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China vor dem Volkskongress
Mit Xi-Jinping-App gegen Krisenstimmung

Das Wachstum in China schwächt sich ab, die Exporte wachsen weniger, die Staatsverschuldung nimmt zu. Angespannte Stimmung vor dem Volkskongress in Peking. Auch die Kommunistische Partei scheint verunsichert. Eine App soll nun die Gedanken Xi Jinpings noch tiefer in die Köpfe der Menschen bringen. 

Von Axel Dorloff | 04.03.2019
Xi sitzt an einem Tisch und spricht, vor sich eine Tasse Tee.
Chinas Präsident Xi Jinping: Seine Gedanken gibt es nun auch als App. (AFP/Mark Schiefelbein)
"Lerne über das starke Land", so heißt die neue App. Auf Chinesisch: Xuexi Qiang Guo. Das Xi im Wort Lernen ist auch der Name von Staats- und Parteichef Xi Jinping. Die Botschaft als auch: Lerne über Xi, in der App geht es fast ausschließlich um ihn. Seine Auftritte, seine Reden, seine Theorien zur "Neuen Ära des Sozialismus". Wer diese Form der Propaganda nötig hat, muss sich bedroht fühlen, sagt dieser Kritiker über die neue Xi-Jinping-App. Aus Angst vor Konsequenzen möchte er anonym bleiben.
"Ein Diktator wird sich nie absolut sicher fühlen. Ich denke, dass in der aktuellen Situation viele gegen den Diktator sind. Er nimmt das vermutlich auch selbst wahr, die kritischen Stimmen innerhalb der Macht-und Interessengruppen der Partei werden lauter."
Die App schaffte es zeitweise zur am meisten heruntergeladenen App in China. Auch weil der Umgang mit ihr für viele Staatsbedienstete Pflicht ist. Die Stimmung vorm Nationalen Volkskongress wirkt angespannt, die Führung scheint nervös. Erst kürzlich hat Staats- und Parteichef Xi Jinping hunderte hohe Kader zu einer Krisensitzung zusammengerufen. Thema: Chinas große Herausforderungen. Der Handelsstreit mit den USA, die hohe Staatsverschuldung, drohende Unternehmenspleiten und ein möglicher Anstieg der Arbeitslosigkeit. Das Vertrauen in Xi bröckelt, behauptet der Kritiker aus Peking.
"Einige Professoren in China fordern, die Begrenzung der Amtszeit für den Staatspräsidenten wiederherzustellen und die Verfassung erneut zu ändern. Sie sind gegen den Personenkult. Solche Appelle gibt es in jüngster Zeit öfter. Die Macht von Xi Jinping ist nicht so stark wie früher, schwächer als vor der Verfassungsveränderung."
Vorbereitung für den Volkskongress
Beim Volkskongress vor einem Jahr war es das große Thema: Die Verfassungsänderung hat die Begrenzung der Amtszeit für den Staatspräsidenten aufgehoben. Solche Projekte gibt es dieses Mal nicht. Dafür soll ein Gesetz zur Neu-Regelung von ausländischen Investitionen kommen. Das wäre zumindest ein Signal, dass Peking weitere Schritte zur oft geforderten Marktöffnung unternimmt. Und ein Zeichen Chinas vor allem an die USA, denn noch gibt es keine Einigung im Handelsstreit. Als am Wochenende das so genannte Beraterparlament in Peking eröffnet wurde, kamen die üblichen Phrasen vom Vorsitzenden Wang Yang.
"Wir befinden uns in einer neuen historischen Epoche. Die Herausforderungen, die vor uns liegen, sind schwer, der Weg ist lang. Wir müssen uns vereinen, um das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei mit unserem Genossen Xi Jinping an der Spitze. Wir halten die Flagge des Sozialismus chinesischer Prägung hoch und folgen den Xi-Jinping-Theorien zur Neuen Ära des Sozialismus chinesischer Prägung."
Auch dafür gibt es jetzt die Xi-Jinping-App, um diese Botschaften und Phrasen tief in die Köpfe der Menschen zu bekommen. Trotzdem: Die App sei alter Wein in neuen Schläuchen, sagt der anonyme Kritiker.
"Vor der App war es die Serie der Xi-Jinping-Bücher über das Regieren. Auch dazu wurden die Leute gezwungen, von einer Ausgabe wurden mehr 20 Millionen Exemplare veröffentlicht. Jetzt zwingen sie einen, diese Propaganda-App herunterzuladen. Das ist das gleiche wie die Zwangsabonnements der Parteizeitungen. Das ist alles nichts Neues."
Zehn Tage lang dauert die Tagung des Volkskongresses in Peking. In der Regel nicken die rund 3.000 Delegierten des chinesischen Schein-Parlaments all das ab, was die Regierung an Vorlagen einreicht. Gegenstimmen gibt es höchst selten bis gar nicht. Aber für dieses Jahr sind sich manche Beobachter nicht ganz sicher.