Dienstag, 19. März 2024

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Comic-Westernreihe „Lincoln“
Keine Lust auf Gottes Pläne

Gott ist klein, machtlos und zahlt 5000 Dollar, damit zumindest ein Cowboy an ihn glaubt. So wird Gott beschrieben - von den Franzosen Olivier, Jérôme und Anne-Claire Jouvray in ihrer Comic-Westernreihe „Lincoln“. Der Berliner Theologe Jens Schröter kann den Comics trotzdem einiges abgewinnen.

Von Andrea Heinze | 16.10.2019
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Gott schmollt (links): Cowboy Lincoln macht sich über dessen Versuche lustig, ihn von seiner Göttlichkeit zu überzeugen (Lincoln © 2006 BELG Prod. Sàrl. www.groupepaquet.net)
Von wegen, Gott ist tot – Gott ist einfach irrelevant in diesem Comic: ein zahnloser, alter, kleiner Mann mit Poncho und zerbeultem Hut, der um die Titelfigur, den Cowboy Lincoln, hoppelt, um ihm zu beweisen, dass er wirklich existiert. Und dieser Lincoln findet es nicht mal der Mühe wert, diesen Gott zu verscheuchen, wie eine lästige Fliege.
"Schon wie Gott da dargestellt wird, als kleiner Mann mit Poncho und Hut, das ist natürlich nicht in ernsthaftem Sinne ein religiöses Thema, sondern es ist karikiert. Aber ich finde es überhaupt nicht verletzend, es ist nicht so, dass da in aggressiver Weise etwas gegen Religion aufgeboten werden soll, sondern diese religiöse Thematik wird für mein Empfinden auf eine heitere und angenehme Weise verarbeitet."
Lincoln: Stinkstiefel und Jesus-Figur
Jens Schröter ist Bibelwissenschaftler, genauer: Professor für Exegese und Theologie des Neuen Testaments an der Humboldt Universität in Berlin. Heiter findet er auch den Kampf von Gott und Teufel um die Seele von Lincoln, denn der Teufel ist genauso klein und machtlos wie Gott. Besonders interessant ist für Schröter aber die Figur des Lincoln. Denn der Comic-Cowboy ist ein nihilistischer Stinkstiefel, der an gar nichts glaubt, außer an seinen eigenen Vorteil – und wohl deshalb ist Lincoln so immun gegen die Einflüsterungen von Gott und Teufel. Zugleich gibt es aber einige Motive, die darauf hindeuten, dass dieser Lincoln eine Art Jesus-Figur ist. Am Anfang der Geschichte steht seine Geburt in ärmsten Verhältnissen: Die Mutter ist eine Prostituierte, der Vater unbekannt.
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Gott hat sich von Lincoln 5000 Dollar abluchsen lassen (Lincoln © 2006 BELG Prod. Sàrl. www.groupepaquet.net)
"Und natürlich, dass am Ende des ersten Bandes die Jünger auftauchen, diese drei Gestalten, die von da an den Lincoln begleiten, ist auch eine Anspielung auf die Jesus-Geschichte. Es gibt also offenbar einige eher zaghafte, also nicht zu stark ausgearbeitete Bezüge zu neutestamentarischen Themen. Auch dass der Teufel ihn dann nach New York in eine große Stadt führt, das kann man mit der neutestamentlichen Versuchungsgeschichte vergleichen, wo der Teufel Jesus auch auf einen Berg führt und ihm die ganze Welt zu Füßen legen will und auch in eine Stadt führt."
Keine Lust auf Gottes Pläne
Der Einzug in das New York der 1920er-Jahre findet im (aktuellen) dritten Band der Lincoln-Reihe statt. Der Teufel führt Lincoln in die Mafia-Gesellschaft ein, in der gerade ein ganz großer Raub geplant wird. Lincoln hört sich die Pläne an und will dann doch nicht mitmachen. Nicht etwa wegen moralischer Bedenken, sondern weil er einfach keine Lust hat. Damit löst er einen handfesten Bandenkrieg aus, bei dem auch das weltberühmte Plaza Hotel demoliert wird und bei dem Lincoln immer wieder mitmischt.
"Er ist ja eigentlich jemand, der sich nicht für irgendwelche ernsthaften ethischen Anliegen in Anspruch nehmen lässt. Und vielleicht ist das auch so eine gewisse Grundspannung, die in der Lincoln-Reihe zum Ausdruck gebracht werden soll, dass der Teufel und Gott bestimmte Interessen und Pläne haben, etwas wollen und der Lincoln dazwischen steht und ihm das egal ist. Und insofern wird dieses Religionsthema oder das Thema der Diskussion um höhere Werte oder etwas Grundlegendes, wird gebrochen durch die Figur des Lincoln. Das, könnte man sagen, ist so etwas, was einen neuen Akzent in die religiöse Thematik einbringt."
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Lincoln lässt sich auch vom Teufel nicht beeindrucken (Lincoln © 2006 BELG Prod. Sàrl. www.groupepaquet.net)
In Goethes Faust steht der Teufel für einen "Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft". Die Jouvray-Familie hingegen diskutiert in ihrer Comic-Reihe, ob es nicht mitunter die guten Absichten sind, die zum Bösen führen. Doch nie wird der Comic moralisierend, sondern ist mit so einer Leichtigkeit erzählt, dass man darüber lachen kann.
"Das ist so eine gewisse Komik in dieser Reihe, dass es mehrfach dazu kommt, dass er irgendwelche Gangster gefangen nimmt oder auch verprügelt oder so und dabei etwas Gutes tut, obwohl das gar nicht sein expliziter Vorsatz war. Man könnte sagen, dass so ein Kampf um höhere Werte hier bewusst gebrochen wird, dass diese Figur des Lincoln das in Frage stellt, ob so ein Kampf von Gott und Teufel um höhere Werte, ob das dem Befinden des Menschen in der Welt überhaupt angemessen ist."
"Konstellationen gegen den Strich gebürstet"
Das entspricht keinesfalls der Lehre des historischen Jesus. Aber das französische Künstler-Trio nimmt sich in seinen Lincoln-Comics nun mal die Freiheit, ausgerechnet diesen prügelnden Revolverhelden Lincoln immer wieder als Heiland zu inszenieren. Das gehöre nun mal zu ihrem humoristischen Konzept, sagt Theologe Jens Schröter – und das Schöne an dieser Comic-Reihe sei doch, dass Leser so über die eine oder andere christliche Lehre neu nachdenken könnten.
"Ich würde mal sagen, für mich wäre das Primäre daran, dass so festgefügte Konstellationen oder schwere dogmatische theologische Fragestellungen, dass die auch auf eine gewisse heiter-amüsante Wiese mal in Frage gestellt und gegen den Strich gebürstet werden. Einfach mal darauf hinzuweisen, dass man sich nicht immer mit zu schweren Geschützen umgeben soll, das ist so die Intention eines solchen Comics, als dass der mit einem großen Programm daher kommt. Mir scheint das so zu sein, dass hier auch mal was gegen den Strich gebürstet und in Frage gestellt werden soll."
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