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Cameron reist zum EU-Gipfel
Noch kein Konzept für den Austritt

In Brüssel wird zwar immer wieder eine schnelle Entscheidung gefordert, wie der Austritt Großbritanniens aus der EU gestaltet werden soll, doch die wird Premierminister David Cameron auf dem heute beginnenden EU-Gipfel nicht präsentieren. Die zukünftige Beziehung zur EU ist in Großbritannien noch ungeklärt.

Von Thomas Spickhofen | 28.06.2016
    Der britische Premierminister David Cameron bei seiner Pressekonferenz am Morgen nach dem Referendum
    Der britische Premier David Cameron am Morgen nach dem Referendum. Jetzt muss er nach Brüssel. (AFP / Adrian Dennis)
    David Cameron kommt zwar mit leeren Händen, aber mit einem vollen Herzen nach Brüssel. "Ich glaube, wir sollten an einer Vision von einem Großbritannien festhalten, das im Ausland respektiert wird, zu Hause tolerant ist und sich in der Welt engagiert, um Sicherheit und Wohlstand auch für unsere künftigen Generationen zu gewährleisten. Dafür habe ich in meinem politischen Leben immer gekämpft, und das werde ich weiterhin tun."
    Dazu wird er sich heute jedoch erst mal gegen die Noch-Partner in der EU stellen müssen. In Brüssel erwartet man, dass Großbritannien bald, schnell, sofort den Austrittsprozess eröffnet. Aber da sind sie dann, die leeren Hände. Denn genau das, sagt Cameron, werde er nicht tun, sondern seinem Nachfolger überlassen. Und bis der feststeht, können noch Wochen, vielleicht sogar Monate vergehen.
    In Nordirland denkt man an Wiedervereinigung mit Irland
    Der Start des Austritts sei eine souveräne Entscheidung, und es liege an Großbritannien, ganz allein an Großbritannien, wann es sie treffe, sagt Cameron. In dieser Frage weiß Cameron die Heimat hinter sich, so einig wie schon lange nicht mehr. Die beiden großen Parteien, Konservative und Labour, sind dabei, sich neu zu sortieren und erst mal darüber klar zu werden, wie genau und auch mit wem sie in den Austrittsprozess gehen werden. Die, die ihn wollten, scheinen kaum darauf vorbereitet, und die die ihn nicht wollten, müssen bis auf Weiteres noch regieren, unter erschwerten Bedingungen. Schottland will seinen Platz in der EU schützen, in Nordirland denkt man an Wiedervereinigung mit der Republik Irland, London sieht seinen Finanzplatz in Gefahr.
    Bevor wir starten, sagt Cameron, muss Großbritannien festlegen, welche Art von Beziehung es nun zur EU haben wolle. Unterstützung dafür erhält er quer durch die großen Parteien, und auch bei Tony Blair, Premierminister von Labour 1997 bis 2007. Es gibt überhaupt keinen Grund zur Eile, sagt Blair, das Land müsse nicht nur die Konsequenzen des Austritts, sondern auch die Möglichkeiten einer neuen Beziehung prüfen. Bis zum 2. September soll der neue Chef der britischen Konservativen feststehen, und damit auch der neue Regierungschef in Großbritannien. Das sieht der Fahrplan der Tories vor.
    Europa nicht den Rücken zuwenden
    Aber auch für den neuen Premier, sagt der scheidende Regierungschef Cameron, gelte: Großbritannien verlasse die Europäische Union, aber das heiße nicht, dass es Europa oder der Welt den Rücken zukehre. Alle Schlüsselentscheidungen müssen durch den neuen Regierungschef getroffen werden. Aber wir können auch jetzt schon viel tun. Zum Beispiel beginnen die britische und die irische Regierung schon diese Woche mit Gesprächen darüber, wie es an unserer gemeinsamen Grenze weitergehen soll. "Bevor wir das tun, müssen wir festlegen, welche Art von Beziehung wir zur EU haben wollen." Er habe das auch dem Präsidenten der EU-Kommission Juncker und dem Ratspräsidenten Tusk gesagt, und er werde das auch morgen beim Gipfel wiederholen, sagte Cameron. "Das ist unsere souveräne Entscheidung und es liegt allein an Großbritannien, wann wir sie treffen." Allerdings sei der Gipfel auch die Gelegenheit, dies klar zu machen: "Großbritannien verlässt die Europäische Union, aber das heißt nicht, dass wir Europa oder der Welt den Rücken zuwenden."