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CDU-Richtungsdebatte
"Vertreter verschiedener Flügel sind wichtig"

Die Bundeskanzlerin habe die richtigen Personalentscheidungen getroffen, sagte CDU-Vizevorsitzende Julia Klöckner im Dlf. Es sei wichtig, die Vertreter der verschiedenen Parteiflügel zu berücksichtigen. Dabei ginge es auch darum, die Partei für die Zukunft aufzustellen.

Julia Klöckner im Gespräch mit Stefan Heinlein |
    Julia Klöckner im Fernsehstudio.
    "Ich glaube, diese alten Schubladen von rechts-links, konservativ und nur liberal, die funktionieren heute ja auch so nicht mehr in einer sich verändernden Gesellschaft", sagte CDU-Vizevositzende Julia Klöckner im Dlf (dpa / Uwe Anspach)
    Stefan Heinlein: Noch bis Freitag stimmen die weit über 400.000 SPD-Mitglieder ab, ob ihre Partei in Berlin auch die kommenden vier Jahre erneut eine Koalition mit CDU und CSU eingehen soll. Dann folgt die Auszählung; erst am Sonntag wird das Ergebnis dann verkündet. Es wird ein knapper Ausgang erwartet.
    Heute dagegen hält sich die Spannung in Grenzen. Alles andere als ein klares Ja der Delegierten auf dem CDU-Parteitag zur Großen Koalition wäre eine faustdicke Überraschung - zumal die Kanzlerin gestern bereits die Namen ihrer Ministerliste öffentlich machte. Interessanter dagegen dürfte die Debatte werden um ein neues Grundsatzprogramm der Partei.
    Am Telefon nun Julia Klöckner, stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende und künftig wohl Landwirtschaftsministerin in Berlin. Guten Morgen!
    Julia Klöckner: Hallo! Guten Morgen, ich grüße Sie.
    Heinlein: Geht für Sie ein Traum in Erfüllung, Frau Klöckner? Ist das Ihr Traumjob?
    Klöckner: Ich laufe jetzt nicht täglich herum in der Politik und habe Tagträume, in welchen Job man jetzt käme. Alles das, was ich immer gemacht habe, was gerade vor mir lag, habe ich dann auch mit Leib und Seele gemacht. So ganz einfach fällt es mir auch nicht, aus Rheinland-Pfalz, aus dem Landtag dann rauszugehen, denn ich bin ja auch Parlamentarierin und das würde sich dann ändern, weil ich dann keine Parlamentsanbindung als solche mehr habe als Mandat. Aber na ja, es gibt Schlimmeres, als ein Bundesministerium angeboten zu bekommen.
    "Den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln reduzieren"
    Heinlein: Wie gehen Sie denn diese Aufgabe an? Was werden Sie anders, vielleicht sogar besser machen als Ihr Amtsvorgänger von der CSU? Werden Sie Glyphosat etwa verbieten?
    Klöckner: Ich glaube, erst mal sollten wir alle, die genannt worden sind, an so ein Ministeramt mit Demut herangehen, denn es ist noch nicht ganz klar, dass wir es auch werden. Die SPD hat noch ihr Mitgliedervotum und dann schlägt die Kanzlerin ja die Namen ihres möglichen Kabinetts dem Bundespräsidenten vor. Die Kanzlerin wird gewählt. Es ist noch ein bisschen hin.
    Und was ich anders machen werde? Ich muss erst mal ankommen und schaue mir an, was vor uns liegt. Ich habe ja den Koalitionsvertrag mitverhandelt. Was unsere drei Hauptaufgaben sein werden, sind zum Beispiel das Thema Tierwohl, Tierwohl-Label, dass der Verbraucher erkennen kann, wo zum Beispiel das Fleisch herkommt, was er kauft, wie die Tiere gehalten worden sind. Dann wird es um das Thema Ernährungsbildung gehen. Wir merken, dass immer weniger wissen, wo die Nahrungsmittel herkommen, und es wird auch zu viel weggeworfen. Und ein weiteres wird sein, dass wir unsere Landwirtschaft wettbewerbsfähig in Zeiten auch der Modernisierung und Digitalisierung aufstellen.
    Heinlein: Korrigieren Sie mich, Frau Klöckner, aber im Koalitionsvertrag steht auch das Verbot von Glyphosat.
    Klöckner: Ja, es steht da drin zum Thema Pflanzenschutzmittel, dass wir vor allen Dingen Alternativen brauchen, dass wir die Forschung intensivieren müssen und mit der sogenannten Präzisionslandwirtschaft dann auch den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln reduzieren können.
    "Es geht um das Aufstellen einer Partei für die Zukunft"
    Heinlein: Stichwort Demut, Sie haben es in Ihrer zweiten Antwort genannt. Wie klug ist es, Frau Klöckner, von der Kanzlerin, Jens Spahn nun in diese Kabinettsdisziplin einzubinden?
    Klöckner: Ich halte das schon für sehr klug, denn es geht ja, wie die Kanzlerin auch sagte, nicht um ihre persönliche Sicht alleine auf die Dinge, sondern es geht auch um das Aufstellen einer Partei für die Zukunft. Wir sind eine Volkspartei als CDU und sowohl junge als auch etwas erfahrenere Männer wie Frauen und vor allen Dingen auch Vertreter verschiedener Flügel sind wichtig. Das, glaube ich, hat sie prima gemacht und den einen oder anderen überrascht, allein schon auch mit der Personalie, jüngst Annegret Kramp-Karrenbauer zur Generalsekretärin zu machen.
    Heinlein: Ich würde noch gern, Frau Klöckner, einen Moment über Jens Spahn reden. Erwarten Sie, dass er nun künftig etwas vorsichtiger mit der Kanzlerin umgeht, sie nicht mehr auf offener Bühne kritisiert, sondern vielleicht nur hinter verschlossener Tür am Kabinettstisch?
    Klöckner: Jeder hat ja seine eigene Persönlichkeit und wenn es nicht in der Sache auch unterschiedliche Sichtweisen gibt und Diskussionen gibt, dann heißt es sehr schnell, das sei alles ein Kanzlerwahlverein. Wenn man auch miteinander ringt um bessere Positionen, ist das jetzt nicht gleich auf offener Bühne jemanden anzugehen. Ich erlebe den Jens Spahn wirklich als in der Sache auch orientiert zu sein. Es gibt auch andere, die mal widersprechen der Kanzlerin, aber das will sie auch so, weil wir alle dann auch wach bleiben.
    "Diese alten Schubladen von rechts-links funktionieren heute so nicht mehr"
    Heinlein: Wach bleiben - was sagt es denn über Ihre Partei, wenn mit Jens Spahn ein 37-jähriger Politiker das Aushängeschild der Konservativen in Ihrer Partei, in der CDU ist?
    Klöckner: Ich weiß jetzt nicht, ob er das Aushängeschild ist.
    Heinlein: Mir fällt kein anderer Name ein.
    Klöckner: Na ja, gut. Es gibt ja schon verschiedene Personen. Soweit ich weiß, ist Wolfgang Bosbach auch noch Mitglied unserer Partei. Volker Bouffier ist es und viele andere auch. Und ich sehe mich als Liberal-Konservative. Ich glaube, diese alten Schubladen von rechts-links, konservativ und nur liberal, die funktionieren heute ja auch so nicht mehr in einer sich verändernden Gesellschaft. Es geht heute um die Fragen, viel stärker um Standards, Rechtssicherheit und Ordnung. Das war früher vielleicht rechts, aber heute will das sowohl ein Linker als auch jemand, der vielleicht konservativ orientiert ist. Er will Verlässlichkeit haben in der Politik.
    Heinlein: Heimat, Leitkultur, Recht und Ordnung, das sind Begriffe, Frau Klöckner, die man künftig in der CDU unverkrampfter in den Mund nehmen sollte?
    Klöckner: Ich empfinde das nicht als verkrampft. Heimat ist ja nicht etwas, wo man danach Krämpfe bekommt, wenn man das sagt. Heimat ist eine Verortung, nicht nur eine Adresse, sondern vielleicht auch ein Lebensgefühl, auch die Kultur des Rechtsstaates. Wer ein Problem mit Demokratie hat und dann verkrampft ist, ich glaube, der hat eher eine Denksportaufgabe vor sich, und nicht derjenige, der von Heimat spricht.
    Heinlein: Hat Ihr künftiger Kabinettskollege Jens Spahn, glauben Sie, dieselbe Definition von konservativ wie Sie?
    Klöckner: In Teilen sicherlich. Noch mal: Es geht nicht nur um die Frage Konservativ. Das ist eine leere Überschrift oder Formel, wenn wir sie nicht definieren. Für mich ist konservativ Werte, die ich für gut erachtet habe, auch in Zeiten der Veränderung, auch wenn Strukturen sich verändern, weiterzutragen. Das, was vielleicht für viele früher konservativ war, dass Männer in der ersten Reihe stehen, ist ja heute nicht mehr so. Wir müssen den Wandel, der kommt, so gestalten, dass er den Schrecken für die Leute verliert, und das heißt nicht, möglichst schnell alles umzuwerfen, aber auch nicht, krampfhaft an dem festzuhalten, was wir heute haben.
    "Nicht nur auf den Begriff konservativ fokussieren"
    Heinlein: Die Kritik von Jens Spahn zielt ja auch darauf, dass die CDU mit Angela Merkel bei ihrem Marsch in die Mitte die rechte Spur freigemacht hat und dadurch Platz für die AfD geschaffen hat. Muss das jetzt geändert werden, auch durch eine inhaltliche Grundsatzdebatte, die ja anstehen soll in den kommenden Monaten?
    Klöckner: Ich weiß gar nicht, warum wir uns so sehr auf das Thema konservativ, rechts und Jens Spahn nur konzentrieren, auch in dem Interview. Ich glaube, Volkspartei und Deutschland ist mehr, als sich nur punktuell auf den Begriff konservativ zu fokussieren. Was wichtig ist in der Gänze ist als Partei der Mitte und Volkspartei, dass wir ein Grundsatzprogramm neu diskutieren unter den veränderten Bedingungen.
    Was heißt denn für die Partei auch von Erhardts sozialer Marktwirtschaft, die soziale Marktwirtschaft in Zeiten der Digitalisierung, dass Arbeit sich verändert, wie können wir das hochhalten in Zeiten der Arbeitsplatzbeschreibung, die heute eine ganz andere Flexibilität hat. Das ist die Frage der Pflege. Es mag konservativ sein, ja, aber ich finde es für menschlich anständig, wenn man sich um den anderen kümmert, ob das jetzt konservativ ist oder nicht. Aber dass wir auch im ländlichen Raum eine Infrastruktur haben mit Landärzten, mit Krankenhäusern, auch mit dem öffentlichen Nahverkehr, das alles wird die Frage sein, wie gestalten wir das in Zukunft.
    "Politik beginnt vor der Haustür"
    Heinlein: Sie haben gesagt, Frau Klöckner, die CDU dürfe kein Kanzlerinnenwahlverein sein, und dann habe ich mir das Stichwort "wach bleiben" aufgeschrieben. Heißt das, die CDU braucht jetzt in Zukunft eine etwas andere Diskussions- und Debattenkultur, weniger Konsens und mehr Konflikt auch auf offener Bühne, so wie es Ihr Koalitionspartner, die SPD derzeit vorführt?
    Klöckner: Na ja. Die SPD ist in dieser Sache wirklich nicht unser Vorbild. Die CDU steht dafür, dass wir für Solidität, für Verlässlichkeit und auch Zuverlässigkeit stehen. Ich habe das Thema Kanzlerwahlverein angesprochen, weil Medien uns häufig fragen, ob wir nicht mehr sind als das. Es ist nicht meine Interpretation von der CDU. Und ich finde, es ist wichtig, dass wir über Inhalte diskutieren. Das tun wir. Personen spielen dabei eine Rolle. Aber ich glaube, dass es immer wieder gut ist, von unten nach oben Gesellschaft zu definieren. Das heißt, nicht von oben zu definieren, was wir denken sollen. Das passiert nicht. Aber die Belebung immer wieder der Ortsverbände, der einzelnen Landesverbände, denn Politik beginnt vor der Haustür oder das Leben und das Wahrnehmen von Politik.
    Heinlein: Gehört zur Politik auch der Konflikt und dieser Konflikt darf nicht mehr hinter verschlossenen Türen nur stattfinden, sondern vielleicht auch offen diskutiert werden, tatsächlich wie es die SPD derzeit macht, wo ja alle Mitglieder gefordert sind, abzustimmen? Bei Ihnen sind es heute nur 1.000.
    "Wir Christdemokraten sind die Partei, die verschiedene Wurzeln hat"
    Klöckner: Na ja. Man kann nicht gerade feststellen, dass es sehr konstruktiv zugeht bei der SPD, wenn ein Vorsitzender nach dem anderen ersetzt wird. Aber ich maße mir jetzt nicht an, was die SPD richtig oder falsch macht. Die Umfragen geben einem ja eher Bedenken und das macht mir auch Sorge, was die Statik anbelangt, dass die Volkspartei SPD solche Probleme jetzt auch gerade hat und dass eher extreme Kräfte in Deutschland stark werden.
    Zur Demokratie gehört, dass es unterschiedliche Sichtweisen gibt, dass man auch nach einem geregelten Verfahren diskutiert, dass Argumente mit Worten ausgetragen werden, und da ist die Partei CDU, wir Christdemokraten sind die Partei, die verschiedene Wurzeln hat: das christliche Menschenbild, die liberale Sichtweise, aber auch das Bewahrende. Da muss immer gerungen werden und diskutiert werden, und das ist gut. Man ist damit nie fertig.
    Heinlein: Im Deutschlandfunk heute Morgen die stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende Julia Klöckner. Frau Klöckner, ganz herzlichen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.
    Klöckner: Ich danke Ihnen! Schönen Tag.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.