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CDU-Spendenaffäre vor 20 Jahren
Wolfgang Schäubles Rücktritt vom Partei- und Fraktionsvorsitz

Am 16. Februar 2000 gab Wolfgang Schäuble auf der Bundespressekonferenz seinen Rücktritt bekannt. Er reagierte damit auf Enthüllungen über schwarze Kassen für nicht gemeldete Parteispenden in der CDU. Die Herkunft der Spendengelder in Millionenhöhe ist bis heute ungeklärt.

Von Wolfgang Stenke | 16.02.2020
    Nachdenklich sitzt CDU-Parteichef Wolfgang Schäuble am 11.1.2000 auf einer Pressekonferenz in Berlin. In der CDU-Spendenaffäre ist jetzt auch Schäuble unter erheblichen Druck geraten. Sein Eingeständnis, 1994 von dem Waffenhändler Schreiber eine Spende von 100000 Mark in bar angenommen zu haben, löste scharfe Reaktionen in der Union und Rücktrittsforderungen von politischen Gegnern aus. Schäuble hatte am 10.1.2000 in der ARD-Sendung "Farbe bekennen" gesagt, das Spendengeld habe er der CDU-Schatzmeisterei übergeben. Erst "jetzt im Zuge der Aufklärung" habe er festgestellt, dass die Spende entgegen den Vorschriften nicht veröffentlicht, sondern als "sonstige Einnahme" verbucht worden sei. Er schloss weiterhin einen Rücktritt wegen der Spenden-Annahme aus. | Verwendung weltweit
    In der Parteispendenaffäre musste der damalige CDU-Parteichef Wolfgang Schäuble sein Amt räumen (dpa / picture-alliance / Michael Jung)
    "In einer nicht für möglich gehaltenen Weise ist in der Vergangenheit gegen die Vorschriften des Parteiengesetzes und gegen die Prinzipien von Transparenz und innerparteilicher Demokratie verstoßen worden", sagte Wolfgang Schäuble am 16. Februar 2000 auf der Bundespressekonferenz.
    Er war in den Strudel der Parteispendenaffäre, die "Alt-Bundeskanzler" Helmut Kohl im Dezember 1999 den Ehrenvorsitz der CDU kostete, geraten.
    Wolfgang Schäuble war damals Vorsitzender der Christlich-Demokratischen Union und der gemeinsamen Bundestragsfraktion von CDU/CSU – und einer der loyalsten Mitarbeiter von Kohl. Am 16. Februar 2000 gab er auf der Bundespressekonferenz in Berlin auch seinen Rücktritt bekannt. Partei und Fraktion, so erklärte er, brauchten einen Neuanfang.
    "Um diesen Neuanfang einzuleiten und möglich zu machen, habe ich der Bundestagsfraktion gestern vorgeschlagen, nicht erst Ende Mai, sondern jetzt den Fraktionsvorstand neu zu wählen. Und ich kann diesem Neuanfang am besten dadurch dienen, dass ich nicht mehr für das Amt des Vorsitzenden kandidiere. In der Konsequenz dieser Entscheidung werde ich auch auf dem Parteitag im April zur Wiederwahl des Parteivorsitzenden nicht zur Verfügung stehen."
    Haftbefehl gegen CDU-Schatzmeister
    Der Skandal um die schwarzen Kassen der CDU war schon Anfang November 1999 offenbar geworden: Haftbefehl gegen den ehemaligen CDU-Schatzmeister Walther Leisler Kiep wegen Steuerhinterziehung. Der christdemokratische Grandseigneur hatte acht Jahre zuvor in der Schweiz von dem Rüstungslobbyisten Karlheinz Schreiber einen Aktenkoffer mit einer Million D-Mark in bar überreicht bekommen – als Spende für die CDU, erklärte Kiep später.
    Wie andere Zuwendungen auch, war das Geld nicht im Rechenschaftsbericht der CDU deklariert worden, obwohl das Gesetz es verlangte und das System der illegalen Parteienfinanzierung schon in der Flick-Affäre der 1980er Jahre vor Gericht gelandet war. Helmut Kohl, der seine internen Netzwerke über Jahrzehnte mit Hilfe solcher Machenschaften finanziert hatte, gab sich ahnungslos – und Wolfgang Schäuble stellte sich mit einer Ehrenerklärung vor den ehemaligen CDU-Chef.
    Zwei Tage darauf, am 2. Dezember 1999, räumte Kohl ein, "möglicherweise" gegen das Parteiengesetz verstoßen zu haben. Die Namen der angeblichen Spender verschwieg er unter Berufung auf sein "Ehrenwort". Für die Generalsekretärin der CDU, die viele damals nur als "Kohls Mädchen" kannten, war dies das Signal zu einer Abrechnung, die mit dem Parteivorsitzenden Schäuble nicht abgesprochen war. Angela Merkel am 22. Dezember 1999 in einem Artikel in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung":
    "Die von Kohl eingeräumten Vorgänge haben der Partei Schaden zugefügt. Die Partei – und nicht nur er allein – muss sich auch dafür rechtfertigen, wie ein solches Vorgehen nach der Flick-Affäre möglich sein konnte. Es geht um die Glaubwürdigkeit Kohls, es geht um die Glaubwürdigkeit der CDU, es geht um die Glaubwürdigkeit politischer Parteien insgesamt."
    Zur Debatte stand auch Schäubles Glaubwürdigkeit. Er gab Kontakte zu Karlheinz Schreiber zu – und auch den Empfang einer nicht verbuchten Parteispende von 100.000 DM, die er dem Parlament zunächst verschwiegen hatte. Ob Schäuble das Geld 1994 in seinem Bonner Büro direkt von Schreiber erhielt, wie der Politiker selbst behauptete, oder ob es der Rüstungslobbyist zunächst der CDU-Schatzmeisterin Brigitte Baumeister übergeben hatte, das konnten später weder Staatsanwälte noch der Untersuchungsausschuss des Bundestages zur Spendenaffäre klären.
    Schäuble sah sich als Opfer
    Von Kohl sah der loyale Gefolgsmann des CDU-Patriarchen sich im Stich gelassen; in der Fraktion und den Landesverbänden brodelte es. So entschloss sich Wolfgang Schäuble, dem persönliche Bereicherung nicht anzulasten war, am 16. Februar 2000 zum Rücktritt. Sechs Wochen danach präsentierte er sich im Fernsehsender Phoenix als Opfer einer Intrige:
    "Das war dann jedenfalls ein Kampf zur Vernichtung mindestens einer Person, da der aber nun gleichzeitig Vorsitzender der CDU Deutschlands und von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion gewesen ist, ist vielleicht der Begriff Machtkampf dann doch nicht völlig unangemessen."
    Für Angela Merkel war Schäubles Rücktritt und die Distanzierung von ihrem Mentor Helmut Kohl die Basis des Aufstiegs zur Führerin der Opposition gegen die rotgrüne Regierung. Schäuble, den Kohl einst als seinen Kronprinzen bezeichnet und dann demontiert hatte, blieb im CDU-Präsidium. In Merkels erstem Kabinett wurde er 2005 Innenminister. Über die Herkunft der CDU-Schwarzgeldmillionen schwieg Kohl bis ins Grab.