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CSU-Politiker Uhl
"Im Verhältnis der Wähler zu den etablierten Parteien stimmt etwas nicht mehr"

Die etablierten Parteien hätten in Berlin historisch schlechte Wahlergebnisse erzielt, sagte der CSU-Politiker Hans-Peter Uhl im DLF. Die SPD, CDU, aber auch die Grünen hätten Federn lassen müssen. Das müsse den Politikern zu denken geben. Von der Bundeskanzlern forderte er eine Kurskorrektur mit Blick auf die Flüchtlingssituation.

Hans-Peter Uhl im Gespräch mit Christine Heuer | 19.09.2016
    Hans-Peter Uhl, früherer Vorsitzender der Arbeitsgruppe Innenpolitik der CDU/CSU-Bundestagsfraktion
    Hans-Peter Uhl, früherer Vorsitzender der Arbeitsgruppe Innenpolitik der CDU/CSU-Bundestagsfraktion (picture alliance/dpa/Bernd von Jutrczenka)
    Christine Heuer: Historische Wahlniederlage für die CDU bei der Berlin-Wahl, aber auch die SPD muss Federn lassen. Dass sie trotzdem noch die größte Fraktion stellt im Berliner Abgeordnetenhaus und damit regierungsfähig bleibt, kann nur notdürftig darüber hinwegtäuschen, dass beide Volksparteien weiter schrumpfen, während die AfD auch in Berlin aus dem Stand zweistellig wieder einmal triumphiert.
    In Berlin begrüße ich den CSU-Bundestagsabgeordneten Hans-Peter Uhl. Guten Tag.
    Hans-Peter Uhl: Grüß Sie Gott, Frau Heuer.
    Heuer: Die CDU hat ein historisch schlechtes Wahlergebnis erzielt gestern in Berlin. Sind Sie jetzt zufrieden?
    Uhl: Nein. Die Parteien, die etablierten Parteien haben historisch schlechte Wahlergebnisse erzielt. Das ist die SPD, die CDU, aber auch die Grünen haben Federn lassen müssen. Das muss uns zu denken geben. Hier stimmt was nicht mehr im Verhältnis der Wähler zu den etablierten Parteien.
    Heuer: CDU-Generalsekretär Peter Tauber macht die CSU aber ausdrücklich mitverantwortlich für das schlechte Abschneiden der Christdemokraten.
    Uhl: Ja, das ist vorhersehbar. Die Argumentation, das ist die Argumentation der Geschlossenheit. Ich habe auch vor einem halben Jahr schon gesagt: Geschlossenheit stimmt schon, das ist in der Politik ein Wert an sich. Aber wenn wir geschlossen am Willen der Mehrheit der Wähler vorbeimarschieren, marschieren wir geschlossen auf den Abgrund zu. Auch der Zug der Lemminge ist eine geschlossene Veranstaltung.
    Heuer: Aber was wir jetzt erlebt haben, schon wieder, Herr Uhl, ist ja, die CSU kritisiert am lautesten Angela Merkel für ihre Flüchtlingspolitik und Angela Merkel wird dann bei den Wahlen hart abgestraft. Irgendwie muss Ihnen das doch passen. Sonst würden Sie ja mal aufhören, sie so laut und stetig zu kritisieren.
    Uhl: Wir kritisieren die ausbleibende Kurskorrektur. Es ist doch ganz offensichtlich, was sich in Deutschland abgespielt hat in all den Wahlen und in allen Prognosen und Wählerumfragen wiederkehrt. Die Mehrheit der Deutschen will diese Politik der massenhaften illegalen unkontrollierten Migration nicht haben.
    "Das entgrenzte Deutschland muss beendet werden"
    Heuer: Aber die Kurskorrektur hat es doch in der Sache längst gegeben. Darüber schreiben die Gazetten seit Monaten, es wird politisch debattiert, Sie fordern immer noch eine Obergrenze.
    Uhl: Nein. Die Menschen haben die Bilder noch vor Augen, wie ein Zug von Tausenden von illegalen Migranten, angeführt von einem Polizeifahrzeug, über die Wiesen ins Land reingehen. Das sind die Bilder, die in den Köpfen sind. Und wenn wir jetzt seither einige Paragrafen geändert haben, war das alles richtig. Nur die Menschen lesen doch die Paragrafen nicht. Das heißt, die Menschen müssen wieder Vertrauen haben, dass wir eine Grenze ziehen. Das Wort Obergrenze, da liegt die Betonung auf Grenze. Das heißt, das entgrenzte Deutschland muss beendet werden. Die Zuversicht bei den Menschen muss hergestellt werden: So was wird’s nicht mehr geben. Wenn diese Menschen massenhaft wiederkommen, wird Deutschland an der Grenze geschützt werden. Das ist der Punkt, um den es geht.
    Heuer: Aber es kommen ja kaum mehr Flüchtlinge nach Deutschland. Die Lage in den Kommunen hat sich entspannt, die Gesetze sind verschärft worden. Glauben Sie wirklich die Deutschen begreifen das nicht?
    Uhl: Die Deutschen begreifen sehr wohl, dass das eine Episode ist, in der wir jetzt gerade uns befinden. Wir haben es Mazedonien zu verdanken, diesem kleinen Land, dass derzeit über die Balkan-Route die Menschen nicht mehr in großer Zahl kommen. Das kann sich in kurzer Zeit wieder ändern, und da wollen die Menschen Sicherheit haben, dass sich das nicht wiederholt.
    Heuer: Und diese Sicherheit, glauben Sie, können Sie vermitteln, wenn Frau Merkel das Zauberwort "Obergrenze" ausspricht?
    Uhl: Es geht nicht um ein Zauberwort. Es geht um die Kurskorrektur, die allen deutlich macht, so etwas wird es nicht mehr geben, wir schützen die Bürger vor massenhafter illegaler Einwanderung.
    Heuer: Also muss sie das Wort aussprechen?
    Uhl: Sie muss nicht dieses Wort aussprechen; sie muss die Begrenzung, die Grenzkontrolle, die Zurückweisung an der Grenze, sie muss alles, was Schutz an den deutschen Grenzen bedeutet und auch natürlich an den europäischen Außengrenzen, an den Binnengrenzen in der Europäischen Union, all diese Grenzkontrollen muss sie wollen.
    Heuer: Und das auch sagen?
    Uhl: Und das nicht nur einmal, sondern regelmäßig sagen.
    "Zur Zeit verliert ja die CDU eine Wahl nach der anderen"
    Heuer: Herr Uhl, nun ist es aber so, dass die Kritik aus der CSU der Union im Bund schadet und andererseits Wasser ist auf die Mühlen der AfD. Wozu? Nur damit die CSU in Bayern bei den nächsten Landtagswahlen keine Angst vor der AfD haben muss?
    Uhl: Nein. Sie verlieren ja eine Landtagswahl nach der anderen. Bayern ist ja erst nach der Bundestagswahl dran. Das ist ja alles das krampfhafte Bemühen der Union, in dem Fall der CSU, die CDU/CSU auf einen vernünftigen Kurs wieder zurück zum Wähler zu bringen. Zur Zeit verliert ja die CDU eine Wahl nach der anderen.
    Heuer: Aber Sie haben ja, wie Sie gerade sagen, die Landtagswahl in Bayern noch lange vor sich; 2018 ist das. Sie werden die Wahl trotzdem im Blick haben. Ist das nicht Ihr Kalkül, die CSU zu stärken bei Rechten und bei Protestwählern, auch wenn die CDU dabei auf Maße schrumpft, die sie kaum noch wie eine Volkspartei aussehen lassen?
    Uhl: Das wäre ein törichtes Kalkül. Unser Kalkül oder unsere Absicht ist, die CDU und die CSU wieder mit dem Wähler zu versöhnen, dass wir eine Chance haben, die AfD-Wähler zurückzubekommen, denn wir wollen doch nicht koalieren mit der AfD, so wie die SPD es jetzt mit den Linken tut.
    Heuer: Aber was wir sehen ist, dass die AfD auch aufgrund ihrer Kritik - den Zusammenhang hat Peter Tauber ja unter anderem hergestellt - reüssiert.
    Uhl: Die Wahlanalysen von Peter Tauber sind für mich nicht maßgeblich. Ich schaue mir die Wählerzahlen genau an. 230.000 haben gestern AfD gewählt. Das waren 64.000, die hatten vor fünf Jahren gar nichts gewählt. Die sind so frustriert und so wütend, dass sie gesagt haben, jetzt reicht’s mir, jetzt wähle ich AfD. 22.000 von den AfD-Wählern kommen übrigens aus der SPD, denn die SPD hat ja noch ein Prozent mehr verloren als die CDU. Also da muss man sich die Zahlen schon genauer anschauen. Und auch die Gründe, warum die Wählerwanderungen stattgefunden haben. Warum haben die Menschen, vor allem Arbeiter und Arbeitslose, die kleinen Leute Verlustängste? Woher kommt das?
    Heuer: Ich kann Ihnen das nicht beantworten.
    Uhl: Ja, das müssen wir beantworten, wir die Parteien!
    "Es geht uns darum, uns wieder zu versöhnen mit dem Wähler"
    Heuer: Ja, in der Tat, aber mit dem Ergebnis, das die Antworten, die die CSU bisher gegeben hat, mittelbar auch dazu führen, dass in Berlin künftig keine Große Koalition mehr regiert, sondern Rot-Rot-Grün. Sie haben das selber gerade angesprochen, Herr Uhl. Ist es das denn alles wert, nur um diesen Versuch weiter fortzusetzen, die Kanzlerin öffentlich sichtbar in die Knie zu zwingen?
    Uhl: Sie können mir noch dreimal die gleiche Frage stellen; es geht uns nicht darum, die Kanzlerin in die Knie zu zwingen. Es geht uns darum, uns wieder zu versöhnen mit dem Wähler.
    "Wir fordern unerbittlich eine Kurskorrektur"
    Heuer: Was machen Sie, wenn Angela Merkel nach all der Kritik aus den eigenen Reihen nicht mehr antritt nächstes Jahr?
    Uhl: Das ist ihre ganz höchst persönliche Entscheidung. Das kann ihr niemand abnehmen. Nur das Desaster muss ein Ende haben, dass die CDU von Wahl zu Wahl verliert. Deswegen fordern wir unerbittlich eine Kurskorrektur, damit der Wähler merkt, wir wollen wieder zu ihm zurückkehren. Denn am konservativsten, Frau Heuer, ist immer das Volk und das Volk will Schutz und Sicherheit und das Volk hat derzeit nicht das Vertrauen in die regierenden Parteien, dass sie Schutz und Sicherheit gewähren.
    Heuer: Und wenn Angela Merkel sagt, ich stehe für eine öffentlich vorgetragene Kurskorrektur dieser Art, die es ja in der Tat schon gibt, aber um sie noch mal vorzutragen, dafür steht sie nicht zur Verfügung, welchen Kanzlerkandidaten hätte die Union denn dann noch?
    Uhl: Wir denken gar nicht daran, jetzt Personaldiskussionen zu führen. Jetzt geht es um die Kurskorrektur.
    Heuer: Hans-Peter Uhl, CSU-Bundestagsabgeordneter, war das im Interview mit dem Deutschlandfunk und ich bedanke mich sehr für das Gespräch, Herr Uhl.
    Heuer: Bitte schön, Frau Heuer.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.