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CDU-Politiker Amthor
"Nach Afghanistan abzuschieben, ist richtig"

Angriffe der Taliban auf staatliche Einrichtungen in Afghanistan dürften nicht darüber hinwegtäuschen, "dass in 60 Prozent des Landes durchaus vernünftige Zustände herrschen", sagte der CDU-Politiker Philipp Amthor im Dlf. Abschiebungen nach Afghanistan seien rechtmäßig und richtig.

Philipp Amthor im Gespräch mit Philipp May | 15.08.2018
    Amtho spricht im Bundestag
    CDU-Innenpolitiker Philipp Amthor hält Abschiebungen nach Afghanistan für richtig (imago / Christian Thiel)
    Philipp May: Vor einer halben Stunde haben wir unsere Afghanistan-Korrespondentin Silke Dietrich gehört. Sie schätzt die Sicherheitslage so ein, dass es eigentlich unverantwortlich ist, dahin derzeit abzuschieben. Und doch ist gestern wieder ein Flieger aus München mit 46 ausreisepflichtigen Afghanen nach Kabul gestartet, wo er mittlerweile auch angekommen ist. Darüber rede ich jetzt mit Philipp Amthor, CDU-Bundestagsabgeordneter und für die Union im Innenausschuss. Schönen guten Morgen!
    Philipp Amthor: Schönen guten Morgen!
    May: Herr Amthor, muss das sein mit den Abschiebungen?
    Amthor: Ja. Ein Rechtsstaat funktioniert so, dass er geltendes Recht auch umsetzt. Und wir haben hier eine Situation, dass auch gestern aus München mit einer Chartermaschine Migranten nach Afghanistan abgeschoben wurden, die hier kein Bleiberecht hatten. Das ist eine richtige Entscheidung so. Das ist quasi auch eine Frage des Rechtsstaats und eine Frage der Umsetzung geltenden Rechts. Und vor diesem Hintergrund finde ich es richtig, nach Afghanistan abzuschieben, auch wenn man natürlich über Detailprobleme dringend reden muss.
    "Vernünftige Zustände"
    May: Aber ein Rechtsstaat schiebt normalerweise nicht dahin ab, wo es unsicher ist und wo Gefahr für Leib und Leben droht.
    Amthor: Sehen Sie, was für mich oder für uns als Politiker und auch für die deutschen Gerichte bindend ist, ist die Sicherheitsbewertung, die etwa das Auswärtige Amt vornimmt. Das ist die Grundlage des Handelns der Bundesregierung und der Länder, die zu diesem Abschiebeflug zugeführt haben. Und die Lage in Afghanistan hat sich an vielen Stellen deutlich verbessert. Der überwiegende Teil des Landes ist in einem deutlich besseren Zustand. Dort hat die Regierung die Kontrolle. Sie schützt ihre Bürger dort, und das ist erst mal ein guter Punkt. Und hinzu kommt, wir sollten es auch vielleicht im europäischen Ausland mal umschauen. Italien, Frankreich, Dänemark, die Niederlande, viele andere Länder schieben auch nach Afghanistan ab, und es gibt sichere Bereiche in Afghanistan, und dorthin abzuschieben, ist richtig.
    May: Jetzt sagt unsere Korrespondentin, jetzt stellt sie das in Abrede, dass die Sicherheitslage sich dort verbessert hat. Sie sagt eher, dass sich die Sicherheitslage verschlechtert hat. Auch der Bericht des Auswärtigen Amtes ist ja nicht so eindeutig. Es gibt ja viele Bundesländer, die diesen Bericht noch prüfen und in Abrede stellen, was wirklich daraus hervorgeht, dass sich die Sicherheitslage verbessert hat.
    Amthor: Von vielen der Flüchtlinge, die mit diesem oder auch den vorangegangenen Charterflügen nach Afghanistan ausgeflogen wurden, die haben Rechtsschutz vor deutschen Gerichten gesucht. Und ihre Einzelfälle wurden von Gerichten geprüft, und die Abschiebungen wurden dort dann auch zugelassen. Und das heißt an der Stelle auch, dass man die individuelle Situation abgewogen hat und die Sicherheit für ausreichend gegeben gesehen hat. Und das ist für uns ein wichtiger Punkt. Wir sehen, und das ist natürlich vor dem Hintergrund der aktuellen Nachrichten problematisch, dass die Taliban immer wieder auch Konflikte führen, auch Angriffe auf staatliche Einrichtungen ausführen. Aber das darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass in 60 Prozent des Landes durchaus vernünftige Zustände herrschen.
    "Wir brauchen solche Abkommen mit vielen anderen Ländern"
    May: Sie haben gerade die europäischen Nachbarstaaten ins Spiel gebracht, alles EU-Länder, die auch nach Afghanistan abschieben. Liegt das möglicherweise einfach nur daran, dass es eben ein EU-Rückführungsabkommen gibt, im Gegensatz zum Beispiel zu den afrikanischen Staaten? So kann man zumindest den Menschen suggerieren, wir schieben ab.
    Amthor: Es geht nicht darum, das den Menschen zu suggerieren, sondern das ist auch tatsächlich eine wichtige Entwicklung. Dieses Abschiebeabkommen, dieses Rücknahmeabkommen ist ein wichtiger Punkt. Wir brauchen solche Abkommen mit vielen anderen Ländern auch. Das Thema Passersatzpapiere beschäftigt uns allerorten, es fällt nicht leicht, Ausländer, die hier kein Bleiberecht haben, in ihre Heimat zurückzuschicken. Afghanistan kommt uns da sehr entgegen, indem man sich dort kooperativ mit den Behörden verhält. Das ist auch ein guter Punkt. Das braucht man.
    May: Aber vielleicht schieben wir deswegen so viel nach Afghanistan ab, also quasi sozusagen ins falsche Land?
    Amthor: So viele Abschiebungen nach Afghanistan ist natürlich eine Aussage, die mit den Zahlen auch nicht ganz übereinkommt. Wir haben natürlich Tausende Flüchtlinge aus Afghanistan, davon auch viele anerkannt, aber wir haben auch noch viele, die vollziehbar ausreisepflichtig sind, aus Afghanistan in Deutschland, und es gibt nur wenige Länder, die da auch recht konsequent umsetzen. Dazu gehören Bayern, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen. Und ich habe mich im Übrigen auch gefreut, dass Brandenburg jetzt dazu übergeht, selbst eine rot-rote Regierung hat dann gestern auch Flüchtlinge oder Migranten eben zugeführt zu diesem Abschiebeflug. Also, wir schieben natürlich deswegen prozentual mehr nach Afghanistan ab, weil wir rein tatsächlich viele Asylbegehren aus Afghanistan haben, die aber in vielen Fällen eben rechtsgrundlos sind.
    May: Wo Sie es gerade ansprechen, Bayern, gerade dort werden ja tatsächlich so gut wie alle Ausreisepflichtigen abgeschoben, unabhängig davon, ob sie gut integriert sind oder nicht. Ist das richtig?
    Amthor: Das ist unter dem Gesichtspunkt des Rechtsstaats zunächst richtig, weil das deutsche Ausländerrecht eben als Voraussetzung für den Aufenthalt nicht die Frage hat, wie gut man integriert ist. Und deswegen ist es erst mal die Umsetzung geltenden Ausländerrechts, was die bayerische Staatsregierung macht. Aber ein Punkt, das will ich zugestehen, ist natürlich richtig: Wir müssen uns fragen, wie gehen wir eigentlich mit denjenigen Migranten um, die vielleicht trotzdem unseren Staat auch bereichern können, sagen wir etwa, Pflegekräfte oder andere oder diejenigen, die sich in ihrer Ausbildung befinden, um dieses Problem zu lösen, arbeitet das Innenministerium mit Hochdruck ja an einem neuen Fachkräftezuwanderungsgesetz, mit dem wir auch ein neues Instrumentarium schaffen wollen, um eben auch Zuwanderung in Beschäftigung zu ermöglichen. Bis dahin bin ich aber sehr dafür, dass wir die geltende Rechtslage umsetzen.
    "Auch in unbequemen Situationen Recht durchsetzen"
    May: Das heißt, Pro Asyl beziehungsweise Flüchtlingsorganisationen sagen, dass auch gestern im Flieger wieder Menschen waren, junge Menschen, die eigentlich eine Lehrstelle hatten – das ist richtig?
    Amthor: Wichtig ist, dass das geltendem Recht entspricht und für die Bewertung einer Sicherheitslage, gilt für mich eher die offizielle Bewertung des Auswärtigen Amtes und nicht die Bewertung von irgendwelchen Flüchtlingsinitiativen Und das gilt auch mit Blick auf die Beschäftigungssituation.
    May: Jetzt fordern aber sogar Unternehmensverbände wie der Industrie- und Handelskammerverband mehr Schutz eben vor Abschiebung gerade für diejenigen Migranten, deren Asylantrag zwar abgelehnt worden ist, die sich aber hier eben integriert haben.
    Amthor: Ja, die Frage ist – deswegen verwies ich schon auf das Fachkräftezuwanderungsgesetz, das wir erarbeiten. Wir haben dort natürlich auch politisch noch die Frage zu klären, ob wir einen sogenannten Spurwechsel ermöglichen wollen, also ob man im Prinzip, wenn man über Asyl in das Land oder über versuchtes Asyl in das Land gekommen ist, dann auf eine Zuwanderung umstellen soll oder umstellen kann. Das ist eine Frage, bei der ich durchaus skeptisch bin. Ich persönlich bin dafür, dass wir jetzt für neue Fälle dann entsprechende Regelungen finden oder so für die klaren Fälle, wo jetzt schon eine Integration stattgefunden hat, vielleicht Übergangsregelungen finden. Das hat Minister Herrmann ja gestern auch angesprochen. Er sagte, etwa für diejenigen, die im Pflegebereich helfen können, kann man vielleicht Lösungen finden. Das ist sinnvoll, darüber zu diskutieren, das sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir einfach regelmäßig davon absehen, geltendes Ausländerrecht durchzusetzen. Das sollten wir einfach tun. Viele der Afghanen sind vollziehbar ausreisepflichtig, und die sollten in ihre Heimat zurückkehren.
    May: Aber Herr Amthor, wenn selbst die Unternehmerverbände, die ja der Union tendenziell eher wohlgesonnen sind, wenn selbst die mehr Schutz vor Abschiebung fordern für Migranten, die zum Beispiel eine Lehrstelle gefunden haben, rächt es sich dann nicht, dass sich die Union jahrelang gegen ein Einwanderungsgesetz gesperrt hat?
    Amthor: Die Frage ist immer, über was für ein Einwanderungsgesetz wir reden. Wir haben es jetzt im Koalitionsvertrag vereinbart, und wichtig ist für mich auch, wir haben nicht das Problem von zu geringer Einwanderung, sondern wir haben das Problem von zu wenig Fachkräften. Deswegen setzen wir jetzt auch auf ein Fachkräftezuwanderungsgesetz, denn was wir nicht haben dürfen, ist eine Zuwanderung in soziale Sicherungssysteme über ein solches Instrument, weil nur, weil jemand eine Lehrstelle hat und dann vielleicht trotzdem in den sozialen Sicherungssystemen landet, das ist dann noch kein Grund, deswegen geltendes Ausländerrecht nicht durchzusetzen. Aber wir nehmen diesen Ruf der deutschen Wirtschaft ja auch sehr ernst, arbeiten deswegen an einer Neuregelung. Aber mir ist auch wichtig, dass nicht immer nur in einen Topf zu werfen, sondern es gibt auch viele Unternehmens- und Verbandsvertreter, die eben auch sagen, ja, es gibt eben zusätzlich zu dieser Integrationsfrage auch noch ein Ausländerrecht, das anzuwenden ist, und ich persönlich sage, der Rechtsstaat muss auch in unbequemen Situationen sein Recht durchsetzen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.