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Chefvolkswirt der Deutschen Bank warnt vor Risiken von Hedgefonds

Norbert Walter, Chefvolkswirt der Deutschen Bank, plädiert für mehr Transparenz bei Hedgefonds. Diese könne entweder über freiwillige Vereinbarungen oder staatliche Eingriffe erreicht werden.

Moderation: Christoph Heinemann |
    Christoph Heinemann: Thema Hedgefonds: Rund 9400 dieser Investmentorganisationen gibt es. Deren verwaltetes Vermögen wird auf rund 1,4 Billionen Dollar geschätzt. Zur Erinnerung: Eine Billion, das ist eine eins, gefolgt von zwölf Nullen.

    Am Telefon ist Professor Norbert Walter, der Chefvolkswirt der Deutschen Bank. Guten Tag!

    Norbert. Walter: Guten Tag!

    Heinemann: Herr Professor Walter, sind Hedgefonds Heuschrecken oder Nutztiere?

    Walter: Ich glaube schon, dass die meisten von ihnen Bienen sind, aber es werden schon auch ein paar Drohnen dabei sein. Aber die ereilt ja dann, weil sie nicht nützlich sind, hinterher auch ein Schicksal. Und das ist nicht so schlimm.

    Die Frage, die die Finanzminister und die Zentralbankleute zu Recht bewegt, ist die Frage: Ist mit den großen Kredithebeln, die ja in solchen Geschäften immer wieder involviert sind, ein Risiko verbunden für unser gesamtes Finanzsystem? Der Frage muss man tatsächlich nachgehen.

    Heinemann: Wie bewerten Sie diese Risiken?

    Walter: Ich bewerte diese Risiken als durchaus existent und es ist derzeit interessanterweise gerade eben auch durch die Art und Weise, wie Zentralbanken Geldpolitik gemacht haben, und zwar vom Federal Reserve in Washington bis über die Peoples Bank of China und natürlich auch die Bank von Japan, unterstützt durch reichliche Liquidität, in vielen Fällen bei der Finanzierung auch sehr viel Fremdkapital im Spiel. Darauf zu achten, dass da nicht Finanzinstitute, die solche Ausleihungen machen, am Ende, wenn ein solcher Hedgefonds schief liegt, mit ins Verderben gerissen werden, darauf kommt es an. Darauf müssen in meinem Urteil die Aufsichtsbehörden ganz gut aufpassen.

    Heinemann: Stichwort Aufsichtsbehörden: Anders als Aktienfonds sind Hedgefonds ja in ihren Anlagestrategien frei. Obendrein spekulieren sie mit gepumptem Geld. Was ist von beiden Risiken das schlimmere für Sie?

    Walter: Die Risiken betreffen dann diejenigen, die sich mit diesen Profis einlassen, und das sollten ja Leute sein, die, nachdem sie schriftlich versichert haben, dass sie die Transaktionen verstehen, es tatsächlich verstehen. Ich bin nicht sicher, dass alle es verstehen, aber diejenigen die das schriftlich erklären, sollten darüber nachgedacht haben und sollten dann auch wirtschaftliche Tiefschläge selbst akzeptieren. Das ist aber glaube ich nicht, was die Finanzminister und jetzt auch die Zentralbankleute bewegt. Die sind in Sorge, dass unser Finanzsystem mit großen Institutionen in Gefahr gerät. Das könnte eigentlich nur dann passieren, wenn sehr bedeutende Banken beispielsweise Kredite an solche Hedgefonds herauslegen, die einen solchen Umfang und eine solche Konzentration haben, dass das Scheitern eines Hedgefonds dort bei solchen Finanzinstituten wie Banken große Schäden hinterlässt. Das können in meinem Urteil auch heute schon die Aufsichtsbehörden, die nationalen Aufsichtsbehörden im Prinzip erkennen.

    Heinemann: Bedeutende Banken, gilt das auch für die Deutsche Bank?

    Walter: Wir sind einer der Player, aber wir würden aus unserer Sicht sagen unglücklicherweise nicht so groß wie Morgan Stanley.

    Heinemann: Herr Professor Walter, Sie sprachen eben von Bienen und Drohnen. Wie trennt man die Spreu vom Weizen?

    Walter: Das wird nicht möglich sein, weil natürlich jemand, der ganz anständig anfängt, auch von jemandem, der böse ist, geleimt werden kann, oder aber man hat gute Ideen gehabt, und plötzlich gehen einem die guten Ideen aus, und dann hat man ein Problem. Das kann sehr schnell passieren. Es sind ja risikoreiche Operationen. Und es kann sein, dass die Leute beispielsweise auf die falsche Währung setzen, dass sie auf das falsche Unternehmen setzen und dann natürlich ein Problem auf diese Weise bekommen.

    Heinemann: Helmut Schmidt hat in der vergangenen Woche in der "Zeit" geschrieben, jede Sparkasse werde besser überwacht als diese riesigen Fonds. Wie sorgt man denn dafür, dass diese Geldsammelorganisationen durchschaubarer werden?

    Walter: In meinem Urteil kann man die Großen unter diesen Institutionen bitten, wie das Trichet vorschlägt, durch Codes of Conduct vernünftig sich zu verhalten. Wenn die sich einen solchen Code of Conduct geben, dann könnte es auch so etwas wie einen gewissen Druck geben, dass andere sich auch diesen Kodizes anschließen. Aber solche Institutionen sind erstens jederzeit neu erfindbar. Sie haben keine Zulassungen, sie haben keine Zulassungsbedingungen, und auf diese Weise können ständig neue entstehen. Dann wird es nach meiner Einschätzung auch immer schwarze Schafe potenziell geben können. Ich meine, wenn man das bei den Hedgefonds kontrollieren würde, würden Finanzinstitutionen unter anderem Namen mit der gleichen Konzeption in irgendeiner anderen Ecke des Globus erneut entstehen.

    Heinemann: Insofern sind freiwillige Verhaltenskodex vielleicht eine etwas romantische Vorstellung?

    Walter: Das kann romantisch sein, aber es hat sich erwiesen, dass immer dann, wenn in einem Markt große Player einen großen Teil des Geschäfts auf sich ziehen, also wenn es so, was weiß ich, fünf, sechs oligopolistische Große gibt, dann kann man durchaus eine ganze Menge mit freiwilligen Kodizes bewirken. Wenn es allerdings ganz viele etwa gleich Kleine gibt, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass es Leute gibt, die sich schlecht verhalten, die die Kodizes nicht akzeptieren, sehr, sehr groß. Und dann wäre es auch wichtig, dass der Staat kontrolliert, wenn dafür eine Chance besteht, das am Ende durchzukriegen, was ich im Fall der Hedgefonds nicht glaube. Die würden dann dorthin auswandern, wo sie nicht kontrolliert sind, oder sie würden mit neuen Namen an anderer Stelle entstehen. Mein Vorurteil ist, das, was die Finanzminister kontrollieren wollen, nämlich das Risiko für unser Finanzsystem, das können sie mit den existierenden Banken, die bereits aufsichtsrechtlichen Regeln unterliegen, die bereits heute kontrolliert werden können und die man in Bezug auf die besondere Beziehung zu Hedgefonds vielleicht in besonderer Weise anschauen sollte, damit solche Systemrisiken begrenzt bleiben.

    Heinemann: Herr Professor Walter rechnen Sie damit, dass die Vereinigten Staaten und Großbritannien bei dem Versuch, diese Hedgefonds an die Leine zu legen, mitziehen werden?

    Walter: Ich glaube, dass es bei der Vorstellung, dass man größere Transparenz erarbeiten soll, durchaus Zustimmung gibt. Es gibt erste Zeichen aus den USA, dass man darauf durchaus eingeht. Ich kann mir auch schon vorstellen, dass das Stability-Forum das Gremium ist, wo das erörtert werden wird. Vielleicht kriegen wir tatsächlich schon einen kommuniquéfähigen Text bis zum Sommer in Heiligendamm.

    Heinemann: Eine abschließende Frage noch zu einem anderen Thema: Die asiatischen Länder stehen unter Druck. Das heißt, die japanische und die chinesische Währung sind chronisch unterbewertet, was dem Export dieser Volkswirtschaften nutzt. Rechnen Sie in absehbarer Zeit mit einer Aufwertung von Yen und Yuan?

    Walter: Die beiden Währungen sind zunächst einmal in meinem Urteil auch nicht fair bewertet. Sie sind unterbewertet. Die Frage, ob die Chinesen dabei in der nächsten Zeit gravierende Korrekturen vornehmen, würde ich glatt für ausgeschlossen halten. Die chinesische Führung will soziale Spannungen auf jeden Fall vermeiden, will die wandernden Chinesen aus dem Hinterland in den Küstenstädten beschäftigen. Und dazu brauchen sie kräftiges Wachstum und auch Exportwachstum. Um das nicht zu gefährden, werden sie eine deutlichere Aufwertung des Yuan, glaube ich, nicht zulassen. 2,5, 3 Prozent, vielleicht auch 5 Prozent ja, aber das korrigiert das Problem nicht.

    Beim Yen? Auch dort würde ich sagen: Yen ist falsch bewertet. So ungefähr 100 Yen zum Dollar wäre wahrscheinlich fair. Aber das Unglück ist, dass es in meinem Urteil nur Rezepte gibt, den Yen zu einer höheren Bewertung zu führen, die das Land Japan in ganz besondere ökonomische Schwierigkeiten bringen, sprich höhere Zinsen. Höhere Zinsen können die Japaner derzeit überhaupt nicht gebrauchen. Wenn die höhere Zinsen hätten, würde ihre Inlandsnachfrage sehr, sehr schwach werden, der Leistungsbilanzüberschuss noch größer. Das kann man nicht wollen.

    Heinemann: In den "Informationen am Mittag" sprachen wir im Deutschlandfunk mit Professor Norbert Walter, dem Chefökonomen der Deutschen Bank. Dankeschön für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Walter: Gerne. Wiederhören.