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Dammbruch in Brasilien
Wut und Verzweiflung in Brumadinho

Nach dem Dammbruch an einer Eisenerzmine in Brasilien steigt die Zahl der Toten weiter. Die Suche nach Überlebenden läuft noch, doch die Hoffnung auf Rettung sinkt. Auch die Suche nach Verantwortlichen hat begonnen. Es geht um die Frage, ob der Bergbau-Konzern Vale bei der Kontrolle der Dämme gespart hat.

Von Ivo Marusczyk |
    In Brasilien droht ein neuer Dammbruch an einer Mine.
    Am Freitag hatte sich eine gewaltige Schlammlawine durch das Tal von Brumadinho gewälzt. Die Suche nach Überlebenden läuft noch. (imago stock&people / Cadu Rolim)
    Emerson Leandro dos Santos sitzt auf der Ruine seines Elternhauses. Die Mauern sind eingestürzt, nur der schlammverschmierte Kühlschrank ragt noch aus Schutt und Trümmern. Am Freitag hatte sich eine gewaltige Schlammlawine durch das Tal von Brumadinho gewälzt. Der 30-Jährige hatte Glück.
    "Ich sagte noch - wir gehen mal runter und schauen was los ist. Aber wir sahen nur noch die Flutwelle von dem gebrochenen Damm. Die Flut riss die Menschen mit, sie hielten die Hände nach oben und schrien um Hilfe. Wir versuchten, sie mit einem Bambusstock zu erreichen. Aber dann war mir klar, wir müssen hier weg, denn die Jungs die auf der anderen Seit arbeiteten riefen: 'Das ist noch ein Damm gebrochen, haut ab, sonst werdet ihr sterben.'"
    Ein Helfer steht während des Rettungseinsatzes vor einem Hubschrauber
    Rettungskräfte suchen noch nach Überlebenden - aber die Hoffnung schwindet (imago)
    Ein weiterer Damm drohte zu brechen
    Rund 300 Menschen dürften in der Schlammlawine aus dem Feijao-Bergwerk ums Leben gekommen sein, rund 250 werden noch vermisst. Die Retter suchen weiter nach Lebenszeichen, aber eigentlich haben sie keine Hoffnung mehr, noch Überlebende zu finden. Zumal sie am Sonntag die Suche unterbrechen mussten. Ein weiterer Damm drohte zu brechen, tausende Menschen mussten ihre Häuser verlassen. Erst am Nachmittag konnten die Menschen in das Tal zurück - und damit auch die Feuerwehrleute und Zivilschützer.
    Noch immer suchen viele Menschen nach ihren Angehörigen und Freunden. Sie fühlen sich schlecht informiert und allein gelassen - so wie Suely de Oliveira Costa, die ihren Mann vermisst. Ihr Haus lag knapp unterhalb des Bergwerks
    "Niemand sagt mir irgendwas, keiner gibt Antworten, ich bin verzweifelt. Hör auf mir zu sagen, dass alles gut wird, er ist doch längst tot, wie soll denn alles gut werden. Mein Gott, erst hat der Vale-Konzern Mariana zerstört, jetzt Brumadinho und niemand reagiert, welche Stadt machen sie wohl als nächste kaputt?"
    Das Foto zeigt eine braune Schlammflut und Trümmer eines Gebäudes nach einem Dammbruch in Brasilien. 
    Katastrophen in diesem Ausmaß sind in Zukunft nicht unwahrscheinlich, denn Bergbau-Unternehmen haben ihr Sicherheitsbudget reduziert. (dpa / Leo Drumond / Nitro)
    Von den Umweltschäden spricht niemand
    Denn erst vor drei Jahren war bei einem anderen Bergwerk, einem Tochterunternehmen des Vale-Konzerns, ein Damm gebrochen, der Abraumschlamm hatte den Fluss Rio Doce vergiftet. Diesmal sind die Folgen noch schwerer, die Katastrophe hat viel mehr Opfer gefordert - und über eventuelle Umweltschäden wird noch gar nicht gesprochen.
    Der Gouverneur verspricht harte Strafen für die Verantwortlichen und Entschädigungen für die Opfer, aber die Menschen glauben ihm nicht - denn auch nach der Katastrophe am Rio Doce gab es keine Konsequenzen. Luis Jardim Wanderley, Bergbau-Fachmann von der Staats-Universität von Rio de Janeiro sagt:
    "Es ist gut möglich, dass wir ähnliche Katastrophen erleben. Vielleicht nicht unbedingt in diesem Ausmaß - obwohl, sie könnten sogar noch größer ausfallen. Wir haben bei den Bergbau-Unternehmen in den letzten Jahren die Tendenz gesehen, ihr Budget für Sicherheit und Wartung zu kürzen, weil die Rohstoff-Preise stark gesunken sind. Wir müssen bei der Untersuchung genau überprüfen ob der Vale-Konzern bei der Kontrolle und Überwachung seiner Dämme gespart hat, selbst nach dem Dammbruch in Mariana.
    Bolsonaro sieht Sicherheitsauflagen als Hemmnis
    Der neue Präsident Bolsonaro dürfte wohl kaum strengere Regeln für Bergwerke erlassen - im Gegenteil. Er hatte im Wahlkampf erklärt, dass Umwelt-Auflagen und andere Beschränkungen die Entwicklung des Landes behinderten. Er will die Regeln für Bergbau lockern.
    "Diese Regierung macht keine Anstalten, die Regeln für Privatunternehmen und Umweltschutz strenger zu kontrollieren. Diese Regierung geht davon aus, dass Privatunternehmen grundsätzlich verantwortlich handeln, obwohl wir gerade das Gegenteil erlebt haben."