns nicht weiterbringt, sind Sonntagsreden über den Klimaschutz", sagt hingegen Svenja Schulze. Das geplante neue Gesetz ist nicht nur ihre größte Herausforderung, sondern auch ein Lackmustest, wie wichtig die gesamte Bundesregierung den Klimaschutz nimmt.