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Corona in Portugal
Das ganze Land leidet

Portugal ist von der Corona-Pandemie besonders hart getroffen. Kein anderes EU-Land verzeichnet so hohe Infektionszahlen und Todesfälle gemessen an der Bevölkerung. Grund dafür ist auch die neue britische Virusvariante. Jetzt hilft die Bundeswehr mit Ärzten und Material.

Von Tilo Wagner |
Rote Krankenwagen warten in Portugal vor einem Krankenhaus in einer Schlange.
Hohe Todes- und Infiziertenzahlen: Krankenwagen warten vor einem portugiesischen Krankenhaus (Imago)
Nuno Nascimento macht eine Flasche von seinem selbst gebrauten Bier auf. Vor ein paar Jahren hat Nascimento angefangen, das Bier im ehemaligen Weinkeller seines Großvaters herzustellen. Mittlerweile hat er eine eigene kleine Brauerei. Das Bier verkauft er an lokale Restaurants und in seiner eigenen Bar in der Altstadt von Sintra. Die ehemalige Königsresidenz westlich von Lissabon ist eine der wichtigsten Touristenattraktionen Portugals. Doch seit der Pandemie steht alles still, Nuno Nascimento:
"Sintra ist zurzeit wie eine Geisterstadt. Es gibt dort keine Leute, keine Touristen. Fast alle Geschäfte haben sich auf Touristen konzentriert: die Läden, die Restaurants, die Ferienwohnungen. Der Tourismus war auf der einen Seite gut, aber er hat auch das normale Leben aus der Altstadt verdrängt. Und das spüren wir jetzt sehr."

Tourismus in der schwersten Krise seit Jahrzehnten

Der Tourismus erlebt in Portugal seine schwerste Krise seit Jahrzehnten. Die Zahl der Übernachtungen von Reisenden ist im letzten Jahr um 60 Prozent eingebrochen und auf den Stand von 1993 zurückgegangen. Darunter leidet das ganze Land: Die Wirtschaft brach im vergangenen Jahr um 7,6 Prozent ein. Das macht auch Nuno Nascimento große Sorgen. Seine Bar hat der 41-Jährige vor knapp drei Wochen schließen müssen, als der Lockdown eingeführt wurde. Seitdem sind auch Restaurants, Geschäfte und Museen geschlossen; die Schulen wurden eine Woche später dichtgemacht. So will die portugiesische Regierung die sehr hohen Zahlen von Neuinfektionen in den Griff bekommen. Kein anderes Land in Europa verzeichnet zurzeit so hohe Infektionszahlen und Todesfälle gemessen an der Bevölkerung wie Portugal.

"Die Regierung wollte die Wirtschaft schützen"

Schuld daran trägt zum Teil auch die portugiesische Regierung, weil sie an Weihnachten keine strengeren Maßnahmen verhängte. Das sagt João Paulo Gomes, leitender Wissenschaftler an Portugals führendem Gesundheitsinstitut Ricardo Jorge:
"Die Regierung stand an Weihnachten vor einer ganz schwierigen Entscheidung. Sie wusste, dass eine Lockerung zu mehr Infektionsfällen führen würde. Aber sie wollte die Wirtschaft schützen, und auch die Familientraditionen an Weihnachten und die religiösen Feste bewahren. Die Regierung hat nicht begriffen, wie kritisch unsere Situation bereits war, und dass die Entscheidung, keinen Lockdown einzuführen, zu einem explosionsartigen Anstieg führen würde."
Genauso kam es dann auch. Aber es gab noch eine weitere Entwicklung. Die britische Virus-Variante begann sich in Portugal genau zum Weihnachtsfest stark auszubreiten, João Paulo Gomes: "Viele portugiesische Migranten leben und arbeiten in Großbritannien. An Weihnachten besuchen sie traditionell ihre Familien in Portugal. Und einige waren wohl infiziert. Dazu kommt, dass im Monat Dezember auch viele britische Touristen nach Portugal kommen."

Das Gesundheitssystem ist am Limit

João Paulo Gomes schätzt, dass mittlerweile 40 Prozent der Neuinfektionen in Portugal auf die britische Virusvariante zurückzuführen sind. Die Folge: Das portugiesische Gesundheitssystem stößt an seine Grenzen. Die Auslastung der Krankenhäuser beträgt bereits 95 Prozent, in manchen Kliniken in Lissabon liegen dreimal so viel Patienten wie eigentlich maximal vorgesehen sind. Portugal hat deshalb um Hilfe gebeten. Schwerkranke Patienten sollen demnächst nach Österreich ausgeflogen werden.
Und an diesem Mittwoch landet in Lissabon ein Transportflugzeug der Bundeswehr. An Bord: ein 26-köpfiges Sanitäter-Team, darunter 8 Ärzte, sowie 150 Infusionspumpen und 50 Beatmungsgeräte. Die Bundeswehr soll drei Wochen in Portugal bleiben. Bis dahin könnte sich die Situation bereits leicht entspannt haben. Die jüngsten Daten über Neuinfektionen weisen darauf hin, dass der Höhepunkt der dritten Wellen in Portugal bereits überschritten sein könnte. Harte Wochen stehen dem Land trotzdem noch bevor.