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Chef der NRW-Staatskanzlei
Laschets neue rechte Hand

Offensiv, eloquent - und wertkonservativ: Der erst 31-jährige Nathanael Liminski ist der neue Chef der NRW-Staatskanzlei. Die Personalie selbst verwundert nicht, denn der ehemalige Fraktionsgeschäftsführer der NRW-CDU-Fraktion sammelte früh Erfahrung in der Politik - auch als Redenschreiber für Roland Koch.

Von Moritz Küpper | 20.07.2017
    Nathanael Liminski (l), Staatssekretär und Chef der Staatskanzlei, bekommt in der Staatskanzlei in Düsseldorf (Nordrhein-Westfalen) seine Ernennungsurkunde aus den Händen von Ministerpräsident Armin Laschet (CDU).
    "Die Gegensätze, die beschrieben werden, zwischen Armin Laschet und mir, erleben wir beide, glaube ich, im Alltag, nicht so", sagt der neue Chef der Staatskanzlei, Nathanael Liminski. (dpa/Rolf Vennenbernd)
    Der Landtag von Nordrhein-Westfalen, die letzte Plenarsitzung vor der Sommerpause. Der Ministerpräsident sitzt in der ersten Reihe, unmittelbar neben dem Rednerpult. Der Tisch vor Armin Laschets Platz ist leer. Auf dem Platz hinter Laschet sieht es ganz anders aus: Dort stapelt sich Akte um Akte, die alle durchgeguckt werden. Ab und an wird ein Blatt nach vorne gereicht - zum Ministerpräsidenten - eine Szene, die Nathanael Liminski, Staatssekretär und Chef der Staatskanzlei gut charakterisiert.
    "Laschets Schattenmann", schrieb die "Westdeutsche Allgemeine Zeitung" kürzlich. "Spannend, arbeitsreich, lehrreich. Hab viel gute Vorbereitung vorgefunden, die Staatskanzlei ist ein sehr professionell arbeitender Betrieb."
    Liminski sitzt im Saal der CDU-Landtagsfraktion und blickt auf seine ersten Tage im neuen Amt zurück. Wie immer in diesem Gebäude trägt er Anzug und Krawatte, wirkt - trotz des jungenhaften Gesichts - älter als seine 31 Jahre. Nun hat er einen Dienstwagen mit Fahrer, vor ihm liegen drei Handys.
    "Organisatorisches Rückgrat von Laschet"
    "Herr Liminski hat schon in jungen Jahren sehr viel Verwaltungserfahrung und auch politische Erfahrung gesammelt", hatte ihn Laschet, drei Wochen zuvor, bei seiner Kabinettspräsentation kurz vorgestellt. Die Personalie selbst - trotz des jungen Alters - hat allerdings niemanden mehr wirklich verwundert.
    Das war im Jahr 2014, als Liminski Geschäftsführer der CDU-Landtagsfraktion wurde, noch anders: "Als Liminski kam, war er in der Landespolitik ein völlig unbeschriebenes Blatt, aber schnell merkte man, dass er jemand ist, der das organisatorische Rückgrat von Laschet werden konnte, der Angriffspunkte bei der damaligen rot-grünen Landesregierung identifiziert hat und der, so hatte man den Eindruck, Laschet schnell thematisch sortiert hat", sagt der Journalist Tobias Blasius von der Funke Mediengruppe, Vorsitzender der Landespressekonferenz.
    Zuvor hatte Liminski in Brüssel als Büroleiter für einen Europaabgeordneten gearbeitet, Reden für Roland Koch in der hessischen Staatskanzlei geschrieben, war schließlich nach Berlin ins Verteidigungsministerium gegangen. Thomas de Maizière lernte Liminskis Dienste schätzen, nahm ihn später mit ins Innenministerium und empfahl ihn auch nach NRW.
    Und Liminski, der Stratege, erkannte schnell diese Chance: "In der Tat ist die Geschäftsführung der Fraktion, so wie wir sie angelegt hatten, mit der Zusammenführung von dem wissenschaftlichen Stab und auch der Kommunikation der Fraktion eine gute Vorbereitung gewesen für die Tätigkeit jetzt, weil man die ganze Bandbreite der Themen betreut und durchdringen muss und gleichzeitig in enger Abstimmung für den Chef arbeitet."
    Erzkatholisch, wertkonservativ, gegen Sex vor der Ehe
    Doch gerade deswegen war seine damalige Berufung durch den als liberal geltenden Laschet eine Überraschung: Denn Liminski, der sein Abitur mit einem Notendurchschnitt von 1,1 ablegte, danach Geschichte in Bonn und Paris studierte, stammt aus einer erzkatholischen Familie, hat neun Geschwister. Sein Vater Jürgen Liminski, einst Redakteur beim Deutschlandfunk, kämpft öffentlich für ein traditionelles Familienbild und streitbare theologische Thesen. Wertkonservativ - dieses Attribut heftet auch Liminski junior an. Als Mitbegründer der papsttreuen Organisation "Generation Benedikt" argumentierte er öffentlich gegen Sex vor der Ehe, setzte sich als 22-Jähriger in verschiedene Talkshows, wie beispielsweise "Maischberger".
    "Also, erst einmal muss ich die Runde beruhigen. Herr Kolle hatte gerade eben gesagt: 'Use it or loose it.' Also, ich habe meinen Penis noch nicht verloren." Offensiv, eloquent, schlagfertig. Liminski saß neben der Rapperin Lady Bitch Ray, die ihrem Nebenmann immer wieder die Hand auf den Oberschenkel legte: "Ich kann kaum an mich halten."
    "Sie sind 22, haben Sie Lady Bitch Ray vorher gekannt, bevor sie jetzt zu dieser Sendung eingeladen worden sind?" - "Nein." - "Wie kommt's?" - "Ich weiß es nicht, vielleicht bin ich in der Rapper-Szene nicht ganz so bewandert, aber vielleicht bist Du auch nicht ganz so bekannt."
    Von seinen Kommilitonen, die den Auftritt damals mit spöttischer Spannung erwartet hatten, bekam Liminski hinterher Anerkennung. Er selbst, sagt er, profitiert noch heute davon: "Und ich habe dabei viel gelernt, weil in der Tat viele Positionen der katholischen Kirche oder des katholischen Glaubens nicht dem Mainstream entsprechen und sie deshalb sehr viel kritisiert werden, sehr viel nachgefragt wird. Und da, darauf immer wieder eine Argumentation zu entwickeln, die überzeugend ist, schult sehr. Auch für die Tätigkeit in der Politik."
    Menschen sollen ihn nicht über seinen Vater definieren
    Der Umgang mit Medien ist ihm ohnehin nicht fremd: Bis zur Landtagswahl fungierte er sechs Jahre als Chefredakteur der "Entscheidung", dem Mitgliedermagazin der Jungen Union. Liminski, mittlerweile verheiratet und dreifacher Familienvater, weiß um die Vorbehalte gegen ihn - auch und gerade wegen seines Vaters, der auch für die "Junge Freiheit" schreibt:
    "Es begegnet einem gelegentlich offen. Aber wahrscheinlich häufiger nicht offen, dass der eine oder andere sich das im Hinterkopf denkt. Ich glaube, wenn die Menschen mich dann selbst erlebt haben, dann gelingt es ihnen relativ schnell, sich auch ein Bild von mir selbst zu machen und mich nicht über meinen Vater zu definieren."
    Und das gilt auch für sein Verhältnis zu Armin Laschet, selbst engagierter Katholik. Liberal gegen konservativ gebe es im Alltag nicht: "Die Gegensätze, die beschrieben werden, zwischen Armin Laschet und mir, erleben wir beide, glaube ich, im Alltag, nicht so. Denn Sie treffen Entscheidungen nicht auf dem Reißbrett oder irgendwie abstrakt, sondern immer an der Frage. Und er ist der Chef, er entscheidet."
    Machtbewusster Stratege
    Liminskis Einfluss allerdings, gerade im politischen Alltag, ist nicht zu unterschätzen. Ein Beispiel: Der schwarz-gelbe NRW-Koalitionsvertrag, heißt es allerorts, wirke wie in ein Dokument aus einem Guss und nicht, wie sonst häufig, eine Ansammlung politischer Textbausteine. Die Master-Datei lag bei Liminski. Doch nun hat der Generalist, der so über kein Fachgebiet verfügt, eine neue Rolle, sagt Journalist Blasius:
    "Er muss auch lernen, dass er Dinge abgibt, dass er nicht, wie in einer Oppositionsfraktion, alle Themen bei sich kanalisieren kann, weil dann droht die Verzettelungsgefahr. Und das ist das Schlimmste, was einem in der Gelenk-Stelle einer Regierung passieren kann."
    Denn Liminski, der druckreif reden kann, schlagfertig und witzig ist und strategisch denkt, ist durchaus machtbewusst. Das zeigt sich eben auch an seiner Karriere, die nicht nur im Nachhinein wie am Reißbrett geplant wirkt: Während Weggefährten aus den politischen Jugendorganisationen sich zumeist um ein Mandat - sei es im Land- oder Bundestag - bemühen, arbeitete er sich aus dem Hintergrund nach vorne:
    "Der Schritt, als Redenschreiber von Roland Koch anzufangen, war ein sehr bewusster Schritt. Denn als Redenschreiber sind Sie Dienstleister und treten in den Hintergrund. Der Riesenvorteil, der damit verbunden ist, ist, dass Sie sehr eng an sehr erfahrenen, führenden Persönlichkeiten arbeiten und unglaublich viel lernen können. Auch in jungen Jahren. Dadurch auch unglaublich viel gestalten können, bereits in jungen Jahren. Da fühle ich mich wohl. Ob ich selber irgendwann mal in erster Reihe Politik machen will, schließe ich nicht aus."