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Corona-Folgen an Schulen
Hamburg stellt Lernlückenprogramm vor

Viele Unterrichtsstunden sind in den vergangenen Wochen und Monaten ausgefallen. Bund und Länder verhandeln noch über ein Nachhilfeprogramm von einer Milliarde Euro. Viele Bundesländer bereiten zusätzliche Lernangebote für Jugendliche vor - zum Beispiel Hamburg.

Von Axel Schröder | 25.03.2021
Schulsenator Rabe besucht "Hamburger Lernferien"
Ties Rabe (SPD), Hamburger Schulsenator (picture alliance/dpa | Markus Scholz)
Die Anforderung an das Hamburger Lernprogramm ist riesig. Denn schon allein die Zahl der Schülerinnen und Schüler, die Inhalte aufholen müssen, ist immens, sagt Hamburgs Schulsenator Ties Rabe (SPD). "Das wären bundesweit betrachtet bis zu zwei Millionen junge Menschen. In Hamburg wären das, je nachdem, welche Schulform wir im Blick haben zwischen 30.000 und 40.000 Schülerinnen und Schüler, die für diese Förderung angesprochen werden müssten."

Stoff nachholen in kleinen Lerngruppen

Ein zusätzlicher Baustein der Hamburger Lernförderung soll schon bald unter dem Namen "Anschluss" starten. 2.000 bis 3.000 Mentoren sollen eingesetzt werden, die Schülerinnen und Schüler mit besonderem Nachholbedarf unterstützen sollen. Und zwar in möglichst kleinen Lerngruppen mit nur vier Personen. Eingesetzt werden sollen 1.000 Lehramts-Studierende, aber auch Personal von Volkshochschulen und privaten Nachhilfe-Anbietern.
Cornelia Herrmann, Klassenlehrerin einer 4. Klasse an der Grundschule «Am Mühlenfließ» in Booßen einem Ortsteil der Stadt Frankfurt (Oder), unterrichtet Schüler. Die Grundschulen in Brandenburg haben am selben Tag wieder für den Wechselunterricht zwischen Zuhause und Schule geöffnet. Beim Unterricht in der Schule ist die Anwesenheit Pflicht.
Bildungsforscherin: Im Distanzunterricht braucht es mehr Dialog
In der Coronakrise stehen die Schulen besonders unter Beobachtung. Eine wissenschaftliche Befragung von Schulleitern kommt zu dem Schluss, dass zumindest ein Minimalziel erreicht wurde: Die allermeisten Schülerinnen und Schüler wurden von den Schulen erreicht – aber eben nicht alle.
Entwickelt wurde das Hamburger Förderprogramm zusammen mit der Zeit-Stiftung, die schon seit Jahren mit dem Projekt "Weichenstellung" gute Erfahrung mit dem Einsatz von Mentorinnen und Mentoren im Schulalltag macht.
Der Erziehungswissenschaftler Reiner Lehberger ist pädagogischer Leiter des Projekts "Weichenstellung" bei der Zeit-Stiftung: "Wir haben noch keine gesicherten empirischen Erkenntnisse darüber, wie die Auswirkungen der Corona-Zeit in Schule und Unterricht sich auf die kognitive und die psychosoziale der Schülerinnen und Schüler ausgewirkt haben- aber wir haben ganz vielfältige Rückmeldungen im ganzen Bundesgebiet, dass es eine dramatische Lage ist. Insbesondere für Schülerinnen und Schüler, die von sich aus und von ihrem Elternhaus aus so etwas gar nicht mehr alleine aufholen können."

Im Fokus: Deutsch und Mathe

Zwei Mal pro Woche soll die Lernförderung stattfinden. Auf freiwilliger Basis, aber mit verbindlichen Terminen. Vor allem die Fächer Deutsch und Mathematik stehen dabei im Fokus, aber auch die psychosoziale Förderung der Schülerschaft, betont Heinz Grasmück, der stellvertretende Direktor des mit in die Planungen eingebunden Hamburger Instituts für Lehrerbildung und Schulentwicklung. Es sei vor allen Dingen wichtig, "Lernmotivation wieder zu stärken und Lernmotivation aufzubauen und ein Selbstvertrauen den Schülerinnen und Schülern zurückzugeben, ihnen das zu ermöglichen, dass sie das zurückgewinnen".
Und auch die eingesetzten Lehramtsstudierenden würden von ihrem Einsatz im Förderprogramm profitieren: zum einen durch die Vergütung von etwa 15 Euro pro Stunde, aber auch durch die Praxiserfahrung mit den Schülerinnen und Schülern. Um die Arbeit der Mentoren möglichst eng mit den Bedürfnissen der jeweiligen Schulen zu verzahnen, könnten diese sich einmal pro Monat mit den Lehrkräften zusammensetzen, um Schwerpunkte setzen zu können.
Damit seien im Projekt "Weichenstellung" der Zeit-Stiftung gute Erfahrungen gemacht worden, sagt dessen pädagogischer Leiter Reiner Lehberger: "Wir gehen sogar so weit, dass unsere Studierenden zum Teil auch im Unterricht hospitieren und die Lernausgangslagen und das Verhalten der Schülerinnen und Schüler im normalen Unterricht zu analysieren und daraus dann Konsequenzen zu ziehen."

Positiver Nebeneffekt?

Am 1. August soll die Lernförderung des Hamburger Mentoren-Projekts starten und die bisherigen Nachhilfe-Programme der Schulbehörde ergänzen. Drei Mal wurden bereits die sogenannten Hamburger "Lernferien" angeboten. 25.000 Schülerinnen und Schüler haben dieses Angebot schon genutzt. Für die zusätzlichen Programme haben Bund und Länder eine Unterstützung von etwa einer Milliarde Euro in Aussicht gestellt.
Das Hamburger Mentoren-Modell könne als Blaupause für andere Länder dienen, sagt Hamburgs Schulsenator Ties Rabe. Und zusätzlich noch einen positiven Nebeneffekt für Hamburg haben. "Wir hoffen, dass wir mit unserem Förderprogramm gleichzeitig dazu beitragen, etwas für unseren eigenen Nachwuchssicherung zu tun."
Rabe meint den Nachwuchs an den in allen Bundesländern so begehrten Lehramtsstudierenden. Der würde durch das Mentoren-Programm der Hansestadt viel Praxiserfahrung sammeln können und nach dem Studium und Referendariat dann auch an Hamburgs Schulen unterrichten.