Religionsfreiheit
Millionen Christen weltweit feiern trotz Repressionen und Angst

Nicht alle Christen können Weihnachten in Frieden und Sicherheit feiern. In Dutzenden Ländern wird ihr Glaube unterdrückt. Freie Ausübung der Religion wird oft dort behindert, wo es auch um andere Menschenrechte nicht gut bestellt ist.

    Indische Männer christlichen Glaubens protestieren mit Plakaten gegen christenfeindliche Gewalt im indischen Westbengalen.
    Angehörige der Bangiya Christiya Pariseba, eines konfessionsübergreifenden christlichen Verbands, protestieren im Frühjahr 2024 in Kolkata gegen Gewalt gegen Christen im indischen Westbengalen. (picture alliance / NurPhoto / Debajyoti Chakraborty)
    Die NGO Open Doors, die sich als Hilfswerk für verfolgte Christen versteht, führt in ihrem Weltverfolgungsindex für 2025 an, dass mehr als 380 Millionen Christen in 78 Ländern wegen ihres Glaubens Verfolgung und Diskriminierung ausgesetzt seien. 
    Eine allgemein anerkannte Definition des Begriffs "Verfolgung" existiert aber nicht. Das räumt auch Open Doors ein und nimmt für sich in Anspruch einem "weiten Verständnis" des Begriffs zu folgen, das verschiedene Formen von Diskriminierung einschließt. Dazu gehören neben Gewalt auch feindselige Haltungen, Worte und Handlungen gegenüber Christen.
    Der evangelische Theologe und Menschenrechtsexperte Thomas Schirrmacher, Herausgeber des Jahrbuchs Religionsfreiheit, präzisiert: "Die Zahlen sind substanziell. Das heißt aber nicht, dass 380 Millionen Christen verfolgt werden oder im Gefängnis sitzen, sondern dass 380 Millionen Christen in Situationen leben, in denen sie keine Religionsfreiheit haben und ihnen die Verfolgung droht." 

    Inhalt

    Die Lage der Christen an einigen Orten

    Nordkorea 
    Die Juche-Ideologie als offizielle Staatsdoktrin Nordkoreas erlaubt grundsätzlich keine Ausübung von Religion. Diese Verletzung der Glaubensfreiheit betrifft natürlich nicht nur die Christen im Land, sondern auch Gläubige anderer Religionen. 
    Offiziell gibt es die katholische Kirche in Nordkorea zwar, sagt der südkoreanische Theologe James Byun. Doch die aktuelle Lage der Christen in dem verschlossenen Land sei völlig unklar. Vor einigen Jahren sei ihre Zahl auf 3000 geschätzt worden. Sofern es Gottesdienste gebe, würden sie allenfalls von Laienpriestern abgehalten. 
    Die Regierung unterhalte zwei oder drei Kirchen in der Hauptstadt, sagt der Aktivist Kim Geum-hyok, der aus Nordkorea geflohen ist. "Doch das macht sie nur, um behaupten zu können, dass sie Christen nicht verfolge. Wenn westliche Touristen ins Land kommen, zeigt man ihnen die Kirchen. Aber das ist nichts als Show." 
    Gaza-Streifen: 
    Etwa 600 Menschen gehören zur römisch-katholischen Gemeinde in Gaza. Vor dem Krieg waren es 1000, einige sind geflohen, andere sind bei den Kampfhandlungen gestorben. Das Gemeindezentrum mitten in Gaza-Stadt war für Menschen während des Krieges auch ein Schutzort, rund 400 Menschen sind dort untergekommen. Doch auch das Gemeindezentrum wurde von Angriffen getroffen, dabei sind auch Menschen gestorben. 
    Durch die Waffenruhe hat sich die Sicherheit verbessert, doch sie ist brüchig. Regelmäßig gibt es trotzdem Angriffe und Tote. "Die Lage der christlichen Gemeinschaft unterscheidet sich nicht von allen anderen, sie haben alles verloren", sagt Pierbattista Pizzaballa. Er ist der höchste Vertreter der katholischen Kirche im Heiligen Land, regelmäßig hat er die Gemeinde in Gaza in den vergangenen Monaten besucht. 
    Syrien: 
    Seit etwa einem Jahr regiert Ahmed al-Scharaa als Übergangspräsident in Syrien. Er hat versprochen, religiöse Minderheiten zu schützen, doch die sorgen sich trotzdem um ihre Zukunft und ihr Leben. 
    In der syrischen Hauptstadt Damaskus gab es im Juni 2025 einen Selbstmordanschlag in einer Kirche. 25 Menschen sind gestorben. Die Übergangsregierung hat den Islamischen Staat (IS) für den Anschlag verantwortlich gemacht. Der Staat versuche, Schutz zu bieten, sagt ein Gemeindemitglied in Damaskus, "doch das Problem ist das Chaos, die Extremisten finden ihren Weg."
    Etwa 300.000 Christen leben in Syrien, im Jahr 2011 waren es noch 1,5 Millionen. Hunderttausende wurden durch den Krieg vertrieben, rund 120 Kirchen und Gebetsorte sind zerstört. Christen machen nur noch etwa drei Prozent der Bevölkerung aus. 
    Indien  
    Auch in Indien sind sowohl Christen als auch Muslime von Repression betroffen. Die Regierung des Premiers Narendra Modi hat in den vergangenen Jahren den Druck auf beide Glaubensgemeinschaften massiv erhöht. Dazu gehören die sogenannten Antikonversionsgesetze.  
    Diese besagen, dass Anhänger dieser Religionen nicht aktiv missionieren dürfen. Zwar gibt es keinerlei Belege dafür, dass Christen versucht haben, Hindus zur Konversion zu bringen, aber die Gesetze wurden wiederholt dazu missbraucht, ebensolche Vorwürfe gegen Christen zu erheben. In vielen Fällen kam es dabei sowohl zu Verhaftungen und Prozessen, aber auch – durch angestachelte Hindus – zu Mobgewalt mit Toten und Zerstörung von Kirchen. 
    Pastor Vijayesh Lal von der Evangelical Fellowship of India sagt, dass die Zahl christenfeindlicher Vorfälle seit dem Amtsantritt Modis stark gestiegen sei. 2024 habe es 834 Vorfälle gegeben, Christen würden verprügelt, Gottesdienste würden gestoppt. Die Angriffe auf Christen hielten weiter an. So seien etwa im Herbst 2025 neun christliche Familien aus ihrem Dorf vertrieben worden, weil sie ihren Glauben nicht verleugnen wollten. Auch Muslime und Sikhs lebten unter Repressionen litten, sagt Lal.  
    Nigeria 
    Seit vielen Jahren greifen islamistische Gruppen – vor allem Boko Haram und ein westafrikanischer IS-Ableger – Christen an, entführen und ermorden sie. Die Christen leben vor allem im Süden Nigerias. Doch die Gewalt richtet sich auch gegen Muslime, denn die meisten Angriffe gibt es im mehrheitlich von Muslimen bewohnten Norden des Landes. Die Terrorgruppen wollen einen islamischen Staat errichten, in dem strenge Scharia-Gesetze gelten – das ist auch für moderate Muslime eine Bedrohung. 
    Es handele sich nicht um einen Völkermord an Christen, sagt Malik Samuel von der NGO Good Governance Africa, denn die Opfer der Gewalt von Boko Haram sind mehrheitlich Muslime. Die Terroristen nutzen Entführungen auch, um durch Erpressung Einnahmen zu generieren. 
    China 
    Seit der Machtübernahme Xi Jinpings 2012 hat sich die Lage verschlechtert, die Kommunistische Partei (KP) versucht, die Kontrolle über die Bevölkerung insgesamt auszuweiten. Nur Kirchen, die direkt von der Partei kontrolliert werden, sind zugelassen. Die Religionsausübung wird detailliert reguliert. Die Religionsgemeinschaften müssen sich an die politischen Leitlinien der Regierung halten und ihre Politik aktiv unterstützen. Entsprechende Inhalte müssen in Predigten an die Gläubigen weitergegeben werden.   
    Im Zuge der Ausweitung der staatlichen Kontrolle hat es viele Festnahmen gegeben und Kirchengebäude wurden abgerissen. Zuletzt wurden im Herbst 2025 etwa 30 Pastoren und Mitglieder einer protestantischen Kirche in sieben Provinzen verhaftet. Unter den Repressionen der KP leiden in besonderem Maße auch die muslimischen Uiguren in der Provinz Xinjiang, von denen viele in Internierungslagern festgehalten werden. 

    Gründe der Gewalt gegen Christen 

    Die Gründe für die Repressionen im Allgemeinen – und auch speziell gegenüber Christen – sind vielfältig und auch von Land zu Land unterschiedlich. In Ländern wie Nordkorea oder China sind es autoritäre Regime, die in freier Religionsausübung eine potenzielle Gefahr für die Stabilität ihrer Herrschaft oder Ideologie sehen. 
    In Nigeria kommt neben dem Terror, der sich gegen Christen und Muslime richtet, die eine islamistische Ideologie ablehnen, die Entführungskriminalität hinzu, die ebenfalls Anhänger beider Glaubensrichtungen betrifft. Durch Lösegelder bereichern sich sowohl die djihadistischen Terrorgruppen Boko Haram und der IS in Westafrika, als auch gewöhnliche Kriminelle.
    In Indien regiert seit 2015 Premier Narendra Modi mit seiner hindunationalistischen BJP, die sich auf die in Teilen aggressive und rassistische Hindutva-Ideologie beruft. Kritiker werfen Modi seit Jahren vor, Indien zu einem religiös-nationalistischen Staat umzubauen.
    Entsprechende pro-Hindu Gesetze haben zu einer gesellschaftlichen Verrohung beigetragen und viele Hindus sehen feindliches Verhalten gegenüber Andersgläubigen legitimiert. Verstärkt wird dies dadurch, dass derlei Übergriffe und Gewalt in der Regel nicht geahndet werden.

    Ist der Begriff "Christenverfolgung" angemessen? 

    Der Begriff "Verfolgung" werde – weil es eben keine allgemein anerkannte Definition gibt – je nach Kontext unterschiedlich verwendet, sagt der Theologe Christof Sauer. Im Flüchtlingsrecht sei der Begriff beispielsweise gar nicht definiert. Dort werde nur umschrieben, wann jemand Schutz gewährt werden soll. Daher engten Drittstaaten den Begriff stark ein, um möglichst wenig Verantwortung für Menschen aus anderen Staaten zu haben. Noch weiter eingeschränkt werde der Begriff im internationalen Strafrecht, dort würden nur allerschwerste Vergehen unter dem Begriff religiöse Verfolgung gefasst.  
    Die Definition des Begriffs durch Open Doors ist weiter gefasst, denn das Ziel des Hilfswerks ist, die Lebensumstände von Christen in allen Bereichen zu verbessern. 
    Für Verwirrung und Unmut sorgte Bundestagspräsidentin Julia Klöckner im Sommer 2025. Sie hatte angeordnet, dass die Regenbogenflagge am Reichstag zum Christopher-Street-Day nicht gehisst wird. Ihre Entscheidung hatte sie u.a. damit begründet, dass Christen die weltweit größte verfolgte Gemeinschaft seien.
    US-Präsident Trump drohte Nigeria Anfang November 2025 mit einem Militäreinsatz, falls die dortige Regierung nichts gegen das Töten von "Tausenden von Christen" durch Islamisten und die "existenzielle Bedrohung des Christentums" im Land unternehme – ohne Beweise dafür vorzulegen. Die nigerianische Regierung wies diese Anschuldigung mit Nachdruck zurück.
    Ob man nun den möglicherweise zur Vereinfachung komplexer Sachverhalte und zur politischen Vereinnahmung anfälligen Begriff "Christenverfolgung" benutzen mag, oder lieber von "Verletzungen von Religionsfreiheit" spricht, müsste wohl im Einzelfall, von Land zu Land, und unter Berücksichtigung des Ausmaßes der Repression entschieden werden.  
    Insgesamt jedoch hat das Ausmaß dieser Repressionen gegenüber Christen in den letzten Jahren zugenommen, so wie auch die Zahl autoritär regierter Staaten zugenommen hat, in denen Menschenrechte grundsätzlich nicht oder immer weniger beachtet werden. 

    rja