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CDU-Basis und der grün-schwarze Koalitionsvertrag
Grummeln in Südwest

Das Papier sei "mehr als der kleinste gemeinsame Nenner": So urteilte der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann bei der Vorlage des bundesweit ersten grün-schwarzen Koalitionsvertrages. An der CDU-Basis bleibt Unbehagen. Ein Besuch des Kreisparteitags der Partei in Konstanz.

Von Thomas Wagner |
    Der erste grün-schwarze Koaltionsvertrag einer deutschen Landesregierung
    Der erste grün-schwarze Koalitionsvertrag einer deutschen Landesregierung (picture alliance/dpa/Bernd Weissbrod)
    "Zum vorgestellten Koalitionsvertrag: Also grundsätzlich bin ich der Meinung, man sollte einen Neuanfang starten. Das hat man versäumt, indem alte Mitglieder immer noch dabei sind. Konkret spreche ich jetzt von unserem 'Fast-Ministerpräsidenten' Wolf. Aus meiner Sicht wäre es besser gewesen, einen klaren Schritt zu tun: ein Rücktritt von Herrn Wolf und ein Neuanfang."
    "Die Knackpunkte sind einfach Sparen. Aber wo? Aber unsere Beamten dürfen wir nicht vergraulen. Dann geht’s auch nicht weiter."
    "Darf ich Sie bitten, Ihre Plätze einzunehmen."
    Hier Kritik am Ministeramt für den gescheiterten CDU-Spitzenkandidaten Guido Wolf, da Bedenken am vorgesehenen Sparkurs: Parteitag des CDU-Kreisverbandes Konstanz gestern Abend.
    "Der heutige Kreisparteitag ist ein historischer Kreisparteitag, weil er ganz im Zeichen steht der grün-schwarzen Koalitionsgespräche und seit heute Nachmittag dem vorliegenden Koalitionsvertrag, der mit grün-schwarzer Tinte unterschrieben ist."
    Als Kreisvorsitzender Willi Streit schon vor Monaten den Termin festlegte, konnte er nicht ahnen, dass der ausgerechnet mit der Bekanntgabe des ersten grün-schwarzen Koalitionsvertrages zusammenfallen sollte, bei dem die CDU ausgerechnet auch noch den Juniorpartner gibt. "Es gab für die CDU schönerer Zeiten als die nach dieser Landtagswahl."
    Ärger über Bildungspolitik
    Aufs Neue Wunden lecken, wie so häufig nach der Landtagswahl: Andreas Jung, Bundestagsabgeordneter, südbadischer CDU-Bezirksvorsitzender und Mitglied der Verhandlungsrunde, informiert die Basis darüber, was drin steht im Koalitionsvertrag:
    "Da gibt es Dinge, die es uns schwer machen - und andere, über die können wir uns freuen." Zum Beispiel über die innenpolitischen Passagen: "Es wird 1.5000 neue Polizeistellen geben, was angesichts der Haushaltskonsolidierung doppelt wiegt. In diesem Bereich, der ist mit schwarzer Tinte geschrieben." Allerdings: "Es gibt Bereiche, da ist es schwieriger gewesen."
    Zum Beispiel in der Bildungspolitik: Die Zahl der Gemeinschaftsschulen wird zum Missfallen der CDU aufgestockt; an manchen sogar mit gymnasialer Oberstufe. Gleichwohl appelliert Jung an diesem Abend an die Basismitglieder, nicht nur an die reine Lehre der Partei zu denken: "Was bringt uns voran als CDU und wo finden wir unsere Handschrift?"
    Und dennoch: In manchen Ressorts hätte sich so manches Basismitglied doch ein wenig mehr gerade die Handschrift der CDU gewünscht: "Ich möchte mal die Verkehrspolitik ansprechen, die offenbar weiter in grüner Hand bleibt: Spüren wir hautnah, Beeinträchtigungen der Anwohner, das alles nur für Krötentunnel."
    Ein anderer nörgelt ebenfalls an der Aufteilung der Ministerien herum: "Das Finanzministerium wird nicht von der CDU besetzt. Und das ist eine Schlüsselfunktion." Ein Dritter schließlich macht Grundsätzliches geltend: "Ich muss das ganz deutlich sagen: Man hat uns Mitgliedern zugesagt, dass wir auf Kreisparteitagen darüber abstimmen, ob sie das gut oder schlecht finden. Die Tagesordnung sieht keine Beschlussfassung über das Programm vor."
    Insgesamt einverstanden
    Zwar Grummeln am einen oder anderen Detail, aber: Insgesamt zeigen sich die meisten doch einverstanden mit dem Vertragswerk. Schließlich, so ein Basismitglied, mische die CDU jetzt endlich wieder "mit in der Regierung. So hat die CDU eine gewisse Handschrift dort hineingebracht und hat Schlimmeres verhindert."
    Zum Schluss lässt der Tagungspräsident dann doch noch abstimmen: Gerade vier Delegierte enthalten sich, der Rest ist für den Koalitionsvertrag - ein gutes Omen für den Landesparteitag Ende der Woche. Dass der "grünes Licht" für den Koalitionsvertrag mit den Grünen geben wird, gilt bereits jetzt so gut wie sicher. Und dann? Ja was ist dann? Christian Bäumler, Vorsitzender der CDU-Sozialausschüsse in Baden-Württemberg: "Wir werden es auf jeden Fall fünf Jahre miteinander schaffen, nicht immer ohne Konflikte. Und ab und zu werden wir viel voneinander lernen müssen. Aber im Ergebnis werden wir’s hinbekommen."