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Carpooling
Gutes Gewissen auf der Autobahn

Es gibt wenige ökonomische Trends, denen ein moralischer Mehrwert zugestanden wird. Beim Sharing ist das so: wirtschaften und dabei ressourcenschonend und sozial bleiben. Der Marktführer unter den Mitfahrbörsen will sich mit diesen Attributen schmücken und davon profitieren.

Von Lisa Weiss |
    "So, simma fertig? Könnma schon einsteigen?"
    Die Taschen sind im Kofferraum des silbernen BMWs, Pabel und Achma springen ins Auto zu Franziska und Michael. Einen Moment lang herrscht unangenehmes Schweigen. Pabel und Achma haben das Pärchen, mit dem sie von München nach Düsseldorf fahren werden, noch nie zuvor gesehen. Sie haben die Mitfahrt im Internet organisiert – auf der Seite mitfahrgelegenheit.de.
    "Also wir wollen zu unserem Cousin, das ist jetzt langsam mal fällig gewesen und natürlich haben wir versucht, so günstig wie möglich irgendwie 'ne Hinfahrt zu bekommen."
    So günstig und bequem wie möglich reisen - das war auch das Ziel der Gründer: 2001 hatten einige Würzburger Studenten mit Fernbeziehung genug davon, andauernd umständlich auf Schwarzen Brettern und bei Mitfahrbüros einen Fahrer zu suchen. Sie gründeten eine Plattform im Internet, auf der sich Fahrer und Mitfahrer finden konnten: mitfahrgelegenheit.de. Mittlerweile agiert das Unternehmen europaweit, unterhält Plattformen zum Beispiel in Italien, Frankreich, Österreich, Polen oder Griechenland. Und nennt sich inzwischen offiziell carpooling.com – das ist außerhalb Deutschlands einfacher auszusprechen, sagt Geschäftsführer Markus Barnikel. Über 70 Mitarbeiter aus aller Welt sind am Firmensitz in München beschäftigt.
    "In der ersten Phase war das noch ein Projekt, das am Wochenende und abends entstanden ist, in den letzten Jahren haben wir gemerkt, das ist für so viele Menschen relevant, dass wir das Team damit aufbauen müssen. Und um Mitfahren wirklich groß zu machen, was in den letzten zwei Jahren passiert ist, muss man ein weiteres Thema bedienen, was das Thema Sicherheit ist und Vertrauen."
    Deswegen gibt es auf der Website ein Bewertungssystem für Fahrer und Mitfahrer, deswegen gibt es eine Rubrik, in der Frauen-Fahrten nur für Frauen anbieten. Besonders stolz ist Geschäftsführer Markus Barnikel auf das, wie er sagt, innovative und einfache Buchungssystem. Gerne führt er es vor:
    "Beim Moritz sind noch zwei Plätze frei, der möchte für die Strecke von München nach Berlin gerne 30 Euro, dann klick ich da drauf, schau erst mal was andere Fahrer oder Mitfahrer über ihn gesagt haben, dann ist es eigentlich ganz einfach, ich sag, Moritz gefällt mir, würde ich gerne mitfahren, passt mir auch die Zeit dann klick ich auf zur Buchung und schon hab ich ein Ticket, muss ich nur sagen, wie ich bezahlen möchte, logg mich ein, das Ticket ist bezahlt."
    Elf Prozent des Fahrpreises gehen an die Vermittlungsplattform
    In 45 Länder kann man so reisen, den Preis können Fahrer und Mitfahrer frei verhandeln. Lange Zeit war die Vermittlung kostenlos, Carpooling finanzierte sich über Werbung, Kooperationen und Angebote speziell für Unternehmen - Carpooling.com hat beispielsweise eine innerbetriebliche Mitfahrzentrale für den Energieriesen E.ON entwickelt. Doch seit einiger Zeit wird auch für die Nutzer eine Gebühr fällig: 11 Prozent des eingenommenen Geldes muss der Fahrer an Carpooling.com abgeben. Die Mitfahrer bezahlen daher nicht wie früher bar am Ende der Fahrt, sondern im Internet auf mitfahrgelegenheit.de - erst dann gibt es die Telefonnummer des Fahrers.
    Franziska, Michael und ihre Mitfahrer machen inzwischen die erste Pause auf der langen Fahrt von München nach Düsseldorf. Sie sind ins Gespräch gekommen. Thema ist auch: die Vermittlungsgebühr. Irgendwie kann Franziska die Betreiber verstehen – aber trotzdem:
    "Es ist halt doch irgendwie ein bisschen ärgerlich. Es gibt ja auch Seiten, die überhaupt nichts abziehen und keine Gebühren verlangen."
    Zum Beispiel bessermitfahren.de oder fahrgemeinschaft.de. Auch blablacar.de ist, wenigstens momentan noch, kostenlos. Das Problem: Die Alternativen bieten im Vergleich zu mitfahrgelegenheit.de deutlich weniger Fahrten an. Das Unternehmen carpooling.com bewegt pro Monat über 1,3 Millionen Menschen, nach eigenen Angaben ist es damit europaweit Marktführer. Aber: Wie lange noch? Die Klientel, die solche Fahrgemeinschaften nutzt, ist häufig jung, preisbewusst, ein bisschen alternativ. Dass man sich plötzlich registrieren muss, seine Daten angeben muss, übers Internet bezahlen – das passt nicht zum ehemals sympathischen Touch der Seite, zum Selbstverständnis vieler Mitfahrer.
    Entsprechend groß war der Aufschrei gerade in den Sozialen Netzwerken; viele sehen als Grund für die Gebühr, dass ausgerechnet der Autokonzern Daimler letztes Jahr mit 8 Millionen Euro bei carpooling.com eingestiegen ist. Sie glauben: Der große Konzern wolle durch die Gebühr den Boom des Mitfahrens beenden oder wenigstens das investierte Geld möglichst schnell wieder reinholen - auf Kosten der Nutzer von mitfahrgelegenheit.de.
    Auch Fernbusse und Flüge werden vermittelt
    Geschäftsführer Markus Barnikel macht sich aber keine Sorgen über die Zukunft seines Unternehmens:
    "Wir haben den 5-millionsten Nutzer im August willkommen geheißen und steuern jetzt schon wieder auf den 6-millionsten zu, das heißt, es gab natürlich Leute, die es lange genutzt haben und dann gesagt haben, Veränderungen, das finde ich nicht gut. Als wir aber auch gezeigt haben, was wir da an Benefits, an Neuem bringen für den Nutzer, wurde es gut angenommen und wir wachsen seitdem extrem stark."
    Allerdings gibt es seit April auch Fernbuslinien verschiedener Anbieter, die jetzt günstig Städte verbinden dürfen. Neue Konkurrenz? Barnikel sagt: nein, mehr Möglichkeiten. Denn schon längst können Nutzer auch Tickets von Partnern wie der Deutschen Bahn oder Air Berlin über die Seite kaufen:
    "Und seit der Liberalisierung des Busmarktes im April haben wir auch alle großen Buslinien im Mittel- und Fernbereich bei uns integriert auf der Seite. Da sind wir der einzige Anbieter, der das macht und das ist auch ein Angebot, das ganz stark wahrgenommen und geschätzt wird von den Nutzern."
    Deswegen ist sich Barnikel sicher: Carpooling.com wird weiter wachsen - das Unternehmen will den internationalen Markt erobern, sieht Potenzial in Amerika. Franziska, Michael und ihre Mitfahrer lässt das erst mal kalt. Ihnen reicht es, einfach und günstig von München nach Düsseldorf zu kommen. Gute Gespräche inklusive.