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CDU-Führung
"Teamlösung nicht in der DNA der CDU verankert"

Der Politikwissenschaftler Michael Koß sieht Teamlösungen für die CDU-Spitze skeptisch. Die Union habe den klassischen Wunsch nach einer führenden Person. Möglicherweise wolle man mit einer neuen Form mehr Variation zu bieten, während inhaltlich gar nicht so viel Neues angeboten werde, sagte Koß im Dlf.

Michael Koß im Gespräch mit Ann-Kathrin Büüsker | 25.02.2020
Jens Spahn und Armin Laschet bei einer gemeinsamen Pressekonferenz, auf der Laschet seine Kandidatur für den CDU-Vorsitz bekannt gibt.
Gesundheitsminister Jens Spahn (links) verzichtet auf eine Kandidatur als CDU-Vorsitzender, möchte aber als Stellvertreter von Armin Laschet antreten, der sich zur Wahl stellt (ODD ANDERSEN / AFP)
Um die Nachfolge von Annegret Kramp-Karrenbauer an der Spitze der CDU sind derzeit drei Kandidaten im Rennen: der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet, der frühere Unionsfraktionschef Friedrich Merz und Norbert Röttgen, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages. Gesundheitsminister Jens Spahn verzichtet auf eine Kandidatur als Vorsitzender, möchte aber als Stellvertreter von Armin Laschet antreten. Norbert Röttgen möchte ein Team mit einer Frau bilden.
Die Kandidaten für den CDU-Vorsitz: Armin Laschet, Norbert Röttgen und Friedrich Merz (v.l.)
Wer wird neuer CDU-Parteivorsitzender?
Nach dem angekündigten Rücktritt von Annegret Kramp-Karrenbauer vom CDU-Parteivorsitz stellt sich für die CDU die Frage nach einem Nachfolger. Mehrere Kandidaten haben sich in Stellung gebracht. Doch wer steht für welche Positionen? Ein Überblick.
Theoretisch könnten in dieser Woche noch weitere Kandidaten dazukommen. Tatsächlich wird auch jetzt schon darüber diskutiert, ob genug Diversität vorhanden ist - denn alle Kandidaten für den Parteivorsitz sind Männer aus NRW.
Für die Union stehe Diversität jedoch erst "an zweiter, dritter, vierter Stelle", meint Michael Koß, Professor für das Politische System der Bundesrepublik Deutschland an der Universität Lüneburg, im Dlf-Interview.

Ann-Kathrin Büüsker: Teamfähigkeit versus Einzelkämpfer. Wie wichtig ist denn eigentlich Teamfähigkeit an der Spitze einer Partei wie der CDU?
Michael Koß: Das ist tatsächlich eine Frage, die ich mir heute Morgen auch schon häufiger gestellt habe. Bislang war das nicht so das höchste Pfund, mit dem in der Union gewuchert wurde, die sich ja gerne als Staatspartei, Kanzlerpartei und so weiter verstanden und inszeniert hat. Da braucht man natürlich, um es mit Guido Westerwelle zu sagen, auf jedem Schiff, das dampft und segelt, einen – so war immer die Annahme –, der die Sache regelt. Deswegen, bei einem Team bin ich vielleicht nicht skeptisch, aber zumindest erst mal sehr interessiert, wie das funktionieren soll.
"Tendenziell schwierig, im Team die Dinge anzugehen"
Büüsker: Also diese Kooperation zwischen Spahn und Laschet, da vielleicht auch der gezielte Versuch, sich als moderne Partei zu präsentieren?
Koß: Ja, das ist eine sehr freundliche Interpretation, kann durchaus zutreffen. Es kann natürlich auch jetzt irgendwie aus der Not geboren sein in dem Wissen, dass man, wenn man inhaltlich möglicherweise gar nicht so viel Neues anbietet, man in der Form mal ein bisschen mehr Variation in die Sache reinbringen muss. Wie gesagt, ich sehe diese Teamlösung jetzt nicht so ganz in der DNA der CDU verankert.
Porträt von Michael Koß,  Politikwissenschaftler, 2018.
Politikwissenschaftler Michael Koß hält eine Doppelspitze für die CDU nicht für die beste Lösung - "am Ende kann auch nur einer Kanzler sein" (imago / Jürgen Heinrich)
Büüsker: Sehen Sie denn da spezielle Probleme, die das mit sich bringen könnte?
Koß: Na ja, kommt jetzt wirklich darauf an. Man könnte jetzt einerseits sagen, bei der SPD funktioniert es ja eigentlich ganz gut, so meine Wahrnehmung, die haben ja nun seit Neuestem ein Team an der Spitze. Meine Wahrnehmung ist allerdings eher, dass die Aufmerksamkeit, nicht zuletzt auch die mediale Aufmerksamkeit sich einfach so sehr auf die CDU fokussiert hat, dass in der SPD gerade man machen kann, was man will ein Stück weit. Solange es nicht spektakulärer ist als das, was in der Union passiert, kommen die beiden an der Spitze der SPD damit davon.
Deswegen, ob eine Bewährung einer Parteispitze, die auch tatsächlich regiert – die Grünen könnte man jetzt auch noch anführen, aber die fallen in meinen Augen hier nicht ins Gewicht, weil sie einfach nicht regieren –, das gab es noch nicht. Deswegen ist es da jetzt auch sehr schwierig, darüber was ganz Konkretes zu sagen.
Ich halte es für tendenziell schwierig, im Team die Dinge anzugehen, weil dann, würde ich sagen, hat man einen Generalsekretär dafür – wenn man jetzt zum Beispiel sagt, die Partei, nein, die Arbeit, die oben beschlossen wurde, zu vermitteln, das macht dann der Generalsekretär. Aber als Doppelspitze – am Ende kann auch nur einer Kanzler sein. Da weiß ich nicht genau, wie Herr Spahn, der ja nun auch sehr ambitioniert ist, sich da aus der Kellnerrolle rauslavieren will.
Union würde unter Merz "Bewegung nach rechts vollziehen"
Büüsker: Sie betonen jetzt die Schwierigkeiten, die das Ganze mit sich bringen kann. Sowohl Spahn als auch Laschet haben heute in der Pressekonferenz immer wieder betont, wie wichtig der Zusammenhalt innerhalb der Partei ihnen ist und wie sie das durch diese Teammaßnahme eben auch herstellen wollen. Erkennen die beiden damit nicht schon etwas, was der CDU gerade durchaus zu einem Problem werden könnte – der interne Machtkampf, auch das ja eigentlich für die CDU ungewohnt.
Koß: Absolut, und das ist auch ein Pfund, mit dem die Union, die CDU, klassisch immer gewuchert hat, dass sie eben nicht diesem Selbstzerfleischungsdrang, den die Sozialdemokraten in den letzten Jahren doch sehr ausgelebt haben, nachgegeben haben. Es geht jetzt allerdings langsam los, und da ist die Frage – und die ist auch für mich eine offene –, ist das jetzt Pfeifen im Walde, oder hat man ein Problem erkannt und das wird dann im nächsten Schritt auch tatsächlich gebannt. Unklar, aus meiner Perspektive.
Büüsker: Wie schwer macht diese Spaltung, die wir gerade da in der CDU sehen, dann auch die inhaltliche Auseinandersetzung tatsächlich?
Koß: Na ja, die Inhalte sind so eine Frage. Ich hab dem Ganzen, was heute Morgen passiert ist, interessiert gelauscht und bin aber jetzt auch nicht wahnsinnig viel schlauer im Hinblick auf die Frage, was machen die beiden Teams, sag ich mal, das Team und Herr Merz dann eigentlich, wenn es auf sie zuläuft.
Friedrich Merz war lange raus aus dem aktiven Politikbetrieb, ich glaube, der würde sich erst mal sehr wundern und umschauen müssen, wenn er wieder voll drin ist. Er sagt, er will sich von dem Kurs von Angela Merkel absetzen – da würde ich vermuten, dass er die bis zu 10 Prozent, die er der AfD auf die Art und Weise abnehmen kann, an die Grünen und die SPD direkt wieder verliert. Es wäre also im Endeffekt nur eine Bewegung nach rechts, die die Union unter ihm vollziehen würde. Laschet und Spahn hängt natürlich irgendwie jetzt die Kette um den Hals, dass sie eigentlich den Merkel-Kurs weiterfahren ohne Merkel, und da hab ich jetzt, muss ich gestehen, bis jetzt auch noch keine inhaltliche Nuance dessen, was bisher CDU-Politik war, gehört.
Büüsker: Sie sehen also eine gewisse Beliebigkeit?
Koß: Beliebigkeit nicht. Ich finde Angela Merkel – gut, natürlich diese Strategie der asymmetrischen Demobilisierung, die hat oft darauf gesetzt, einfach den Gegner mehr stillzulegen als sich selbst, und darüber ist eine gewisser starker Drall zur Mitte bei der Union entstanden, aber das war jetzt nicht unbedingt beliebig. Deswegen würde ich auch nicht sagen, dass eine Fortsetzung dieses Kurses beliebig wäre, es wäre eben nur einer, der sich von dem konservativen – um mal so eine Merz-Floskel zu benutzen – Markenkern der Union natürlich ein Stück weit entfernen würde.
"Nur im Alter gibt es jetzt eine gewisse Varianz"
Büüsker: Wir sehen jetzt im Moment drei Männer aus Nordrhein-Westfalen, die sich für den CDU-Vorsitz bewerben, das ist jetzt nicht unbedingt Diversität, die da im Angebot ist. Entspricht ein solches Bild noch dem Anspruch als Volkspartei?
Koß: Tja, das ist eine sehr gute Frage. Es gibt ja noch die virtuelle Frau, wie ich auch gerade eben erst in Ihrem Beitrag gelernt habe, aber auch die wird natürlich dem Strauß an Möglichkeiten keine wahnsinnig große Blüte mehr hinzufügen. Deswegen, na ja, aus der Perspektive könnte man eben auch sagen, warum denn eigentlich zwei, wenn die eigentlich sich einander sehr ähnlich sind. Nur im Alter gibt es jetzt eine gewisse Varianz bei Laschet/Spahn, aber das könnte eher mehr Probleme schaffen als lösen.
Wenn eine Volkspartei einen Chef hat oder eine Chefin hat, ist das natürlich niemals diversitätsabbildend, da käme es dann aufs Team an. Ich denke, dass die Kandidaten das auf dem Schirm haben, dass sie da dann ihr Team entsprechend aufstellen müssten, aber was dann natürlich auch wieder – wenn ich den Satz noch sagen darf –, was es dann natürlich auch wieder erschwert, unterlegene Kandidaten direkt zu versöhnen, weil dann hat man eben gleich den dritten NRW-Mann wieder mit im Boot. Es ist wirklich ein Dilemma, vor dem die Union da steht.
"Es gibt ja noch zwei weitere Kandidaten"
Büüsker: Braucht eine konservative Partei denn überhaupt Diversität?
Koß: Das ist eine gute Frage. Sicherlich nicht in dem formalen Maße, wie das jetzt sich als sehr progressiv verstehende Partei wie die Grünen braucht. Die könnten von ihrer Doppelspitze, denke ich, nur im Fall einer ganz charismatischen Frau Abstand nehmen, die könnte es möglicherweise – reine Spekulation jetzt –, die könnte es möglicherweise allein machen.
In der Union ist eigentlich der klassische Wunsch immer erst mal, dass man jemanden vorne dran hat, der den Laden, das heißt bei der Union das Kanzleramt, dann auch führt. Deswegen steht Diversität dann doch an zweiter, dritter, vierter Stelle.
Büüsker: Rechnen Sie eigentlich damit, dass noch jemand seinen Hut in den Ring werfen wird?
Koß: Es gibt ja noch zwei weitere Kandidaten, deren Kandidaturen vorliegen, aber nach wie vor nicht genannt werden. Ich bin sehr gespannt, muss ich sagen, ob da jetzt noch jemand aus dem Busch kommt, ich denke, jedenfalls niemand mit echten Chancen. Das würde in der Partei einfach, so wie es bei Röttgen ja zum Teil schon ist, als Affront und Selbststilisierung empfunden werden, aber nicht als ernsthafter Versuch, die Union aus der Krise, die ja nun auch von Unionspolitikern als solche anerkannt wird, herauszuführen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.