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CDU vertritt eine geschlossene Position in der Irak-Frage

    Engels: Die Vereinigten Staaten rüsten in der Golf-Region weiter auf. Am Wochenende unterzeichnete US-Verteidigungsminister Rumsfeld Marschbefehle, mit denen das Truppenkontingent rund um den Irak auf insgesamt 150000 Mann anwachsen könnte. Stehen wir vor einem Krieg gegen den Irak und wie soll sich Deutschland verhalten? Diese Debatte hat am Wochenende auch die CDU beschäftigt. Vor der Sendung sprachen wir mit dem stellvertretenden Unionsfraktionschef und außenpolitischen Experten Wolfgang Schäuble. An ihn ging zunächst die Frage, ob ein Irak-Krieg überhaupt noch abzuwenden ist?

    Schäuble: Ich denke nach wie vor und ich hoffe auch, dass die Entscheidung nicht gefallen ist. Worum es geht ist ja, Saddam Hussein und den Irak davon zu überzeugen, dass in jedem Fall sichergestellt werden wird, dass es keine Massenvernichtungswaffen im Irak geben darf, und dazu muss man Druck ausüben. Aber ich hoffe es geht mit Druck und ohne den militärischen Einsatz.

    Engels: Die Frage des Drucks steht ja im Zentrum. Am Wochenende wurde die Irak-Position der CDU kontrovers diskutiert. Parteichefin Angela Merkel hatte ja gesagt, Deutschland werde im UN-Sicherheitsrat sicher einem militärischen Vorgehen gegen den Irak zustimmen. Nun gab es da in Göttingen auf der Klausurtagung Gegenstimmen. Wie ist Ihre Position?

    Schäuble: Ich bin in Göttingen dabei gewesen. Die Gegenstimmen habe ich nicht gehört. Wir waren ganz geschlossen einer Meinung. Erstens einmal: wir sind natürlich alle der Meinung, dass wir hoffen, es wird das Ziel, den Irak von Massenvernichtungswaffen freizuhalten, erreicht, ohne dass es zu einem Krieg kommen muss. Das ist unsere gemeinsame Position. Ich glaube so denkt jeder halbwegs vernünftige Mensch überall in der Welt, ganz sicher auch in Amerika. Aber um das Ziel zu erreichen kann man eben auch nicht ausschließen, dass man es notfalls auch gegen den Irak durchsetzen muss. Je klarer diese Haltung ist, um so größer ist die Chance, dass es dazu nicht kommen muss. Was immer notwendig werden wird, muss gemeinsam entschieden werden im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, und wenn es gemeinsam entschieden wird, dann kann auch niemand, auch Deutschland nicht sagen, die anderen sollen es machen, wir beteiligen uns nicht daran.

    Engels: Nun wurden am Wochenende mehrere Fraktionsmitglieder der Unionsfraktion, nämlich die Herren Wimmer, Rauber, Carstens und Dautzenberg in verschiedenen Medien zitiert, sie lehnten es ab, die USA-Linie gegenüber dem Irak in jedem Fall zu unterstützen. Ist das keine Kritik?

    Schäuble: Ich meine es gibt Meinungsfreiheit in Deutschland, in den Vereinigten Staaten von Amerika und überall. Das ist völlig klar: wir haben Kollegen wie etwa der Kollege Manfred Carstens, der aus ganz grundsätzlichen Überlegungen ganz starke Bedenken immer gegen jeden Einsatz von militärischen Mitteln hat. Das ist eine legitime Position, aber es ist eine klare persönliche Position von ihm. Das hat er auch immer so vertreten. Bei anderen ist das einigermaßen ähnlich. Beim Kollegen Rauber zum Beispiel weiß ich, dass er aus ganz anderen Gründen die Sorge hat, dass die Bundesregierung die Bundeswehr nicht mit den notwendigen Mitteln ausstattet, dass die Bundeswehr im Grunde schon überfordert ist. Er hat im Reservistenverband eine ganz wichtige Funktion. Also man muss die Position der Kollegen ein bisschen genauer kennen, um das richtig zu bewerten. Was da in den Zeitungen am Wochenende stand, wird dem nicht immer so ganz gerecht. In der Sache sind wir uns ganz überwiegend einig darin, dass das Ziel erreicht werden muss, die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen möglichst zu bekämpfen, übrigens nicht nur im Irak, aber der Irak ist eben das vordringlichste Thema im Augenblick. Das muss erreicht werden und das wird durch möglichst viel Geschlossenheit und Entschlossenheit am ehesten erreicht.

    Engels: Lassen Sie mich noch ein Zitat dem entgegenhalten. Da wird der frühere Staatssekretär im Verteidigungsministerium, auch ein Parteifreund von Ihnen, Herr Wimmer zitiert. In der CDU-Führung werde argumentiert, als befinde man sich bereits auf einem Feldherrenhügel vor Bagdad.

    Schäuble: Das ist eine reichlich törichte Äußerung, aber es ist nicht die erste des Kollegen. Der hat im übrigen schon immer eine in den letzten Jahren absolute Minderheitenposition vertreten. Er war ja auch dagegen, dass man Milosevic in Serbien gezwungen hat, durch die Vereinten Nationen und die NATO, von einem terroristischen Regime Abstand zu nehmen. Das muss man ertragen, aber es ist eben eine klare Einzelposition.

    Engels: Sie haben die Haltung, die Sie anstreben im UN-Sicherheitsrat, deutlich gemacht. Nun geht es ja auch um eine andere Frage. Möglicherweise wird ja tatsächlich die Bundesrepublik im UN-Sicherheitsrat zustimmen, aber es bleibt bei der Ablehnung um eine deutsche Beteiligung an einem möglichen Irak-Krieg. Wie ist Ihre Haltung speziell was deutsche Truppenkontingente angeht?

    Schäuble: Da wird ja die ganze Unglaubwürdigkeit der Politik der Bundesregierung sichtbar. Das macht ja nun wirklich keinen Sinn zu sagen, wir stimmen notfalls im Sicherheitsrat auch zu, wenn eben die Lage so sein sollte, dass eine solche Entscheidung notwendig wird. Dann muss man das im Sicherheitsrat auch tun. Aber im Sicherheitsrat zustimmen, um dann zu sagen, wir aber beteiligen uns nicht, also Hannemann geh du voran ohne mich, das ist ja nun keine verantwortliche Haltung. Das isoliert uns in den Vereinten Nationen, in Europa, in der NATO. Das schaden den deutschen Interessen. Das schwächt den Druck auf den Diktatoren. Das ist völlig unverantwortlich. Im übrigen ist es noch nicht einmal eine glaubhafte Position, denn die Bundesregierung hat ja schon durchblicken lassen, dass wir natürlich, wenn es notfalls zu solchen Maßnahmen kommen würde, daran auch einen Anteil nehmen müssen, beispielsweise indem Soldaten der Bundeswehr in den Awacs-System mit tätig sind, beispielsweise indem die Amerikaner natürlich ihre Basen in Deutschland nutzen werden und Überflugrechte in Anspruch nehmen werden, die wir ihnen auch gewähren müssen. Der Verteidigungsminister hat ja, wenn ich das richtig verstanden habe, inzwischen auch gesagt, dass die ABC-Spürpanzer in Kuwait verbleiben werden. Dann wird man nicht mehr, wenn es zu irgendeiner schlimmen Eskalation kommen sollte, was wir nicht hoffen, unterscheiden können, ob das nun zur Bekämpfung des Terrorismus oder im Rahmen von irgendwelchen Maßnahmen gegen den Irak sein sollte. Nein, hier geht es bei der Bundesregierung ganz offensichtlich darum, darüber hinwegzutäuschen, dass sie im Wahlkampf einen Eindruck erweckt hat, von dem sie selber weiß, dass sie ihn verantwortlich gar nicht durchhalten kann.

    Engels: Würden Sie denn darüber hinausgehen, über die Beispiele, die Sie erwähnten? Gibt es Ihrer Meinung nach auch Potenzial für weitere deutsche kämpfende Truppenkontingente für einen Irak-Krieg?

    Schäuble: Soweit ich weiß gibt es gar keine entsprechenden Anfragen. Deswegen ist ja die deutsche Debatte in den letzten Monaten ohnedies eher ein wenig komisch gewesen. Wir haben ja so getan als hätten wir im Überfluss Möglichkeiten. Es ist ja wahr. Ich habe vorher erwähnt, was der Kollege Rauber in unserer Fraktion, ein sehr engagierter und sehr tüchtiger und erfahrener, besonnener Kollege immer wieder sagt: die Bundeswehr ist am Rande ihrer Möglichkeiten. Im übrigen haben uns weder die Amerikaner noch irgend jemand sonst um weiteres gefragt. Wir sollten also gar nicht so tun, als würden da alle möglichen Vorbereitungen getroffen, um möglichst viele Soldaten in den Irak zu schicken. Darum geht es gar nicht. Es geht darum, dass wir im Rahmen unserer Möglichkeiten unseren Beitrag leisten zu einer möglichst geschlossenen Haltung der Vereinten Nationen und das, was dann notwendig ist und was wir leisten können im Rahmen unserer Möglichkeit, auch beitragen.

    Engels: Sie haben es eben schon einmal angedeutet. Auch in anderen Regionen fürchtet man sich vor dem Einsatz von Massenvernichtungswaffen. Das Stichwort ist Nordkorea. Gerade am Wochenende hat das Land den Atomwaffensperrvertrag aufgekündigt und es will seine Raketentests wieder aufnehmen. Wie ist das zu stoppen?

    Schäuble: Indem auch gegenüber Nordkorea die internationale Völkergemeinschaft klar macht, dass sich auch Staaten wie Nordkorea genau wie der Irak an Völkerrecht halten müssen und dass sie nicht das Recht haben, Atomwaffen zu erwerben, dass sie nicht das Recht haben, andere damit zu bedrohen, dass die Weltgemeinschaft das nicht hinnehmen wird. Wir leben in einer Zeit, in der die Kombination der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen, Atomwaffen, biologische, chemische Waffen und internationaler Terrorismus, asymmetrische Kriegsführung zu der größten Bedrohung übrigens auch für uns geworden ist. Das ist ja eine Gefahr, die alle bedroht, nicht nur die Amerikaner, sondern auch uns Deutsche. Deswegen ist es so wichtig, dass wir alle Bemühungen stärken und unterstützen, dass die Völkergemeinschaft, die Europäer, die NATO, die UNO dafür sorgt, dass Massenvernichtungswaffen nicht weiter verbreitet werden. Jetzt muss auf Nordkorea jeder denkbare Druck ausgeübt werden, dass Nordkorea diesen völkerrechtswidrigen Weg wieder aufgibt.

    Engels: Sollte das auch Sanktionen gegen Nordkorea einschließen?

    Schäuble: Zunächst einmal muss man politischen und diplomatischen Druck machen, alle Bemühungen anwenden, um die Führung in Nordkorea zu überzeugen, dass das ein Weg ist, der nicht im Interesse Nordkoreas ist. Die Bevölkerung in Nordkorea leidet ja unter fürchterlichen Lebensumständen. Sie hungert! Die Versorgung der Bevölkerung ist katastrophal. Es ist völlig unverantwortlich, dass die Führung dieses Landes das Land weiter isoliert. Die Bevölkerung ist auf internationale Hilfe angewiesen. Außerdem wäre es besser, wenn die wenigen Mittel, die dieses Regime erwirtschaftet, zur Versorgung der Bevölkerung verwendet würden. Wenn Amerika, wenn Russland, wenn China, wenn alle anderen gemeinsam Druck auf Nordkorea machen, sehe ich eine Chance, dass man durch politischen Druck das erreichen wird, aber man kann auch die Androhung von Sanktionen nicht ausschließen.

    Engels: Warum hat denn die internationale Gemeinschaft mit Nordkorea nach jetzigem Stand so viel mehr Geduld als mit Bagdad?

    Schäuble: Bagdad hat vor mehr als zehn Jahren schon einen militärischen Überfall auf Kuwait gemacht und musste gezwungen werden, das eroberte Land wieder zurückzugeben. Bagdad verletzt seit mehr als zehn Jahren ständig ganze Reihen von Resolutionen des Weltsicherheitsrates. Insofern kann man die tatsächliche Situation im Irak und in Nordkorea nicht ganz vergleichen. Aber auch Nordkorea ist ein schwieriges Land und auch in Nordkorea muss die Gefahr sehr ernst genommen werden.

    Engels: So weit Wolfgang Schäuble, der stellvertretende Vorsitzende der Unionsbundestagsfraktion. Das Gespräch haben wir vor der Sendung aufgezeichnet.

    Link: Interview als RealAudio