Cathy will raus in die Freiheit. Ann will sie aber nicht raus lassen. Zwei Frauen, ein Machtkampf. Ein Kampf mit Worten, voller List und Tücken, psychologischer Raffinesse und subalternem Schlagabtausch. Eineinhalb Stunden lang nonstop, nur ab und an unterbrochen vom Telefonklingeln, das wieder auf die Amtsgewalt hinweist. Die Chancen für die Ex-Terroristin Cathy, nach 35 Jahren wieder aus dem Gefängnis entlassen zu werden, sind allem ersten Anschein zuwider aussichtslos. Ann, die Staatsanwältin, tut nur so, als ob sie Cathy eine Chance gibt:
"Sie haben das Gefühl, für uns wäre die Zeit gekommen, Sie freizulassen. Eine alte Frau, die zwar kein Mitleid verdient, aber doch auch keine Bedrohung mehr darstellt. Das ist doch der Kern Ihres Antrags! – Sehen Sie mich? – Ja, klar. – Bin ich eine Bedrohung? – Wo ist Altaire? – Ich weiß es nicht. – Wenn Sie es wüssten, würden Sie es mir sagen? – Was soll diese Frage? – Wer sind die… - Ja, das habe ich geschrieben. Ich habe nichts weiter zu gestehen. – Wenn Sie sich irren – dann müssen Sie im Gefängnis bleiben. – Wie unterscheidet sich das hier von einer Inquisition?!"
So einfach läuft es aber nicht in diesem Dialogstück. Cornelia Froboess als Cathy in einem grünen Anstaltsoverall, verstrubbelt und mit dicken Tränensäcken, und Sibylle Canonica als Amtsperson Ann, perfekt graues Designerkostüm, dezent rosé farbene Bluse, knallend hohe Absätze, zeigen mit ihrer ganzen schauspielerischen Stärke, wie die scheinbar festgelegten Rollen ins Rutschen kommen und zwischendurch vertauscht werden. Während die Langzeitinsassin eher lauernd ihre verbalen Pfeile abschießt, läuft die kühle Vertreterin der Staatsmacht immer nervöser hin und her und verliert schließlich ihre Contenance. Es geht ans Eingemachte, es wird persönlich:
"Arbeit, Haltung, Beruf, Studium. Was wollen Sie von mir? – Was glauben Sie? – Ich glaube, Sie wollen Rache. Macht! Ihrer Macht unterziehen!"
Ein handlungsarmes Stück, das noch mal reduziert auf die Vorbühne verlegt ist, vor eine kalkig ausgeleuchtete Leuchtstoffwand mit großformatigen Gitterstäben. Der Gefängnisraum. Verhandelt werden große und größte Themen, wofür der amerikanische Autor David Mamet berühmt ist und bejubelt wird. Sinnfragen des menschlichen Daseins, Schuld und Strafe, Scham und Buße, Reue. Und daneben geht es um die kleinen gemeinen Themen, wofür er auch berühmt ist: Sexualität, Verlassenwerden, Intimitäten, die die andere bloß stellen und das intellektuelle Gleichgewicht durcheinanderbringen. Moralisch gewinnt am Ende Cathy. Tatsächlich aber beschließt Ann, dass Cathy nicht aus dem Gefängnis kommt. Ein glattes Unentschieden also. Es bliebe alles nur die sophisticated, böse-bissige Hörspielfassung, spannungslos und so dahingesagt, wie der Titel "Die Anarchistin" am Thema vorbeizieht. Dass aber offenbar die deutschsprachige Erstaufführung am Münchner Residenztheater so packend rüberkam, liegt zum einen an den beiden Schauspielerinnen Froboess und Canonica, die aus der Kargheit eines Hörstücks ein Schauspiel weiblicher Expressivität par excellence zelebriert haben. Und zum anderen liegt es eindeutig daran, dass Regisseur Martin Kusej eine immer wieder erstaunliche Sensibilität für die Inszenierung weiblicher Psychologie aufbringt.
"Sie haben das Gefühl, für uns wäre die Zeit gekommen, Sie freizulassen. Eine alte Frau, die zwar kein Mitleid verdient, aber doch auch keine Bedrohung mehr darstellt. Das ist doch der Kern Ihres Antrags! – Sehen Sie mich? – Ja, klar. – Bin ich eine Bedrohung? – Wo ist Altaire? – Ich weiß es nicht. – Wenn Sie es wüssten, würden Sie es mir sagen? – Was soll diese Frage? – Wer sind die… - Ja, das habe ich geschrieben. Ich habe nichts weiter zu gestehen. – Wenn Sie sich irren – dann müssen Sie im Gefängnis bleiben. – Wie unterscheidet sich das hier von einer Inquisition?!"
So einfach läuft es aber nicht in diesem Dialogstück. Cornelia Froboess als Cathy in einem grünen Anstaltsoverall, verstrubbelt und mit dicken Tränensäcken, und Sibylle Canonica als Amtsperson Ann, perfekt graues Designerkostüm, dezent rosé farbene Bluse, knallend hohe Absätze, zeigen mit ihrer ganzen schauspielerischen Stärke, wie die scheinbar festgelegten Rollen ins Rutschen kommen und zwischendurch vertauscht werden. Während die Langzeitinsassin eher lauernd ihre verbalen Pfeile abschießt, läuft die kühle Vertreterin der Staatsmacht immer nervöser hin und her und verliert schließlich ihre Contenance. Es geht ans Eingemachte, es wird persönlich:
"Arbeit, Haltung, Beruf, Studium. Was wollen Sie von mir? – Was glauben Sie? – Ich glaube, Sie wollen Rache. Macht! Ihrer Macht unterziehen!"
Ein handlungsarmes Stück, das noch mal reduziert auf die Vorbühne verlegt ist, vor eine kalkig ausgeleuchtete Leuchtstoffwand mit großformatigen Gitterstäben. Der Gefängnisraum. Verhandelt werden große und größte Themen, wofür der amerikanische Autor David Mamet berühmt ist und bejubelt wird. Sinnfragen des menschlichen Daseins, Schuld und Strafe, Scham und Buße, Reue. Und daneben geht es um die kleinen gemeinen Themen, wofür er auch berühmt ist: Sexualität, Verlassenwerden, Intimitäten, die die andere bloß stellen und das intellektuelle Gleichgewicht durcheinanderbringen. Moralisch gewinnt am Ende Cathy. Tatsächlich aber beschließt Ann, dass Cathy nicht aus dem Gefängnis kommt. Ein glattes Unentschieden also. Es bliebe alles nur die sophisticated, böse-bissige Hörspielfassung, spannungslos und so dahingesagt, wie der Titel "Die Anarchistin" am Thema vorbeizieht. Dass aber offenbar die deutschsprachige Erstaufführung am Münchner Residenztheater so packend rüberkam, liegt zum einen an den beiden Schauspielerinnen Froboess und Canonica, die aus der Kargheit eines Hörstücks ein Schauspiel weiblicher Expressivität par excellence zelebriert haben. Und zum anderen liegt es eindeutig daran, dass Regisseur Martin Kusej eine immer wieder erstaunliche Sensibilität für die Inszenierung weiblicher Psychologie aufbringt.