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CSU-Klausurtagung in Wildbad Kreuth
"Nicht jeder in der Welt darf nach Deutschland kommen"

Ex-Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hat die Vorschläge seiner Partei zur Asylpolitik verteidigt. Flüchtlinge seien "selbstverständlich willkommen", sagte Friedrich im DLF. Das gelte aber nicht für Menschen, die aus anderen europäischen Ländern kämen, um Sozialhilfe zu erhalten.

Hans-Peter Friedrich im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 07.01.2015
    Porträtbild von Hans-Peter Friedrich (CSU)
    Hans-Peter Friedrich (CSU) (picture alliance / dpa/ Sven Hoppe)
    Hans-Peter Friedrich sagte, als christliches Land müsse Deutschland das Thema Nächstenliebe umsetzen. Er selbst habe als Bundesinnenminister 10.000 syrische Flüchtlinge nach Deutschland geholt. Eine differenzierte Diskussion sei jedoch notwendig, denn nur ein geringer Bruchteil der Asylsuchenden sei im Sinne des Grundgesetzes auch asylberechtigt. "Wir müssen Antworten geben, was wir mit den anderen machen", so Friedrich. "Nicht jeder in der Welt" dürfe nach Deutschland kommen.
    Die Bundestagsabgeordneten der CSU befassen sich mit der Asylpolitik unter anderem auf ihrer Klausurtagung in Wildbad Kreuth. In einem Positionspapier fordern sie, Flüchtlinge aus Kriegsgebieten vorrangig aufnehmen und Asylverfahren zu beschleunigen. Aufgrund der gestiegenen Zahl von Flüchtlingen müssten die Asylverfahren im rechtsstaatlichen Rahmen zügig abgehandelt werden, sagte Friedrich im DLF.
    Keine Antwort auf "Pegida"
    Mit der sogenannten "Pegida"-Bewegung habe das nichts zu tun, betonte Friedrich. Pegida sei eine regionale Veranstaltung in Dresden von Leuten, die "offensichtlich Angst haben um die Identität unserer Kultur". Doch, so Friedrich, "weder Moslems noch Flüchtlinge" brächten die deutsche Identität in Gefahr. "Da sind wir schon selbst schuld."
    Zu seiner Kritik am Kurs von Kanzlerin Merkel (CDU) vom vergangenen Monat sagte Friedrich, rechts der Mitte gebe es ein großes Feld von Menschen, die abgeholt werden müssten. Dass es offensichtlich einen Bedarf für eine neue Partei wie die AfD gebe, dürfe nicht sein. "Das müssen wir abschaffen", so Friedrich. Die CSU könne sich nicht darauf verlassen, dass die AfD sich selbst zerlege. "Wir müssen alles tun, damit sie überflüssig wird."

    Tobias Armbrüster: Es ist wieder so weit. Es ist Anfang Januar und die CSU veranstaltet wie immer zum Jahresanfang ihre Klausurtagung im bayerischen Wildbad Kreuth. Ab heute trifft sich dort zunächst mal die CSU-Landesgruppe aus dem Bundestag. In der Großen Koalition haben ja einige CSU-Politiker zuletzt für Irritationen gesorgt, unter anderem Hans-Peter Friedrich, der kurz vor Weihnachten den Kurs der Union deutlich kritisiert hat.
    Bei uns am Telefon ist der CSU-Bundestagsabgeordnete und ehemalige Innenminister Hans-Peter Friedrich. Schönen guten Morgen, Herr Friedrich.
    Hans-Peter Friedrich: Guten Morgen!
    Armbrüster: Herr Friedrich, wir haben es gerade gehört: Die Asylpolitik ist eines Ihrer großen Themen in diesem Jahr. Warum sind es immer Flüchtlinge und Asylsuchende?
    Friedrich: Nein. Es ist ein Thema, das muss man ja ganz klar sehen, der Bundespolitik - schon seit Jahren, aber jetzt natürlich verstärkt. Mit einem starken Flüchtlingsstrom auch Richtung Europa muss man sich auseinandersetzen. Und ich glaube, auch die ganze Diskussion in den letzten Wochen zeigt, dass wir Antworten finden müssen, die angemessen sind, und das heißt, dass wir als ein christliches Land das Thema Nächstenliebe auch ganz konkret, was Flüchtlinge angeht, umsetzen müssen.
    Armbrüster: Das heißt, wir müssen eingehen auf die Forderung von Pegida?
    Friedrich: Sie haben mir nicht zugehört. Ich habe gesagt, wir sind ein christliches Land, und dazu gehört natürlich, dass wir denen, die Hilfe suchen, auch Hilfe geben, und deswegen sind Flüchtlinge bei uns selbstverständlich willkommen. Wir setzen uns aber auch auseinander natürlich mit der Frage der Zuwanderung. Nicht jeder, der aus irgendeinem Land in der Welt zu uns kommen will, kann zu uns kommen. Aber wer Hilfe braucht und wer Hilfe sucht, muss bei uns aufgenommen werden.
    Flüchtlings-Diskussion muss geführt werden
    Armbrüster: Wieso kritisiert dann der Münchner Kardinal Marx Ihre Vorschläge zur Asylpolitik?
    Friedrich: Das kann ich mir nicht vorstellen, dass er das kritisiert, sondern wir haben als CSU wesentlich gefordert,...
    Armbrüster: Na ja, er sagt zumindest, er könne das so nicht nachvollziehen.
    Friedrich: Ja vielleicht müssten wir ihm das Papier, das wir dann beschließen werden in Kreuth, auch mal zusenden. Wir führen eine differenzierte Diskussion, eine differenzierte Diskussion, die ich übrigens als Bundesinnenminister auch schon immer geführt habe, dass ich gesagt habe, die, die Hilfe brauchen, müssen kommen. Ich habe selber 10.000 Flüchtlinge aus Syrien nach Deutschland geholt, auch selbst willkommen geheißen in Hannover. Aber ich habe auch gesagt, diejenigen, die hier herkommen, aus anderen europäischen Ländern beispielsweise, nur um hier Sozialhilfe zu bekommen, können hier nicht herkommen. Auch das, diese differenzierte Diskussion ist meines Erachtens notwendig, um der Sache gerecht zu werden, und die muss geführt werden. Es hilft alles nichts.
    Armbrüster: Aber, Herr Friedrich, das haben wir doch schon vor einem Jahr gelernt, dass der Anteil derjenigen aus anderen europäischen Ländern, die bei uns Sozialhilfe oder Hartz IV beziehen wollen, dass dieser Anteil verschwindend gering ist und eigentlich überhaupt keine politische Debatte verdient.
    Friedrich: Aber wir wissen doch, dass nur ein ganz geringer Bruchteil derjenigen, die zu uns kommen, asylberechtigt ist, also im Sinne unseres Grundgesetzes Anspruch auf Hilfe bei uns hat, und deswegen müssen wir darauf Antworten geben: Was machen wir mit den anderen. Und diese Antworten wollen wir auch in Kreuth formulieren. Darauf muss die Politik ja allgemeine Antworten formulieren und das findet statt.
    Asylverfahren sollen "zügig abgearbeitet werden"
    Armbrüster: Und deshalb wollen Sie die Asylverfahren drastisch verkürzen, sogar noch weiter verkürzen, als die Große Koalition das ohnehin geplant hat, und auch schneller abschieben?
    Friedrich: Die Asylverfahren finden nach rechtsstaatlichen Prinzipien statt. Aber es ist natürlich in den letzten Jahren zu einem starken Anstieg der Asylbewerberzahlen gekommen. Das heißt, diejenigen, die dort die Fälle bearbeiten, sind zu wenige. Es müssen neue Leute eingestellt werden, das findet statt, und wir wollen, da die Asylverfahren so zügig abgearbeitet werden können, dass man sehr schnell zwischen denen, die asylberechtigt sind und die nicht asylberechtigt sind, unterscheiden kann und entsprechend auch Konsequenzen ziehen kann.
    Armbrüster: Aber darüber tobt ja gerade genau die politische Debatte. Kann man da so leicht unterscheiden zwischen denen, die Sie in der CSU als Wirtschaftsflüchtlinge bezeichnen, und den sogenannten echten Flüchtlingen aus Not?
    Friedrich: Zunächst mal: Es geht um Flüchtlinge, die Hilfe brauchen, und es geht um allgemeine Zuwanderung. Bei der allgemeinen Zuwanderung muss man sagen, es kann nicht sein, dass jeder in der Welt, der sagt, ich will nach Deutschland kommen, einfach nach Deutschland kommen kann, sondern da muss es Kriterien geben. Wir haben ja auch dazu schon verschiedene Tatbestände in den letzten Jahren aufgestellt. Diese Kriterien müssen dann auch angewendet werden. Das kann man in Ruhe und in Sachlichkeit machen und das machen wir auch in Kreuth.
    Pegida ist "eine regionale Veranstaltung in Dresden"
    Armbrüster: Jetzt klingt es natürlich schon verdächtig, dass genau das die Themen sind, die zurzeit die AfD und natürlich auch die Pegida-Bewegung ganz vorne in die Schlagzeilen bringen. Gucken Sie sich da ein bisschen was ab thematisch?
    Friedrich: Nein, überhaupt nicht. Das hat damit überhaupt nichts zu tun. Diese Pegida-Bewegung, die eine regionale Veranstaltung in Dresden ist und ansonsten ja nur im Land punktuell vorkommt, geht von völlig falschen Dingen aus. Das sind Leute, die offensichtlich Angst haben um die Identität unserer Gesellschaft, unseres Volkes, unserer Kultur. Da muss man natürlich Antworten drauf geben. Aber ich glaube, eins kann man sagen: Weder Moslems, noch Flüchtlinge bringen unsere Identität in Gefahr, sondern da sind wir schon selber schuld. Wenn wir nicht zu unseren Grundsätzen und zu dem, was unsere Kultur ausmacht, stehen, dann können wir das nicht anderen in die Schuhe schieben.
    Armbrüster: Aber so deutlich wie Angela Merkel wollen Sie sich nicht von Pegida abgrenzen?
    Friedrich: Wissen Sie, man weiß über Pegida ja relativ wenig. Man weiß nicht, wer die Drahtzieher sind, man weiß nicht, wer die Hintermänner sind, man weiß nicht, welches Ziel diese Leute überhaupt haben. Ich sehe dort eine ganze Menge von Menschen, wenn ich mir die Medienberichterstattung anschaue, die Sorgen formulieren. Auf diese Sorgen muss man eingehen. Aber man muss sich mit dieser Organisation grundsätzlich einmal einlassen. Dazu wird es sicher Informationen in den nächsten Monaten geben, wer diese Leute eigentlich sind und was sie wollen. Das muss uns in unserer Agenda nicht beeinträchtigen.
    Armbrüster: Herr Friedrich, noch ein ganz anderes Thema. Sie haben vor einigen Tagen, vor einigen Wochen, kurz vor Weihnachten für ziemlich viel Wirbel gesorgt mit einem Interview, in dem Sie Angela Merkel und auch den Kurs der Union innerhalb der Großen Koalition deutlich kritisiert haben. Haben Sie den Eindruck, das ist angekommen?
    Friedrich: Es geht mir darum, dass wir erstens zur Kenntnis nehmen, dass es eine grundlegende Veränderung der Parteienlandschaft in den letzten anderthalb Jahren gegeben hat. Wir haben ein sehr stark besetztes, bestücktes linkes Lager mit Grünen, mit SPD, mit Linken, und wir haben Mitte und rechts der Mitte ein großes Feld an Menschen, die abgeholt werden müssen in ihrer politischen Meinung. Die FDP ist nicht mehr im Parlament, die AfD ist nicht im Parlament, also auf CDU und CSU kommt eine wichtige Aufgabe zu, dieses breite Spektrum abzudecken. Und mir ging es darum, eine Diskussion auch für Kreuth anzustoßen, wie müssen sich CSU und CDU hier positionieren, um das linke Lager und das Potenzial im linken Lager auch entsprechend in demokratische Verfahren und ins demokratische System umzusetzen. Das ist mein eigentliches Anliegen.
    Armbrüster: Und dieses Abdecken, ganz kurz, das gelingt der Union derzeit nicht?
    Friedrich: Offenkundig nicht. Es gibt offensichtlich, so sagen es ja auch viele Stimmen, einen Bedarf für eine neue Partei, für AfD, und das müssen wir abschaffen, das darf nicht sein. Wir können uns nicht darauf verlassen, dass die AfD sich selber zerlegt - dafür gibt es ja eine gute Möglichkeit, wie man sieht; die Herrschaften sind sich ja in den Haaren -, sondern wir müssen alles tun, dass sie im Grunde überflüssig wird.
    Armbrüster: Hans-Peter Friedrich war das, der ehemalige Innenminister und CSU-Politiker, heute zum Auftakt der CSU-Klausurtagung in Wildbad Kreuth. Vielen Dank für das Gespräch heute Morgen, Herr Friedrich.
    Friedrich: Gerne!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.