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Care-Klima-Index
Geringe Wertschätzung für die Pflege

Der Versorgung älterer und kranker Menschen kommt aus Sicht vieler Beteiligter zu wenig Bedeutung zu. Das geht aus einer Umfrage hervor. Demnach geht fast die Hälfte der Befragten davon aus, dass die Pflegeversorgung in Zukunft nicht sichergestellt ist.

Von Mathias von Lieben | 16.01.2019
    Der Hinterkopf einer alten weißhaarigen Frau, die ihren Kopf auf die linke Hand stützt.
    Schlechte Stimmung im Pflegeheim? Einer neuen Umfrage zufolge glauben drei Viertel der Befragten, dass die Politik sich nicht genug für die Pflege interessiert. (dpa/Patrick Pleul)
    Bis zum Jahr 2045 werden fünf Millionen Menschen in Deutschland Pflege benötigen. Davon geht die Bertelsmann-Stiftung in einer neuen Studie aus.
    Die Schlussfolgerung: der Beitragssatz zur Pflegeversicherung müsse bis dahin von heute 3,05 Prozent auf 4,25 Prozent steigen – also um jährlich knapp 550 Euro mehr, gemessen am heutigen Durchschnittseinkommen. Erst zu Beginn dieses Jahres war der Satz um 0,5 Prozentpunkte gestiegen. Die Sorge der Studie: Die für diese Entwicklung benötigten Fachkräfte werden sonst nicht in ausreichendem Maß zur Verfügung stehen.[*]
    In Berlin wurde an diesem Vormittag eine Studie vorgestellt, die die Stimmung in der Pflege erstmals in einem Zeitstrahl darstellen will: der sogenannte CARE Klima-Index.
    Verantwortlich dafür ist das Befragungsinstitut Psyma Health & CARE Gmbh in Kooperation mit dem Deutschen Pflegerat und der Schlüterschen Verlagsgesellschaft. Im Vergleich zur ersten Befragung 2017, sagt die Projektverantwortliche Stephanie Hollaus, habe sich gezeigt, "dass die Stimmung in der Pflege nochmals abgekühlt ist."
    Für den Index wurden insgesamt 2.226 Personen online befragt – darunter vor allem Pflegefachpersonen, Pflegebedürftige, und ihre Angehörigen, aber auch Ärzte- und Apothekerschaft, Industrie, Kostenträger sowie Verbände und Kommunen.
    Das Stimmungsbild ist schlecht
    Die zentrale Aussage: Das Stimmungsbild ist überwiegend negativ. Sorgen bereiten dürfte Gesundheitsminister Jens Spahn, der für die Pflege verantwortlich ist, aber insbesondere ein Ergebnis: Die Pflege fühlt sich nicht ausreichend von der Politik vertreten. Demnach hatten 74 Prozent der Befragten das Gefühl, der Stellenwert des Themas Pflege in der Politik sei nur von niedriger Relevanz – und damit um 5 Prozentpunkte schlechter als im Vorjahr.
    Franz Wagner, Präsident des Deutschen Pflegerats, findet diese Entwicklung besorgniserregend. Ganz überrascht ist er dennoch nicht. Für ihn sei das nur "Ausdruck einer über die Jahre gesammelten Vertrauensverlustes, dass die Politik Probleme lösen will oder auch kann. Und einer gewissen Skepsis, ob die eingeleiteten Maßnahmen, wirklich greifen werden bzw. ob sie sinnvoll gestaltet sind."
    Zu den weiteren Ergebnissen: 38 Prozent der Befragten sehen den gesellschaftlichen Stellenwert der Pflege geringwertiger als in anderen Berufsgruppen – zehn Prozent mehr als noch 2017. Auch die Werte zur Versorgungsqualität deuten auf einen negativen Trend hin: Din Drittel der Befragten, und damit 5 Prozent mehr als im Vorjahr, empfindet sie als mangelhaft, knapp die Hälfte hält sie für nicht sichergestellt. Knapp drei Viertel denken, dass die derzeitige personelle Ausstattung der aktuellen Situation nicht gerecht wird.
    Deutscher Pflegerat fordert 100.000 Stellen mehr
    Franz Wagner vom Deutschen Pflegerat fordert daher von der Politik, "dass insgesamt 100.000 Stellen neu zu schaffen sind."
    Andreas Westerfellhaus, Staatssekretär im Gesundheitsministerium und Pflegebevollmächtigter der Bundesregierung zeigte sich erstaunt über das negative Stimmungsbild und wies auf die bereits beschlossenen Maßnahmen von Gesundheitsminister Jens Spahn hin.
    Zum einen: die Konzertierte Aktion Pflege, die den Beruf z.B. mit besseren Arbeitsbedingungen und einer besseren Vergütung attraktiver machen will. Zum anderen das Sofortprogramm Pflege, mit dem 13.000 Stellen in diesem Jahr in der Pflege finanziert werden:
    "Sofortprogramm hat nun man in sich, dass es nicht gleich ein Resultat liefert für die nächsten 30 Jahre.[*] Und dass das alles das, was wir angefangen haben in der Bundesregierung nur einleitende Maßnahmen sind und nicht das Ende der Fahnenstange, muss auch jedem klar sein."
    Menschen "nicht schon jetzt verunsichern"
    Welche Pläne das Gesundheitsministerium mittelfristig hat, um die Probleme zu lösen – und wie die in Zukunft deutlich höhere Zahl der Pflegebedürftigen finanziert werden soll? Dazu sagte Westerfellhaus nichts. Er halte jedenfalls nichts davon, "dass man die Menschen nicht schon jetzt damit verunsichern sollte, was einmal in zehn oder 20 Jahren ist."
    [*] Die Skriptfassung weicht geringfügig von der Sendefassung ab; gesendet wurde der Beitrag in den "Informationen am Mittag" in leicht gekürzter Form..