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CDU-Politiker tritt auf die Schuldenbremse

Angesichts der geplanten Ausgaben der Bundesregierung für ein zweites Konjunkturpaket, mahnt der Vorsitzende der Jungen Union, Philipp Mißfelder, zu Sparsamkeit. Wenn es wieder aufwärts gehe, müssten sich die Steuerzahler an der Tilgung der Kosten beteiligen. "Deshalb bin ich für die Schuldenbremse und auch für konkrete Rückzahlungsvereinbarungen", so Mißfelder.

Philipp Mißfelder im Gespräch mit Jürgen Liminski | 12.01.2009
    Jürgen Liminski: Verscherbelt die Union in der Krise die Zukunft, oder zumindest die finanzielle Zukunft künftiger Generationen? Gerät der Haushalt aus den Fugen? Brauchen wir eine Schuldenbremse im Grundgesetz? Zu diesen Fragen begrüße ich den Vorsitzenden der Jungen Union und Präsidiumsmitglied der CDU, Philipp Mißfelder. Guten Morgen, Herr Mißfelder.

    Philipp Mißfelder: Guten Morgen, Herr Liminski.

    Liminski: Herr Mißfelder, Banken, Firmen, alle, die mühselig und beladen daherkommen, werden erquickt. Ist das die Finanzpolitik der Christdemokraten?

    Mißfelder: Es ist so, dass wir sicherlich jetzt in dieser Zeit, in Zeiten der Krise, andere Schritte gehen, als das in Zeiten des Aufschwungs oder auch in normalen Zeiten der Fall gewesen ist. Und deshalb sind diese Maßnahmen alle sehr, sehr schwierig und ordnungspolitisch auch schwer zu begründen, aber sie sind notwendig, um nicht ein Zusammenbrechen der Realwirtschaft in Deutschland doch zu verstärken.

    Deshalb ist es notwendig, diese Dinge zu tun. Selbst wenn ich mit vielen Einzelmaßnahmen nicht in Gänze übereinstimme, halte ich trotzdem das Konjunkturprogramm insgesamt für richtig.

    Liminski: Vor wenigen Monaten noch wehrte sich die Kanzlerin gegen eine Politik der Milliarden für Jedermann. Das hörte sich so an:

    "Bei aller Dringlichkeit, die besteht, werden wir in Deutschland den Wettlauf um Milliarden, einfach nur um den Eindruck zu erwecken, man hätte etwas getan, nicht mitmachen."

    Liminski: Nun gibt es Schutzschirme für Banken. Heute Abend soll einer aufgespannt werden für notleidende Firmen. Es wird einen Nachtragshaushalt geben. Die Verschuldung steigt über jedes Maastrichtkriterium, und zwar schon dieses Jahr. Wer soll das bezahlen?

    Mißfelder: Aus meiner Sicht soll das nicht nur die junge Generation bezahlen, denn die Bundeskanzlerin hat ja zurecht vor einigen Wochen noch gesagt, dass wir nicht rücksichtslos Politik machen dürfen auf Kosten künftiger Generationen, sondern ich bin dafür, dass dann, wenn es wieder aufwärts geht, auch der Steuerzahler sich an der Tilgung dieser Kosten beteiligt.

    Das ist zwar eine unangenehme Forderung, aber ich sehe nicht ein, dass die Hauptlast der Bewältigung der Krise zukünftige Generationen lösen sollen. Deshalb bin ich für die Schuldenbremse und auch für konkrete Rückzahlungsvereinbarungen, wann und wie die Schulden, die jetzt aufgenommen werden, zurückgezahlt werden sollen.

    Liminski: Konkrete Vereinbarung, Schuldenrückzahlung, das riecht nach Steuererhöhung.

    Mißfelder: Ich glaube, dass das eher den Schritt einer grundsätzlichen Steuersenkung oder einer Steuerstrukturreform in weitere Ferne schiebt, denn das, was wir jetzt an zusätzlicher Belastung für ein Jahr aufnehmen, ist natürlich etwas, was uns beim Entlastungsvolumen in ein paar Jahren fehlen wird.

    Deshalb braucht man nicht zu optimistisch sein, dass eine Steuerstrukturreform in Kürze kommen würde. Ich hielte das zwar für sinnvoll, aber es muss finanzierbar sein und auch gegenfinanziert sein und deshalb glaube ich, dass durch diese Krise grundsätzliche Steuersenkungen, also weitere Steuersenkungen schwieriger werden und eine Steuerstrukturreform noch in weitere Ferne verschoben werden wird.

    Liminski: Aber Steuererhöhungen schließen Sie aus?

    Mißfelder: Momentan schließe ich überhaupt nichts aus. Nachher wird natürlich der Eindruck erweckt, nach dem Interview, ich hätte die Diskussion um Steuererhöhungen angestoßen. Das ist nicht der Fall. Die SPD will die Steuern erhöhen, wir wollen das nicht. Wir wollen gerade auch die Facharbeiter in Deutschland entlasten und die mittleren Einkommen entlasten. Das machen wir, indem wir die kalte Progression bekämpfen.

    Aber ich sage für die Zukunft, dass es nicht kurzfristig zu einer grundsätzlichen Entlastung auch breiter Bevölkerungsschichten kommen kann, wenn wir die Handlungsfähigkeit des Staates in den nächsten Jahren erhalten wollen. Und deshalb wird das Projekt einer grundsätzlichen Steuerreform mittelfristig erst stattfinden können und nicht, wie wir es vielleicht gerne gehabt hätten, nach der Bundestagswahl direkt mit der FDP zusammen.

    Liminski: Noch einmal nach der Unionsprognose für das Jahr 2010. Droht die Neuverschuldung von Bund, Ländern und Gemeinden bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt auf einen neuen Negativrekord von bis zu 4,5 Prozent zu steigen. Wie kommen wir da wieder runter auf die drei Prozent? Leben wir heute nicht doch auf Kosten künftiger Generationen?

    Mißfelder: Ja, das kann man wirklich sagen, dass wir auf Kosten künftiger Generationen leben. Die Entscheidung, die der Deutsche Bundestag heute trifft, die Entscheidung, die vergangene Bundestage getroffen haben, ist natürlich immer etwas gewesen, wo Schuldenpolitik ein legitimes Mittel von Politikgestaltung auch gewesen ist. Und das ist schon von Willy Brandt falsch gemacht worden, aber auch schon durch die erste Große Koalition von '66 bis '69, und in der Folge selbst von brillanten Weltökonomen, wie etwa Helmut Schmidt, ist das auch forciert worden.

    Erst in der Regierungszeit von Helmut Kohl wurde das abgebaut von Gerhard Stoltenberg und nach der deutschen Einheit vollkommen vergessen, dass Verschuldung eigentlich etwas Unmoralisches ist. Deshalb finde ich die Diskussion auch im CDU-Präsidium und auch im CDU-Bundesvorstand sehr positiv, dass in Zeiten dieser schweren Krise zum ersten Mal im Grunde alle eingestehen, dass das rücksichtslos ist, was wir machen, im Blick auf zukünftige Generationen, und deshalb eine breite Zustimmung vorhanden ist für eine Schuldenbremse, auch ins Grundgesetz zu nehmen, die wir ja vor ein paar Wochen gar nicht für möglich gehalten hätten. Da hätten wir uns in der Union auf diese Position nicht verständigen können.

    Liminski: Die Schuldenbremse soll nun in die Verfassung, aber erst in der nächsten Legislaturperiode. Ist das nicht ein frommer Wunsch, denn dafür braucht man doch Zwei-Drittel-Mehrheiten? Warum soll es nicht schon jetzt beschlossen oder darüber abgestimmt werden?

    Mißfelder: Ich fordere, dass wir jetzt darüber abstimmen. Das ist ja auch der Anspruch der Union, dass wir jetzt in der Großen Koalition das auf den Weg bringen, die große Mehrheit der Großen Koalition dafür auch nutzen. Und dann bin ich dafür, dass wir es auch konsequent, wenn es der Wirtschaft wieder besser geht, auch anwenden.

    Das bedeutet eben, dass man dann zu einer konsequenten Kritik der Ausgaben kommen muss und sich auch fragen muss, wofür ist der Staat dann eigentlich zuständig. Muss der Sozialstaat solch einen großen Umfang haben? Müssen wir denn nicht schnell auch wieder anfangen, diese Schulden zurückzuzahlen?

    Und das ist eben das, was die Schuldenbremse ausmacht, dass man über den Konjunkturzyklus hinweg dann versucht, die Neuverschuldung bei null zu halten, und dann auch noch weitere Schritt ergreift - das geht über die Schuldenbremse hinaus - zum Schuldenabbau, weil auf Dauer kann das nicht richtig sein, dass wir einen Schuldenstaat haben, der immer weiter ausufert.

    Liminski: Konsolidierung des Haushalts. Wer soll sie betreiben? Bis jetzt hat sich nur Oettinger deutlich für diese Priorität ausgesprochen. Sie sagen, Steuererhöhungen schließen Sie nicht aus, aber jetzt soll man im Moment nicht daran denken. Das heißt doch im Umkehrschluss, dann wenigstens sparen.

    Mißfelder: Es ist momentan etwas grotesk, in der Phase, wo wir die Verschuldung des Haushaltes besonders hochtreiben, von ernsthaft erkennbarem Sparwillen zu sprechen, und auch vor dem Hintergrund der Arbeit der Großen Koalition in den letzten vier Jahren muss man ja sagen, dass wir mit den Mehreinnahmen verantwortungsbewusst umgegangen sind, aber dass natürlich an vielen Stellen Herr Steinbrück überhaupt nicht gespart hat.

    Herr Steinbrück hat ja ein Sparer-Image, aber das ist ja vollkommen ungerechtfertigt. Es ist ja mit den Mehreinnahmen einfach nur etwas verantwortungsbewusster umgegangen worden. Das ist zunächst einmal gut. Es hätte ja auch anders kommen können bei anderen Sozialdemokraten. Aber es ist natürlich etwas, wo wir weit davon entfernt sind, wirklich grundsätzlich darüber zu reden, wofür soll der Staat in zehn oder 20 Jahren überhaupt noch zuständig sein und was muss dann zum Beispiel viel mehr auch in die private Verantwortung übergeben werden.

    Diese Diskussion wird meine Generation, also die Leute, die um 1980 herum geboren worden sind, sicherlich noch viel, viel stärker beschäftigen, als das die jetzige Politikergeneration tut.

    Liminski: Im Moment überwiegen die Wünsche, vor allen Dingen heute Abend. Lautet die Arbeitsteilung bei der Koalitionsrunde, die Union für die Firmen, die SPD für die Familien, aber alle sollen sich an den Fleischtöpfen des Bundes laben?

    Mißfelder: Na ja, es wirkt schon so etwas, als sei der Bund momentan der letzte Anker, der in der Lage wäre, diese Krise zu bewältigen. Ich bin dafür, dass auch Kommunen und Länder sich stark daran beteiligen. Das kann ganz einfach dadurch geschehen - das ist ja auch der Kern des Konjunkturprogramms -, dass wir Dinge, die sowieso schon geplant gewesen sind - Beispiel Ausbau der Kinderbetreuung, Beispiel Schulbau, Hochschulbau, Investitionen in Bildung und Infrastruktur -, dass das einfach vorgezogen wird.

    Insofern ist das im Kern eine sinnvolle Maßnahme. Nur ich fordere, dass sich eben auch alle daran beteiligen. Und - das ist auch wichtig: Der private Konsument muss sich daran beteiligen und sich nicht verschrecken lassen durch schwierige Nachrichten. Gleichzeitig gehört natürlich dazu, dass die Firmen, die auch handeln können - und da gibt es eine ganz schöne Menge von, die tatsächlich investieren könnten -, das auch tun, denn der Staat bietet ja nur den Anstoß in diesem Konjunkturprogramm.

    Die Wirtschaft muss den Rest schaffen und auch insbesondere diejenigen, die die Krise verursacht haben, also die Banken, müssen wesentlich verantwortungsbewusster an die Sache herangehen und dürfen nicht mit einer sich abzeichnenden Kreditklemme die Krise noch verschärfen.

    Liminski: Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Andreas Pinkwart hat die Unionspläne, Firmen über einen Deutschlandfonds zur Not auch zu verstaatlichen, massiv kritisiert. Der Generalsekretär der FDP, Dirk Niebel, hält nicht viel davon. Er plädiert für einen effektiveren Bankenschirm, wie er heute Morgen auf diesem Sender sagte, und zwar mit diesen Worten:

    "Jetzt sollte allerdings nicht der Staat versuchen, die Kreditfinanzierung zu ersetzen für die Wirtschaftsbetriebe, sondern er sollte seinen Bankenschutzschirm verändern. Ich glaube, es ist richtig, dass alle Banken nach dem britischen Modell sich verpflichtend beteiligen sollten, und das wäre der richtige Weg. Aber hier will die Bundesregierung offenkundig nicht springen."

    Liminski: Wem stimmen Sie zu, Herr Mißfelder, Niebel oder Pinkwart?

    Mißfelder: Keinem von beiden. Ich schätze beide Kollegen der FDP sehr, wie mir ohnehin viele FDP-Politiker sehr sympathisch sind. Trotzdem ist es so, dass ich mich der Meinung unseres Präsidiums anschließe, denn eine Kreditklemme zeichnet sich ab und ich sehe überhaupt nicht ein, dass im Kern gesunde Unternehmen - und das betrifft vor allem große mittelständische Firmen - durch diese Wirtschaftskrise in schwierige Situationen kommen, gar keine Kredite für große Projekte bekommen und sich diese Krise auch noch verschärft.

    Wir haben am Wochenende auf unserer Klausurtagung in Erfurt ja auch beraten, wie ein solcher Deutschlandfonds, den Jürgen Rüttgers ja dankenswerterweise ins Gespräch gebracht hat, aussehen könnte. Dazu gehört sicherlich auch die Frage, ob man unter Wahrung des Hausbankprinzips es hinbekommt, dass die KfW oder dann der Fonds, der von der KfW dann zusätzlich verwaltet werden würde, sich im Notfall beteiligt, aber zunächst einmal ist ja der Schritt nicht die Staatsbeteiligung, sondern vor allem Bürgschaften. Da müssen wir schnell und auch konstruktiv handeln, weil es kann nicht sein, dass das dann sechs Monate dauert bei einer Bürgschaft, sondern da muss man innerhalb von wenigen Tagen die Absicherung schaffen. Sonst sind große renommierte Unternehmen, aber auch kleine aktive Mittelständler am Markt gefährdet und das dürfen wir nicht zulassen, dass der Kern der deutschen Wirtschaft, das Rückgrat der deutschen Wirtschaft in Gefahr gerät.

    Liminski: Wichtig ist die Schuldenbremse. Das war der Vorsitzende der Jungen Union und Mitglied im Präsidium der CDU, Philipp Mißfelder. Besten Dank für das Gespräch, Herr Mißfelder.

    Mißfelder: Vielen Dank!