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CCS-Gegner machen mobil

Carbon Dioxide Capture and Storage (CCS) ist ein Verfahren bei dem klimaschädliches Kohlendioxid verflüssigt und in unterirdischen Speichern gelagert wird. Die Bundesregierung will das Verfahren bis 2017 erproben lassen. Umweltverbände und betroffene Gemeinden üben Kritik.

Von Susanne Schrammar | 22.09.2011
    Die Fackeln sind verstaut und einsatzbereit – aus ganz Norddeutschland brechen heute CCS-Gegner auf mit dem Ziel Nordsee. Heute Abend um Acht sollen auf den ostfriesischen Inseln, an der Küste Niedersachsens und Schleswig-Holsteins an vielen Orten Mahnfeuer brennen. Vor der entscheidenden Gesetzesabstimmung morgen im Bundesrat machen die Gegner der CO2-Speicherung noch einmal mobil. Aufgerufen haben betroffene Gemeinden, Umweltverbände und die Grünen. Niedersachsens Landeschefin Anja Piel:

    "Wir wollen an der Nordseeküste, auf den Nordseeinseln mit Fackeln demonstrieren, dass wir gegen diese CO2-Verpressung unter dem Nordseeboden sind, da wollen die Menschen, die dort vor Ort leben, mahnen mit diesen Fackeln. Und es soll eigentlich wie so ein Leuchtturm den Richtungswechsel anzeigen, den die Regierung an dieser Stelle vornehmen soll."

    Sollte Kohlendioxid, wie von der Bundesregierung geplant, in großen Speichern tonnenweise unter die Erde verpresst werden, würde es enorme Risiken mit sich bringen, so die Befürchtung. Doch ob das CCS-Gesetz morgen überhaupt eine Mehrheit erhält, steht derzeit auf der Kippe. Die Bundesländer sind sich uneinig über die Gesetzesklausel, die es den Landesregierungen ermöglichen soll, CO2-Speicher in ihrem Gebiet zu verhindern. Brandenburg, Hamburg und Sachsen lehnen den Ausstiegsparagrafen ab, Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz geht er hingegen nicht weit genug. Im Umweltausschuss des Bundesrates vergangene Woche haben zehn Länder dem Gesetz die Zustimmung verweigert. Wie sie sich morgen entscheiden, halten sich die meisten Länder noch offen. Niedersachsen und Schleswig-Holstein, in denen die meisten potenziellen Speicherorte liegen, haben sich bereits festgelegt. Die schwarzgelb-regierten Länder wollen bei sich keine Kohlendioxidverpressung, werden dem Gesetz aber voraussichtlich zustimmen. Niedersachsens Wirtschaftsminister Jörg Bode, FDP:

    "Weil wir der festen Überzeugung sind, dass die Länderklausel den Ausschluss ermöglicht und falls das Gesetz nicht beschlossen wird, haben wir die große Sorge, dass beim zweiten Durchgang oder bei einem weiteren Durchgang im Vermittlungsausschuss sich die Länder sich eventuell durchsetzen würden, die CCS unbedingt flächendeckend speichern wollen."

    Doch ob sich die Länder wirklich auf den Ausstiegsparagrafen verlassen können, ist umstritten. BUND und Greenpeace halten die Länderklausel für verfassungsrechtlich angreifbar. Ein von ihnen in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten kommt zu dem Schluss, dass die Länder die CO2-Speicher nur für die kommenden sechs Jahre ausschließen können. Dann werde das Gesetz novelliert und die Karten neu gemischt, sagt die Rechtsanwältin Roda Verheyen. Zudem könnten etwa Niedersachsen, wo Hunderte potenzieller Speicherstätten liegen, die CO2-Lager nicht mit einem Gesetz generell verhindern, so Verheyen.

    "Niedersachsen muss nach meiner Analyse Speicherort für Speicherort vorgehen, die sinnvolle Nutzung für diesen Speicherort erheben, beschreiben und dann abwägen gegenüber der möglichen Verpressung von CO2 im Untergrund. Das ist ein unheimlich detailliertes Unterfangen, was entsprechend auch rechtlich unheimlich angreifbar sein wird. Das ist für mich keine Lage, in der ich mich als Landesgesetzgeber hinstellen und sagen kann, ich habe auf jeden Fall die Speicherung im Landesgebiet ausgeschlossen."

    Durch die Klausel könnten die Nordseeländer auch nicht verhindern, dass außerhalb ihres Hoheitsgebietes ab zwölf Kilometer vor der Küste CO2-Speicher unter dem Meer angelegt würden, sagt der BUND. Befürchtet wird, dass die Kohlendioxidverpressung dem sensiblen Ökosystem schweren Schaden zufügen. Durch den hohen Druck, mit dem das Gas in die Tiefe gepresst wird, könnten CO2-Leckagen entstehen. Die Technik sei unausgereift, sagt BUND-Klimaexpertin Tanja Löffelsend. Es fehlten Methoden und Instrumente, um die Sicherheit zu garantieren.

    "Also, man kann nicht vorher sagen, diese Lagerstätte wird definitiv dicht sein, sondern man kann nur hinter sagen: Oh, wahrscheinlich ist was entwichen und sogar das, kann man nur in sehr geringem Umfang mit sehr großer Ungenauigkeit machen und das ist aus Klimaschutzsicht, aber auch aus Sicht der Sicherheit für Umwelt und Bevölkerung nicht befriedigend."

    Im Zuge des Streits um die geplante CO2-Speicherung hat der Energiekonzern Vattenfall den milliardenschweren Bau eines Test-Kohlekraftwerks im brandenburgischen Jänschwalde abgesagt. Die Abscheidung und Speicherung des Treibhausgases gilt als Voraussetzung, um solche Kraftwerke langfristig betreiben zu können. Die sich abzeichnenden Rahmenbedingungen ließen eine solche Investition derzeit nicht zu, sagte eine Vattenfallsprecherin am Mittwoch.