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CDU-Politiker: Rechtsextremismus kein ostdeutsches Problem

Der sächsische CDU-Politiker Heinz Eggert hat nach dem ausländerfeindlichen

Moderation: Dirk Müller | 22.08.2007
    Übergriff von Mügeln mehr Zivilcourage gegen Rechtsextremismus gefordert. Die Politik werde ohne einen breiten Schulterschluss mit der Bevölkerung keinen Erfolg im Kampf gegen Rechts haben, sagte Eggert. Der CDU-Politiker wehrte sich unterdessen gegen die Vorstellung, Rechtsextremismus sei ein generelles Problem in Ostdeutschland.

    Dirk Müller: Seit der Wiedervereinigung kümmert sich um das Problem Rechte Gewalt auch der sächsische CDU-Politiker Heinz Eggert, lange Zeit Innenminister im Freistaat. Guten Morgen.

    Heinz Eggert: Guten Morgen.

    Müller: Herr Eggert, haben die Sachsen Probleme mit Ausländern?

    Eggert: Ich glaube, sie haben keine großen Probleme mit Ausländern. Sie müssen davon ausgehen, dass gerade in Sachsen sehr viele Ausländer investiert haben - sie würden sich also selbst ihre eigenen Arbeitsplätze vernichten - und dass sie ein großes Land des Reisens sind, dass also sehr viele Touristen nach Sachsen kommen.

    Müller: Meinen Sie jetzt mit Ausländern Engländer oder Afrikaner?

    Eggert: Ich meine alle, die wir als Ausländer bezeichnen. Ich selber wohne im Dreiländereck zwischen Polen und Tschechien, die rechne ich mit ein. Wenn ich eine halbe Stunde gehe, bin ich selber Ausländer.

    Müller: Demnach, Herr Eggert, hat Sachsen kein spezifisches Ausländerproblem.

    Eggert: Ich glaube nicht, dass Sachsen ein spezifisches Ausländerproblem hat, trotz solcher Vorgänge, wie sie sich jetzt gerade ereignet haben.

    Müller: Wie erklären Sie sich das denn?

    Eggert: Das ist sehr schwierig zu erklären. Erstens wundere ich mich darüber, dass darüber gestritten wird, ob das ein fremdenfeindlicher Akt war. Denn ein fremdenfreundlicher Akt ist es wohl kaum, wenn acht Inder durch die Stadt getrieben werden. Das andere ist, dass, und das ist auch meine Erfahrung, wenn solche Dinge sich um Mitternacht ereignen auf Volksfesten, Alkohol und Volksfeste immer ihre eigene Dramaturgie haben. Aber das sage ich gleich, das soll nichts verschönern, soll nichts verschweigen, auch nichts klein reden. Es gibt hier sehr unterschiedliche Darstellungen. Und jetzt muss man einfach genau darauf achten, was die Polizei ermittelt.

    Müller: Es könnte also Zufall sein.

    Eggert: Sofern es Zufall ist, dass man auf Volksfesten immer wieder in Schlägereien verwickelt wird, ja. Aber es ist nicht nur Zufall, sondern es kommen wie immer in so aufgelösten Situationen dann auch die ganzen vorhandenen Vorurteile mit nach oben, die dann diese Dinge verschärfen und zu solcher Situation führen, so dass man dann schon genau darüber nachdenken muss, welcher Geisteshaltung und Geistesart eigentlich die Leute insgesamt sind, die an solchen Schlägereien beteiligt sind.

    Müller: Welche Geisteshaltung ist das? Sie haben viel Erfahrung damit.

    Eggert: Also das ist einmal die Geisteshaltung, wie gesagt, eine sehr alkoholisierte, auf der anderen Seite mit der sehr viel Vorurteilen behaftet. Da kommen, das ist jetzt der Anfang Ihrer Frage, auch Vorurteile gegen Leute, die anders aussehen, die anders sprechen, die anders sind, also gegen Ausländer.

    Müller: Sind Ausländer aus deren Sicht gefährlich?

    Eggert: Ja und Nein. Alles Fremde ist gefährlich. Und deswegen frage ich immer sehr genau nach, auch gerade in Kleinstädten, wie weit man eigentlich Erfahrung gesammelt hat mit Menschen, die aus dem Ausland gekommen sind als Nachbarn, mit den Kindern über Schulen, wie weit eigentlich dieses Feld gestreut ist, um spätere Vorurteile, die auch zum schnellen Schlagen verleiten, an der Stelle dann gar nicht erst aufkommen zu lassen.

    Müller: Sind Ausländer gefährlich aus deren Sicht, weil Sie gegebenenfalls auch Arbeitsplätze streitig machen?

    Eggert: Das ist immerhin eine These, mit der die NPD in Sachsen, glaube ich, fünf oder sieben Prozent bekommt in den Umfragen. Und das ist auch gleichzeitig das Arbeitsfeld nicht nur der demokratischen Parteien, sondern im Grunde der breiten Öffentlichkeit, auch der Bürger vor Ort, diesen sehr, sehr dummen Satz den Leuten zu erklären. Wenn sie alle ausländischen Investoren in Sachsen abziehen, kann man ja mal die Arbeitslosenquote errechnen, um den Leuten klar zu machen, was das bedeutet, wenn wir sagen, Ausländer raus für Sachsen. Das bedeutet nämlich den Verlust von ein paar Hunderttausend Arbeitsplätze.

    Müller: Herr Eggert, erweitern wir ein wenig diesen Betrachtungshorizont. Sie sagen, kein spezifisches ausländerfeindliches Problem in Sachsen. Gibt es dieses ausländerfeindliche Problem in Ostdeutschland?

    Eggert: Ich glaube, sie haben diese gleichen Konflikte in ganz Deutschland. Sie haben sie aber in Ostdeutschland an der Stelle ein Stück näher, weil die Verunsicherung in Bezug auf die eigenen Lebensverhältnisse stärker ist. Jetzt kann man sagen, das ist eine allgemeine Erfahrung. Aber ich denke, das ist eine Erfahrung, die man nicht tolerieren darf und gegen die man etwas tun muss, dass man in Zeiten, in denen man mit sich selber beschäftigt ist, in denen man selber mit sich zu tun hat, die Toleranz nicht besonders groß ist und dann oftmals an jenen ausgelassen wird, von denen man glaubt, die sind eigentlich schwach, hinter denen steht nicht die Allgemeinheit, an denen kann man sich vergehen.

    Müller: Herr Eggert, wenn wir das richtig zusammen getragen haben, dann gibt es rechtsradikale, rechtsextreme, rechte Politiker in drei Landesparlamenten in Ostdeutschland. Haben Sie die Befürchtung oder das Gefühl, wie viele im Westen sagen, dass die Ostdeutschen nicht redlich, nicht offen genug mit diesem Thema umgehen?

    Eggert: Sie gehen schon redlich mit diesem Thema um. Ich meine, ich selber habe als Innenminister sehr stark darauf gedrängt, dass wir etwas gegen Rechtsextreme und gegen rechtsextremistische Täter unternehmen. Aber die Verhältnisse sind im Osten vom Arbeitsmarkt her, von den Lebensumständen her unsicherer. Und noch einmal, dort, wo alles unsicherer ist, ist die Toleranz nicht so stark wie dort, wo die Dinge insgesamt gefestigter gesehen und erlebt werden.

    Müller: Könnte man polemisch zuspitzen, das liegt so ein wenig in der Natur der Sache?

    Eggert: Das liegt nicht in der Natur der Sache, das liegt in der Natur des Menschen. Aber genau diese Dinge, die in der Natur des Menschen liegen, darf man einfach nicht hochkommen lassen. Und jetzt sage ich auch noch eins, bei allem, was wir jetzt besprechen und was man erklären kann und auch noch weiter erklären kann: Es darf auf gar keinen Fall als Entschuldigung genommen werden. Es ist ganz eindeutig, wer sich an anderen Menschen vergreift, wer andere erniedrigt, wer von anderen nichts hält, weil sie eine andere Hautfarbe haben oder weil sie aus dem Ausland kommen, der ist ein Fall für den Staatsanwalt oder für die Polizei.

    Müller: Tut, Herr Eggert, die Politik in den neuen Ländern genug gegen Rechts?

    Eggert: Ich bin mir gar nicht sicher, ob die Politik so wahnsinnig viel tun kann. Es werden Programme verabschiedet, es werden Millionen ausgegeben, auch hier in Sachsen ist das Programm gegen Rechts erweitert worden, einfach finanziell. Manchmal habe ich den Eindruck, dass wir so diese alte bundesrepublikanische Besänftigungsschiene fahren nach der Devise, wir legen Programme auf, irgendwann wird das Problem dann erledigt sein. Und irgendwann stellen wir dann fest, das Geld ist weg, die Programme sind ausgelaufen und die Probleme sind noch da. Wir bekommen ohne einen breiten Schulterschluss mit der Bevölkerung, ohne mit allen Clubs, Sportclubs, auch mit Altenclubs, mit diesen Leuten zu sprechen, wenn wir die nicht erreichen und mit ihnen insgesamt diese Terminologie und gleichzeitig die Auswirkungen nicht besprechen, so lange werden wir keinen Erfolg haben. Wenn die Zivilcourage der Bürger einschläft, also wenn Leute zugucken, wenn andere geschlagen werden oder durch die Stadt gejagt werden, da können sie noch so viele Programme auflegen, sie werden letztlich wirkungslos sein.