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CO2-Speicherung
Wie wir das Klima reparieren könnten - vielleicht

Die Welt lässt sich viel Zeit mit dem Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas, während das Klima sich immer weiter erwärmt. Ein Ausweg könnte sein, das Treibhausgas CO2 nachträglich aus der Atmosphäre zu entfernen und dann zu speichern. Doch das ist bislang wenig erforscht – und könnte teuer werden.

Von Georg Ehring |
Die Co2-Aufbereitungsanlage des Vattenfall Kraftwerk mit Co2-Abscheidung in Schwarze Pumpe (Brandenburg), aufgenommen am 05.09.2013. Seit 2008 arbeiten Experten in der Pilotanlage an der Abtrennung des Klimagases Kohlendioxid aus Rauchgas. Dadurch lässt sich der Klimakiller unterirdisch speichern (Carbon Capture and Storage - CCS-Technik) oder anderweitig nutzbar machen. Im Interview mit dpa spricht der Geschäftsführer der VE Technology Research GmbH, über Ergebnisse und Probleme. Foto: Arno Burgi/dpa (zu dpa-Interview am 06.09.2013) | Verwendung weltweit
Mit CO2-Speicherung wird immer wieder experimentiert, etwa vor einigen Jahren in Brandenburg (picture alliance / dpa / Arno Burgi)
"Wenn wir so weitermachen, wie bisher? Sehen Sie die Spitze von der Quadriga? Bis dahin geht das Wasser, wenn alle Pole geschmolzen sind."
"Kohle finde ich ein Riesenproblem. Man müsste auf jeden Fall 100 Prozent erneuerbare Energien nutzen in der Zukunft."
"Wir wissen seit über 30 Jahren, dass dringender Handlungsbedarf ist. Und die Schritte, die wir machen, sind allenfalls winzige Schritte, wenn es nicht Rückschritte sind."
Seit über einem Jahr fordern Schülerinnen und Schüler Freitag für Freitag mit Schulstreiks, dass die Politik ernst macht mit dem Klimaschutz. Trotz Corona-Pandemie, mit Abstand und Maske, gab es im September erneut einen weltweiten Aktionstag – in Berlin, aber auch in vielen anderen Städten in Deutschland und weltweit. Die Forderung: So bald wie möglich soll die Welt aufhören, Treibhausgase wie CO2 in der Atmosphäre anzureichern.
"Wir müssen die Vorreiter sein"
Weil ärmere Länder es da vermutlich schwerer haben, müssen die Industrienationen eine Vorreiterrolle übernehmen, sagt Etienne Denk, er studiert in München Philosophie und Soziologie und engagiert sich für Fridays for Future.
"Und das bedeutet eben für uns reiche Industrienationen, dass wir das dann noch deutlich früher schaffen müssen, weil wir eben die Vorreiter sein müssen. Das heißt: In Deutschland sagen wir eigentlich, an 2035 geht eigentlich nichts vorbei, wenn wir verantwortungsvoll handeln möchten."
In 15 Jahren dürfen demnach keine Kohle- oder auch Gaskraftwerke mehr CO2 in die Luft blasen. Autos gibt es nur noch ohne Verbrennungsmotor, Häuser werden energetisch saniert, so dass sie kaum noch Heizenergie brauchen, und die Landwirtschaft wird klimaverträglich, was unter anderem eine drastische Senkung des Fleischkonsums bedeuten würde.
"Das ist zwar superschwierig, das ist ein Riesen-Kraftakt, aber eigentlich führt da kein Weg dran vorbei."
Bundesregierung peilt 2050 an
Aus der Klimawissenschaft kommt nahezu einhellig Unterstützung für die Demonstrantinnen und Demonstranten: Ohne schnelle Erfolge im Klimaschutz werden Hitzewellen und Dürren noch häufiger, Wirbelstürme noch verheerender, Überschwemmungen extremer und der Anstieg des Meeresspiegels wird sich beschleunigen.
Ingenieurin auf dem Dach der CO2-Abscheidungsanlage im norwegischen Mongstad
Zurück in die Tiefe
Auf dem Papier klingt die Idee zukunftsweisend: CO2 wird aus der Atmosphäre wieder eingefangen und eingelagert. Die Politik kalkuliert längst mit Kohlendioxid-Entnahmeverfahren – aber die Technologie ist umstritten.

Netto null Emission ist auch das Ziel der Bundesregierung, allerdings will sie sich mehr Zeit lassen: bis 2050. Ab Mitte des Jahrhunderts soll also allenfalls dann noch Kohlendioxid in die Atmosphäre entweichen, wenn für jede Tonne anderswo eine Tonne wieder aus der Atmosphäre verschwindet – auf welchem Weg auch immer. Auch dies ist ein anspruchsvolles Ziel. Doch zwischen Anspruch und Wirklichkeit klaffen gewaltige Lücken, so Lisa Göldner von der Umweltschutzorganisation Greenpeace:
"Ja, wir brauchen ganz dringend eine Trendwende weg von einer Klimapolitik der leeren Worte und der vagen Versprechungen hin zu wirklich wirksamen Maßnahmen. Alles, was die deutsche Bundesregierung bislang auf den Tisch gelegt hat, reicht nicht aus für einen fairen Beitrag Deutschlands zum Erreichen der Pariser Klimaziele."
Wie bekommt man die Zahnpasta zurück in die Tube?
Für mehr Klimaschutz gibt es eine zusätzliche Option, die bisher noch kaum genutzt wird: Wenn der Mensch CO2 in die Luft entlässt, dann könnte er es auch wieder entfernen. Auf den ersten Blick hört sich das vermessen an, schließlich ist das farb- und geruchlose Gas gleichmäßig und unsichtbar in der Luft verteilt. Unsere Atmosphäre besteht derzeit zu 0,04 Prozent aus CO2. Das klingt wenig, ist aber fast 50 Prozent mehr als vor der Industrialisierung, und die Tendenz ist schnell steigend. Es wieder einzufangen, erscheint ungleich schwieriger als die berühmte Zahnpasta zurück in die Tube zu drücken. Trotzdem gibt es in der Schweiz ein Unternehmen, das genau dies zum Geschäftsmodell erklärt hat: Die Firma Climeworks in Zürich. Daniel Egger leitet dort das Marketing:
"Wir haben Anlagen gebaut und diese Anlagen filtern das CO2 direkt aus der Luft. Eine Anlage können Sie sich so vorstellen, dass wir Filterboxen haben. Das sind Metallkästen, die auf beiden Seiten eine Öffnung haben, wo wir die Luft durchziehen. Und die Luft wird dann durch ein Filtermaterial gezogen, und dieses Filtermaterial entnimmt der Luft dann das CO2."
Wenn das Filtermaterial aus den jeweils knapp zwei Meter hohen Metallkästen anschließend erwärmt wird, tritt das CO2 wieder aus und kann abgeschieden werden. Das Filtermaterial lässt sich Egger zufolge mehrere tausend Male wiederverwenden. Das Kohlendioxid lässt sich entweder nutzen oder im Boden lagern, um es dauerhaft von der Atmosphäre fernzuhalten.
"Die Anlage, die man noch am meisten kennt, das ist die in Hinwil, das ist außerhalb von Zürich. Und dort liefern wir einen Teil des CO2 an Coca-Cola für ein Mineralwasser, das zu Coca-Cola gehört, und dort machen wir im Prinzip die Blasen des Mineralwassers. Ein anderer Teil geht in ein Gewächshaus und dort wird das CO2, wenn man so will, als Dünger gebraucht, damit die Pflanzen schneller wachsen. Dann haben wir eine Anlage in Island, und dort pressen wir das CO2 wieder in den Boden, dort reagiert es mit dem Gestein und mineralisiert, also wird wieder zu Stein, und dort können wir so genannte negative Emissionen generieren."
Null Emission wird nicht in allen Branchen gehen
Knapp 600 bis unter 1.000 Euro kostet die Entnahme einer Tonne CO2 aus der Luft mit der Technik von Climeworks derzeit. Weit mehr als die 25 bis 30 Euro, die für das Recht zum Ausstoß der gleichen Menge CO2 im europäischen Emissionshandel zurzeit zu zahlen sind. Doch die Preise könnten sich ändern: Langfristig strebt die Firma an, auf weniger als 100 Euro pro Tonne zu kommen.
Die Debatte darüber, ob, und wenn ja, in welcher Größenordnung Techniken zur CO2-Entfernung aus der Atmosphäre genutzt werden sollten, hat in den vergangenen Jahren an Fahrt aufgenommen. Ein Grund dafür: Selbst wenn die ganze Welt entschlossen auf Klimaschutz-Kurs gehen sollte – komplett vermeiden lässt sich die Emission von Treibhausgasen nicht. Oliver Geden von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin.
"Es gibt einige Prozesse, nehmen Sie Luftverkehr, nehmen sie auch manche Chemie- oder Industrieprozesse, nehmen Sie Landwirtschaft – Methan – die wird man wohl nicht dahin bekommen, dass da gar keine Emissionen mehr ausgestoßen werden. Wir kennen den technischen Fortschritt natürlich nicht, aber das wird man ausgleichen müssen."
Die CCS-Versuchsanlage in Tomakomai mit ihren drei markanten Metalltürmen 
300.000 Tonnen CO2 unter dem Meeresboden
Ein staatlich finanziertes Projekt in Japan hat in dreieinhalb Jahren 300.000 Tonnen Kohlendioxid abgeschieden und im Meeresboden gespeichert. Es soll zur Verbesserung der Klimabilanz des Landes beitragen.
"Die einfachste Methode ist Aufforsten"
Wie das gehen soll, daran forschen Wissenschaftler in aller Welt und sie haben eine Reihe von möglichen Wegen gefunden. Die technische Entfernung von CO2 aus der Luft ist vielleicht die bislang kühnste, aber bei weitem nicht die einzige Idee. Auf den ersten Blick viel einfacher ist das Anlegen von Wäldern. Oliver Geden:
"Die einfachste ist Aufforsten. Die Bäume wachsen, binden über Photosynthese CO2. Irgendwann wachsen sie nicht mehr, also sagen wir mal nach 100 Jahren, je nachdem über welche Baumbestände wir reden, wachsen sie nicht mehr. Aber: Ich habe CO2 im Baum, im Wald gebunden, allerdings möglicherweise nicht stabil, weil der könnte ja abbrennen oder es gibt Krankheiten."
Zudem ist die Welt heute von einer Vermehrung ihrer Waldbestände weit entfernt. Gerade in den Tropen wird in gewaltigem Umfang Wald abgeholzt, was die Erderwärmung noch zusätzlich anheizt.
Es gibt freilich weitere Alternativen, wenn es um die Entfernung von CO2 aus der Atmosphäre geht. Möglich wäre etwa der Bau von Kraftwerken, die Biomasse verbrennen, also Holz oder Pflanzenreste. Das entstehende CO2 müsste abgeschieden und eingelagert werden. Das Kohlendioxid, das die Pflanzen für ihr Wachstum aufgenommen haben, würde auf diese Weise dauerhaft verschwinden.
CO2 in Erdgaslagerstätten speichern
Die CO2-Speicherung im Untergrund selbst gilt seit Jahren als Option im Klimaschutz. Damit beschäftigt sich Franz May, er leitet bei der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe den Arbeitsbereich für tiefe Geothermie und CO2-Speicherung. Er sieht Speichermöglichkeiten zumindest für mehrere Jahrzehnte.
"Die Speichermöglichkeiten bestehen einerseits in den tiefen Salzwasser führenden Schichten, die eine recht weite Verbreitung haben, wo wir auch sehr große Speicherkapazitäten erwarten würden, aber wo die Unsicherheiten auch groß sind, weil diese bisher nicht erkundet wurden. Auf der anderen Seite haben wir Erdgasfelder, die zum Teil weitgehend erschöpft sind und die geförderte Erdgasmenge ist bekannt und dort kann man die Speicherkapazitäten verlässlicher abschätzen, und allein in den Erdgaslagerstätten in Deutschland, da könnten wir zweieinhalb Gigatonnen CO2 speichern."
Das ist etwa so viel, wie Deutschland derzeit in drei Jahren ausstößt. Doch das klimaschädliche Gas müsste im Boden bleiben, und nicht etwa wieder entweichen. Franz May:
"Wir haben natürliche CO2-Lagerstätten auch in Deutschland, in denen dieses CO2 seit zehn bis 20 Millionen Jahren in der Erde ist. Aber für Klimaschutzzwecke reicht es wahrscheinlich, wenn wir sagen können: Der größte Teil des CO2 wird zehntausend Jahre im Boden bleiben, und wenn er dann nur langsam entweicht, können die natürlichen Kohlenstoffsenken das CO2, das entweichen würde, auch wieder aufnehmen."
Bürger gegen CO2-Endlager
Widerstand aus der Bevölkerung ist der wichtigste Grund dafür, dass diese Technik in Deutschland bisher nicht genutzt wird. Ein Forschungsprojekt für die Speicherung von CO2 im Boden wurde im Jahr 2004 ins Leben gerufen, das Gas wurde in poröse Sandsteinschichten in 630 bis 650 Metern Tiefe gepumpt. Mit Erfolg, das Kohlendioxid blieb im Boden. Doch dem Pilotprojekt im brandenburgischen Ketzin folgten keine weiteren. Bürgerinitiativen wehrten sich gegen Endlager für CO2.
Bei aller Unsicherheit: Unkonventionelle Techniken im Klimaschutz werden gebraucht. Auch, um den langsamen Ausstieg aus der Verbrennung von Kohle, Öl und Gas zu kompensieren. Selbst bei entschlossenem und weltweitem Umsteuern beim Klimaschutz erwarten Forscher, dass der CO2-Gehalt der Atmosphäre schon in wenigen Jahrzehnten so hoch sein wird, dass die weltweite Durchschnittstemperatur um deutlich mehr als zwei Grad über der des vorindustriellen Zeitalters liegen wird.
Die meisten Klimamodelle arbeiten längst mit der Annahme, dass in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts Techniken zur Verfügung stehen werden, die Treibhausgase wieder zu entfernen. Claire Fyson vom Forschungsinstitut Climate Analytics hat zusammen mit anderen Wissenschaftlern Vorschläge ausgearbeitet, wer die Entfernung von CO2 aus der Atmosphäre bezahlen soll. In einer Studie präsentierten sie zwei Lösungsmöglichkeiten:
"Eine Möglichkeit wäre, dass die Länder, die einen größeren Anteil an der Verursachung des Klimawandels haben, die mehr Treibhausgase ausgestoßen haben und noch ausstoßen werden, auch für einen größeren Teil ihrer Beseitigung aufkommen müssen. Die andere Möglichkeit wäre, dass wir auf den Reichtum der Länder schauen. Die Reicheren müssten dann einen größeren Teil der Lasten tragen."
Elbingerode (Sachsen-Anhalt): Das Kalkwerk der Fels Werke GmbH am 07.11.2002 bei Elbingerode im Harz. In den Betrieb, der aus dem VEB Harzer Kalk und Zementwerke hervorgegangen ist und der Kalkprodukte herstellt, In dem Betrieb, der aus dem VEB Harzer Kalk und Zementwerke hervorgegangen ist und der Kalkprodukte herstellt, wurden in den letzten Jahren mehr als 60 Millionen Mark in Filter und Entstaubungsanlagen investiert. Außerdem verringerte man den Kohlendioxid-Ausstoß um 25 Prozent durch Verwendung von Erdgas in den Brennöfen. Ein großer Teil der Produkte wird per Schiene zum Verbraucher transportiert. (MGB452-121102) | Verwendung weltweit
CCS kann Klimaschutz helfen
Die Speicherung von CO2 im Boden ist in Deutschland umstritten. Zu Unrecht, findet Hans-Joachim Kümpel, Sprecher einer Arbeitsgruppe der Deutschen Akademie für Technikwissenschaften. Der Klimaschutz könne von dem Verfahren profitieren.
Die Verantwortung der großen Emittenten
Die alten Industriestaaten in Europa und Nordamerika sowie Japan müssten in beiden Fällen einen großen Teil der Lasten übernehmen, aufstrebende Schwellenländer in anderen Weltregionen kämen je nach Szenario in unterschiedlichem Umfang dazu. Claire Fyson:
"Es ist ziemlich klar, dass die großen Emittenten, also China, die USA und die EU, moralisch zum großen Teil für die Entfernung des CO2 aus der Luft in diesem Jahrhundert verantwortlich sind, zumindest solange sie nicht sehr viel mehr für den Klimaschutz tun."
Noch sind das theoretische Überlegungen. An Fahrt aufnehmen könnte die Debatte jedoch, wenn die Vertragsstaaten des Pariser Klimaabkommens ihre Pläne für die Verringerung der Emissionen aktualisieren. Derzeit würde die Erwärmung nach Schätzung von Klimaforscherinnen und Klimaforschern selbst dann bei etwa 2,5 bis drei Grad landen, wenn alle Länder ihre Pläne umsetzen. Für das Jahr 2020 wurde deshalb im Pariser Klima-Abkommen eine Aktualisierung der Ziele vereinbart. Claire Fyson erwartet, dass eine ganze Reihe von Ländern auch die Speicherung von Treibhausgasen mit in ihre Planungen einbezieht.
CO2-Speicherung "kann Umbau der Wirtschaft nicht ersetzen"
Die Europäische Union ist derzeit dabei, ihr Klimaschutzziel für die Zeit bis 2030 zu erhöhen, Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen setzt sich für eine Verschärfung von -40 auf -55 Prozent ein. Der Plan setzt auch auf CO2-Speicherung, vor allem in Wäldern. Viele Umweltschützer lehnen dieses Detail ab, auch wenn sie die Pläne der Kommission insgesamt meist als Schritt in die richtige Richtung begrüßen. Lisa Göldner von Greenpeace:
"Die Anrechnung von CO2-Speicherfunktionen von Wäldern und Böden reicht nicht aus, es kann den Umbau der Wirtschaft nicht ersetzen. Es ist auch keine Ergänzung, denn gerade wegen der Klimakrise nimmt diese CO2-Speicherfunktion von Wäldern weltweit ab. Weltweit stehen die Wälder in Flammen, sie ächzen unter der Klimakrise. Der Waldschutz ist wichtig, aber die Emissionen müssen auch real sinken."
In Deutschland ist diese Debatte längst angekommen. Die Bundesregierung gibt sich bisher zögerlich gegenüber Bestrebungen, das Instrumentarium des Klimaschutzes durch technische Lösungen zur Entnahme von CO2 aus der Luft oder zur Abscheidung aus Industrieschornsteinen zu erweitern. Andrea Meyer beschäftigt sich im Bundesumweltministerium als Referatsleiterin mit dem Thema:
"Also, CO2-Entnahme aus der Atmosphäre ist eine Reparaturtechnik, in gewisser Weise. Technisch effizienter und sinnvoller ist es natürlich, sie gar nicht erst zu emittieren. Das ist vielleicht der erste zentrale Punkt. Wenn Sie sie aber nun emittiert haben, weil es nicht anders geht - Landwirtschaft, Prozessemissionen aus der Industrie sind da ein Sorgenkind - dann muss man irgendwann tatsächlich darüber reden, wie man im Zweifelsfall auch aus der Atmosphäre diese Emissionen wieder entfernt. Dazu gibt es einige Forschungen auch im Ausland. Und im Grundsatz ist das richtig und gut, dass das beforscht wird."
Zweifel an der "sicheren Endlagerung"
Doch die Diskussion könnte nach Ansicht von Andrea Meyer leicht eine unerwünschte Schlagseite bekommen: Wenn es möglich ist, die Atmosphäre auch anders wieder in Ordnung zu bringen, könnte dies die Bemühungen um Klimaschutz durch Verringerung der Emissionen beeinträchtigen.
"Was aber nicht passieren darf, und den Eindruck haben wir manchmal, dass wir das als Alternative diskutieren. Es ist keine Alternative, sondern es ist etwas, was obendrauf kommt, wenn wir mit der Minderung der Treibhausgasemissionen nicht dort hinkommen, wo wir hinmüssen, nämlich ganz nah an die Treibhausgasneutralität dran. Tatsächlich ist aber immer erst mal an der Quelle anzusetzen und hinterher die Reparatur vorzunehmen. So würde ich das zusammenfassen."
Auch Lorenz Gösta Beutin, klimapolitischer Sprecher der Linksfraktion im Deutschen Bundestag, sieht die neuen Alternativen im Klimaschutz kritisch – auch in Bezug auf die Sicherheit der Speicherung von CO2 im Boden.
"Wir haben ja die Debatte auch bei der Atomkraft immer wieder gehabt. Es wurde erzählt, wie sicher das Ganze sei, wie sicher die Endlagerung sei. Und beim CCS gibt es ähnliche Problematiken. Man weiß nicht, wie das aus Gesteinsschichten entweichen kann, man weiß nicht, welche tektonischen Verschiebungen es geben kann und ähnliche Sachen. Das heißt: Es soll ja da langfristig gespeichert werden, aber genauso wie bei der Atomkraft bezweifeln wir auch hier, dass es da so etwas gibt wie eine sichere Endlagerung."
Schleppende "Akzeptanzdiskussion" in Deutschland
Lukas Köhler, der klimapolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, teilt diese Befürchtungen nicht. Für ihn ist die Diskussion über die Speicherung von Treibhausgasen im Boden längst überfällig – und sie könnte beim Klimaschutz zusätzliche Optionen bringen.
"Die CO2-Entnahme aus der Luft, aber auch die CO2-Speicherung, sind vielleicht keine Alternativen zum aktuellen Klimaschutz. Wir müssen weiterhin natürlich die Reduktion von Treibhausgasen in den Vordergrund rücken, aber sie sind eine notwendige Ergänzung, wenn wir wirklich Klimaneutralität, CO2-Neutralität, Treibhausgasneutralität, umsetzen wollen."
In welchem Umfang Treibhausgase abgeschieden und gespeichert werden sollten, ist für Köhler vor allem eine Frage der Kosten: Technologien, die geringere Kosten verursachen, sollten sich durchsetzen. Der Emissionshandel, also der Handel mit dem Recht, Kohlendioxid in die Atmosphäre zu entlassen, sei auch für diese Techniken ein geeigneter Rahmen.
Für Köhler geht es dabei längst nicht mehr nur um Forschung, sondern um Umsetzung – andere Staaten wie etwa Norwegen seien in dieser Frage längst weiter.
"Diese Akzeptanzdiskussion, die müssen wir, glaube ich, dringend in Deutschland führen, und da muss auch die Politik endlich dazu kommen, von ihren ideologischen Grabenkämpfen wegkommen. Denn, eines ist klar, die Wissenschaft zeigt uns eindeutig Wege und Pfade auf, in denen wir die Speicherung von CO2 nutzen müssen."
Schild mit der Aufschrift "Klimaschutz braucht CCS CO2 Speicherung" auf der Fridays for Future Demo in München am 22.3.2019
CO2-Speicherung in der Nordsee?
Unterirdische CO2-Speicherung spielt eine große Rolle beim Erreichen der klimapolitischen Ziele. Aber viele Projekte sind bislang nicht über das Pilotstadium hinausgekommen. Das könnte sich bei CO2-Speicherung im Meer ändern.
Negativemissionen könnten das Klima abkühlen
Die Forschung denkt bereits an die fernere Zukunft. Vielleicht ab der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts könnte die Entfernung von CO2 aus der Atmosphäre sogar dafür sorgen, dass die Erwärmung zumindest teilweise rückgängig gemacht wird. Und zwar dann, wenn die Emission von Treibhausgasen nicht nur kompensiert, sondern überkompensiert wird. Netto negative Emissionen weltweit könnten das Klima wieder kühler machen. Mit der Erzeugung negativer Emissionen könnte sich auch für die Wirtschaft ein neues Geschäftsfeld auftun. Nachfrager wären Firmen, die Emissionsrechte brauchen, aber auch Staaten und Unternehmen, die ihre Klimabilanz aufbessern wollen. So weit ist es noch nicht – Oliver Geden von der Stiftung Wissenschaft und Politik:
"Es gibt kaum Unternehmen, die sagen: Das ist unser Geschäftsmodell, wir wollen zukünftig damit Geld verdienen, weil, dann müssten ja Anreize gesetzt werden und Unternehmen können ja sagen: Wir können negative Emissionen produzieren. Das klingt absurd aus heutiger Sicht - negative Emissionen produzieren. Aber das wäre es ja. Wir stellen die dann zur Verfügung und andere können Restemissionen damit ausgleichen. In Großbritannien sehen Sie jetzt den ersten großen Stromkonzern, der das machen will."
Wenn sich die Idee irgendwann durchsetzt und ein Markt für negative Emissionen entsteht, dann dürfte die Schweizer Firma Climeworks Konkurrenz bekommen. Ihr Vertriebschef Daniel Egger ist optimistisch, dass die Technik des Unternehmens beim Klimaschutz helfen kann.
"Es ist definitiv eine Lösung gegen den Klimawandel. Das ist für uns natürlich auch sehr wichtig, ob die Technologie so weit skalierbar ist, dass sie auch einen Unterschied machen kann, und ja, – die Technologie kann einen Unterschied machen. Das bedeutet aber nicht, dass man auf CO2-Emissionsreduktion verzichten kann. Wir brauchen beides."