Donnerstag, 25. April 2024

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Corona-Infektion trotz Impfung?
Erkenntnisse aus dem Seniorenheim in Leichlingen

Der Fall machte Schlagzeilen: Obwohl alle Bewohner geimpft sind, kam es in einem Seniorenheim in Leichlingen zu einem größeren Corona-Ausbruch. Nach der Rekonstruktion der Infektionswege gibt ein Virologe Entwarnung: Die Ansteckungen gingen wohl nicht von Geimpften aus. Eine Frage bleibt indes ungeklärt.

Von Felicitas Boeselager | 30.04.2021
Blick auf das Seniorenheim Pilgerheim Weltersbach in Leichlingen, im Vordergrund ist ein Schild mit der Aufschrift "Pilgerheim Weltersbachr" zu sehen
Im Pilgerheim Weltersbach kam es zu einem größeren Corona-Ausbruch - obwohl alle Bewohner bereits gegen Covid-19 geimpft sind (imago/ Tim Ölbermann)
Das war eine ziemliche Überraschung als in Leichlingen vor zwei Wochen rauskam, dass mindestens 13 der bereits durchgeimpften Bewohner und Bewohnerinnen eines Seniorenheims mit Corona infiziert waren, erzählt Joachim Noß, Leiter der Pflegeeinrichtung Pilgerheim Weltersbach:
"Das ist natürlich wieder eine große Belastung für die Herrschaften gewesen, die ja letztes Jahr von März bis Mai ja auch schon isoliert waren und dass sie das jetzt dann doch noch einmal erleben mussten Das wirkt sich natürlich nicht positiv auf die Stimmung aus. Das ist richtig. Aber ich stelle immer fest, das alt gewordene Menschen auch eine gewisse Geduld aufbringen, wenn so etwas passiert"

Nicht-geimpfte Personen brachten Virus ins Heim

Denn das ganze Seniorenheim musste in Quarantäne und die Infizierten durften ihre Zimmer nicht verlassen. Aber obwohl die Bewohnerinnen und Bewohner sich trotz Impfung infiziert haben, habe er die Wirkung der Impfung beobachten können: "Impfen hilft, denn wir merken, dass diese Bewohnerinnen und Bewohner, und das hören wir ja auch aus anderen Altenheimen in denen ähnliches vorgekommen ist, dass geimpfte Bewohnerinnen und Bewohner, wenn sie denn Corona tatsächlich noch einmal bekommen, kaum oder gar keine Symptome haben. Und das beruhigt uns natürlich schon sehr."
Denn die Corona-Ausbrüche, die es im vergangenen Jahr in vielen Alten- und Pflegeheimen gab, gingen nur selten glimpflich vorüber. Trotzdem blieb in Leichlingen das Rätsel: Wie konnten sich so viele geimpfte Menschen infizieren? Um das zu untersuchen, hat Jörg Timm, Virologe der Uniklinik Düsseldorf mit einem Team das Pilgerheim Weltersbach besucht, "um uns genau erklären zu lassen, wie die Zeitlichen Abläufe waren. Das heißt, wann welcher Fall aufgetreten ist, um dann zu versuchen zu rekonstruieren, die möglicherweise die Infektionswege ausgesehen haben."
Jetzt lässt sich mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass ein, oder zwei nicht-geimpfte Personen das Virus ins Heim gebracht haben. Die Personen scheinen zu diesem Zeitpunkt hoch infektiös gewesen zu sein, so dass ihr Aufenthalt zu einem Superspreader-Event wurde.

Offenbar keine Übertragung von geimpften Personen

Es sieht also nicht so aus, "dass es jetzt in diesem Fall zu Übertragungen von geimpften Personen ausgehend gekommen ist. Das liegt sicherlich auch ein kleines bisschen daran, dass natürlich hier auch viele Menschen betroffen waren, die jetzt gar nicht so mobil sind und natürlich auch nicht unbedingt als typische Weiterträger von einem Virus sonst in Erscheinung treten würden", erklärt Jörg Timm.
Corona-Impfungen - Können Geimpfte andere Menschen weiter anstecken?
Laut einem RKI-Bericht soll von vollständig gegen Corona Geimpften kaum noch Ansteckungsgefahr ausgehen. Aber wie infektiös sind Geimpfte tatsächlich noch und welche Schlüsse lassen sich daraus ziehen?
Das bedeutet aber auch, dass dieser Fall kaum etwas darüber erzählt wie infektiös Geimpfte sind. Zu dieser Frage gebe es ohnehin genug Daten, "die zeigen, dass auch von geimpften Personen das Infektionsrisiko insgesamt als sehr klein zu bewerten ist. Sehr klein heißt aber eben nicht null. Ich bin mir sicher, dass wir auch in der Zukunft Fälle haben, wo es von einer geimpften Person zu einer Weitergabe von dem Virus gekommen ist. Das heißt aber nicht, dass das ein breites Problem ist, von dem wir sagen würden, das bedeutet jetzt andersherum, dass Geimpfte unverändert zu der Pandemie jetzt weiter beitragen werden", so der Düsseldorfer Virologe Jörg Timm.

AHA-Regeln weiter wichtig

Ein gewisses Restrisiko bleibt also. Für das Seniorenheim in Leichlingen bedeutet es, dass sich auch die geimpften Bewohner und Bewohnerinnen weiterhin an die AHA-Regeln halten müssen. Aber immerhin, ein paar Lockerungen gibt es in den Einrichtungen in Nordrhein-Westfalen ja schon, sagt Heimleiter Noß:
"Besuche sind wieder erlaubt. Das ist ja auch ganz wichtig. Das ist ja schon seit längerer Zeit so. Jetzt dürften es fünf Personen aus zwei Haushalten sein ohne Zeitbeschränkung also. Da hat sich ja schon eine ganze Menge gelockert. Gemeinschaftsveranstaltungen dürfen ja auch wieder stattfinden. Also insofern ist da auch schon wieder mehr Alltag eingekehrt."

Dritte Impfung könnte bei älteren Menschen nützlich sein

An dem die genesenen Bewohnerinnen und Bewohner jetzt auch wieder teilnehmen können. Für den Virologen Jörg Timm bleibt Leichlingen ein interessanter Fall, deswegen fährt er noch einmal dorthin. Zum einen um mit einem Antikörper-Test zu untersuchen, ob es noch andere unentdeckte Infektionen gab: "Und außerdem interessiert uns auch, wie gut die Immunität jetzt ist, bei denen, die trotz der Impfung dann noch einmal eine Infektion hatten. Wir gehen davon aus, dass da die Immunität nochmal ganz stark verstärkt wurde, eben also, dass es durch zu diesem Booster-Effekt gekommen ist. Aber das würden wir uns gerne auch einmal anschauen."
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Dabei geht es auch darum heraus zu finden, ob bei älteren Menschen zum Beispiel ein dritte Impfung nützlich sein könnte. Die Bewohnerinnen und Bewohner in Leichlingen jedenfalls "die müssten jetzt eigentlich Superkräfte haben gegen das Virus."
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Übersicht zum Thema Coronavirus (imago / Rob Engelaar / Hollandse Hoogte)