Archiv


CDU-Politiker will Vorrang für tarifliche Regelungen

Mit Blick auf die Entscheidung des Berliner Verwaltungsgerichts gegen den Postmindestlohn hat der stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende Michael Meister mehr Sorgfalt in der Gesetzgebung verlangt. Der CDU-Politiker sagte, Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD) habe bestehende Tarifverträge nicht hinreichend geprüft, bevor er den Mindestlohn für die Postbranche für allgemein verbindlich erklärt habe. Zudem betonte Meister den Vorrang für tarifliche Regelungen vor einem Mindestlohn.

Moderation: Silvia Engels |
    Silvia Engels: Ein alter Streit gewinnt wieder neuen Schwung. Monatelang hatten sich ja Union und SPD über die Einführung von Mindestlöhnen gestritten. Am Ende stand ein Kompromiss. Der Kompromiss, es Branchen unter bestimmten Bedingungen zu ermöglichen, über den Weg des Entsendegesetzes tariforientierte Mindestlöhne zu beantragen. So kam auch der umstrittene Postmindestlohn zustande. Doch nachdem vergangene Woche das Berliner Verwaltungsgericht gegen diesen Postmindestlohn entschieden hat, ist der alte Streit wieder da. Arbeitsminister Scholz hat Berufung gegen das Urteil eingelegt, die Union scheint sich dagegen nicht so ganz einig zu sein, wie sie mit dem Urteilsspruch umgehen will. Am Telefon ist nun Michael Meister. Er ist stellvertretender Fraktionschef der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und dort zuständig für Wirtschafts- und Finanzfragen. Guten Morgen, Herr Meister!

    Michael Meister: Guten Morgen!

    Engels: CDU-Generalsekretär Pofalla und die CDU-Spitze haben sich ja hinter das Vorgehen von Arbeitsminister Scholz in diesem Rechtsstreit gestellt. CSU-Landesgruppenchef Ramsauer sagte dagegen gestern auch mit Blick auf das Urteil, die weiteren Mindestlohnpläne von Scholz seien vorerst gestoppt. Was ist denn da nun los bei Ihnen?

    Meister: Ja gut, wir müssen zunächst mal zur Kenntnis nehmen, dass offenkundig der Bundesarbeitsminister beide Verordnungen, bestehende Tarifverträge, in diesem Fall den Tarifvertrag des neuen Arbeitgeberverbandes, nicht hinreichend geprüft hat, bevor er den Mindestlohn dort im Postsektor für allgemeinverbindlich erklärt hat. Insofern ist da nicht ganz ordentlich gearbeitet worden. Das ist von Gerichtsseite angemahnt worden. Ich glaub, der Gesetzgeber ist allerdings bei seiner Arbeit gut beraten, wenn er seine eigenen Arbeit als erste Gewalt tut und sich nicht zu sehr auf die dritte Gewalt abstützt. Das heißt, nach meiner Einschätzung wäre es gut, wenn man die Tarifhoheit in den Vordergrund stellt. Und dies würde bedeuten, dass die Arbeitgeberverbände im Postsektor insgesamt und die Arbeitnehmerverbände im Postsektor insgesamt sich zusammenfinden zu einer einheitlichen Tariflandschaft.

    Engels: Verstehe ich Sie richtig, Sie sind auch dafür, dass Arbeitsminister Scholz erst einmal Pläne auf Eis legt und hier im Bereich Mindestlohn nicht weiterarbeitet?

    Meister: Ich glaub, im Postsektor haben wir eine spezielle Situation, weil sich im Postgesetz selbst ja möglicherweise Regelungen für die Vergütung von Mitarbeitern ergeben. Insofern unterscheidet sich dieser Bereich etwas von allen anderen Branchen, die wir diskutieren. Aber ich glaube, es muss besser gearbeitet werden, und es muss insbesondere das Thema Vorrang für die tariflichen Regelungen mehr Beachtung finden.

    Engels: Aber Herr Pofalla, der Generalsekretär Ihrer Partei hat gesagt, es gebe durchaus andere Meinungen anderer Gerichte, und deshalb wolle man sich dem Vorgehen von Scholz, da Berufung gegen diesen Spruch in Berlin einzulegen, anschließen. Da sind Sie anderer Meinung?

    Meister: Ich glaube, dass es für die Politik gut ist, wenn wir uns nicht in die dritte Gewalt einmischen, sondern das mit aller Ruhe und Gelassenheit abwarten. Was unsere Aufgabe ist, ist korrekte Gesetzgebung zu betreiben. Und an dieser Stelle sehe ich Herrn Scholz aufgefordert, drauf zu achten, dass er auch sozusagen dem Bereich von Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretung mehr Respekt entgegenbringt, der jetzt nicht den Tarifvertrag eingereicht hat. Ich glaube, wir müssen drauf achten, dass wir die Tarifvertragsparteien insgesamt animieren, mehr eigenständig eine Tariflandschaft zu entwickeln und nicht auf den Gesetzgeber zu setzen, und zum Zweiten, dort, wo Tarifverträge bestehen, diese auch zu respektieren und nicht zu glauben, dass man sie über Entsendegesetz oder Mindestarbeitsbedingungsgesetz überdecken kann.

    Engels: Aber auch Ihr Parteifreund, der Vorsitzende der Unionsarbeitnehmergruppe Gerald Weiß sieht keinen Korrekturbedarf bei Olaf Scholz in der "Frankfurter Rundschau", sagt er heute, mit Blick auf mögliche Mindestlöhne in der Zeitarbeitsbranche solle die Gesetzgebungsarbeit normal weiterlaufen. Ist das ein Streit zwischen dem Wirtschafts- und dem Arbeitnehmerflügel der Union?

    Meister: Ich sehe persönlich im Bereich der Zeitarbeit keinen Bedarf, dass da der Gesetzgeber Maßnahmen ergreift. Wir haben dort eine relativ hohe Tarifbindung. Wir haben zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch nicht die Situation, die ja das Entsendegesetz eigentlich zugrunde legt, dass wir aus Drittländern hier sozusagen Zeitarbeit importiert bekommen. Und wir müssen sehen, dass wir in Deutschland eine relativ starre Kündigungsschutzregelung haben und sozusagen die Zeitarbeit das Element ist, was den Arbeitgebern gerade im Konjunkturaufschwung Flexibilität gibt. Wir haben in der Anfangsphase des jetzigen Konjunkturaufschwungs etwa 600.000 Arbeitsplätze über die Zeitarbeitsbranche im ersten Jahr gewonnen. Das hat sich dann im zweiten und dritten Jahr deutlich in Regelarbeitsverhältnisse umgewandelt. Insofern ist es ein sehr flexibles Element, was wir dringend brauchen, um zu mehr Beschäftigung in Deutschland zu kommen. Wir sollten aufhören, dort mehr Starrheit einzuführen. Und ich sehe gegenwärtig keinen Bedarf, dass wir im Sektor der Zeitarbeit hier mit gesetzlichen Eingriffen reglementierend eingreifen.

    Engels: Ihr Parteifreund Weiß sieht das anders. Wenn ich Sie so reden höre, Herr Meister, dann kann ich nur sagen, das ist ein Streit zwischen dem Unionswirtschafts- und Arbeitnehmerflügel.

    Meister: Ich glaube, wir haben in der Fraktion da eine relativ klare Position, dass wir die Zeitarbeit als Bringerthema sehen für mehr Arbeit, mehr Beschäftigung in Deutschland. Wir sind dort in den letzten beiden Jahren sehr erfolgreich gewesen, und wir werden alles dafür tun, dass wir auf dieser Erfolgsspur bleiben.

    Engels: Die Union hatte ja immer gehofft, dass nicht allzu viele Branchen diesen Antrag auf Mindestlohn stellen würden. Sie scheinen das ja auch zu hoffen. Doch die nächste Branche könnte bereits die der Wach- und Sicherheitsdienste sein. Wird dieses Thema Mindestlohn nicht doch für Sie ein Fass ohne Boden?

    Meister: Ja, ich glaube, wir haben klare Konditionen vereinbart. Die Branchen können gemeinsam, Arbeitnehmer-, Arbeitgeberseite, bis zum 31. März kundtun, ob sie ins Entsendegesetz aufgenommen werden wollen. Ich glaube, wichtig ist dann, dass wir nur dort mit dem Entsendegesetz operieren, wo es eine Tarifbindung oberhalb 50 Prozent für die Beschäftigten dort gibt. Und zum Zweiten muss aus meiner Sicht ein öffentliches Interesse bestehen, wenn wir kurz zum Postsektor zurückspringen, dort ist eigentlich ein Beispiel par excellence, wo man sehen muss, dass ja ein Teil der Motivation auch darin lag, unliebsame Konkurrenz loszuwerden. Und deshalb ist aus meiner Sicht notwendig, wenn wir über öffentliches Interesse sprechen, dass auch seitens des Kartellamtes geprüft wird, dass durch solche Anträge nicht in den Wettbewerb eingegriffen wird und sozusagen unliebsamer Wettbewerb durch das Entsendegesetz und die Allgemeinverbindlichkeit ausgeschlossen wird.

    Engels: Öffentliches Interesse ist ein gutes Stichwort, gerade beim Stichwort Mindestlohnregelung bei der Post. Die privaten Wettbewerber der Deutschen Post haben Minister Scholz mit einer Schadenersatzforderung in Millionenhöhe gedroht, sollte die Verordnung zum Postmindestlohn nicht außer Vollzug gesetzt werden. Sie argumentieren, solange gerichtlich nicht geklärt sei, ob der Mindestlohn zulässig sei, müsse Scholz das Vorhaben ruhen lassen. Teilen Sie die Ansicht?

    Meister: Ich glaube, es steht jedem Verband, jedem Bürger in diesem Land der Rechtsweg frei. Ich habe vorhin sehr deutlich gemacht, dass ich die Arbeitsweise, die Herr Scholz da an den Tag gelegt hat, indem er eben einen Teil der Tarifparteien bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigt hat, durchaus kritisch sehe. Da sehe ich Korrekturbedarf. Und ich hoffe, dass Herr Scholz an dieser Stelle sozusagen seinen Verordnungsentwurf möglichst zeitnahe nachbessert.

    Engels: Nachbessert, aber sollte er diese Verordnung außer Kraft setzen vorerst?

    Meister: Ich glaube, das ist auf Dauer auch nicht die Lösung für das Problem, sondern die Lösung des Problems wäre sozusagen, insgesamt die Tarifparteien einzubinden in den Vorgang und nicht nur einen Teil der Tariflandschaft.

    Engels: Michael Meister, der stellvertretende Vorsitzende der Unionsbundestagsfraktion zum Dauerstreitthema Mindestlohn. Ich bedanke mich für das Gespräch!