
Laut den zahlreichen Einträgen in Sozialen Medien haben vor allem junge Menschen mit einem Migrationshintergrund den 82-jährigen Musiker und dessen Texte für sich entdeckt. Es dürfte vor allem ihr Interesse gewesen sein, dass Meys Lied "In meinem Garten" zum bisher größten Charterfolg seiner über 60 Jahre währenden Karriere verholfen hat; neben all jenen, die Meys Musik bereits kannten und durch die Doku daran erinnert wurden.
In einer emotionalen Mitteilung wandte sich Mey am Wochenende an Haftbefehl, der mit bürgerlichem Namen Aykut Anhan heißt. Mey schrieb auf seiner Internetseite: "Danke, Aykut, für Deine Zuneigung und all das, was gerade daraus in unserem Garten erblüht."
Zuvor hatte sich Haftbefehl bei Reinhard Mey bedankt - "von Freude erfüllt"
Zuvor hatte sich Anhan an Mey gewandt. Mey ist bekannt dafür, eher zurückhaltend mit der Freigabe seiner Lieder und Texte für andere zu sein. Anhan äußerte sich auf Instagram "berührt" vom Umdenken bei Mey und dessen Team. Er schrieb, sie zögerten zunächst, an seiner Dokumentation teilzunehmen. Das sei durchaus "verständlich" gewesen, denn was sie zuvor im Netz über ihn gefunden hätten, weckte wohl eher Zweifel als Vertrauen.
Doch gerade deshalb "erfüllt es mich heute mit umso größerer Freude, dass Reinhard Mey nach dem Sehen der Doku persönlich zu mir fand, mir schrieb, und mir damit etwas gab, das tiefer geht als Zustimmung - eine stille, ehrliche Bestätigung".
Haftbefehl gilt vielen Benachteiligten als Repräsentant - vor allem jenen mit zusätzlicher Diskriminierungserfahrung
Haftbefehl erreicht mit seiner Musik vor allem Jugendliche. Vielen gilt er als Repräsentant wirtschaftlich und sozial benachteiligter Bevölkerungsschichten. Menschen, die dabei in Deutschland zusätzlich aufgrund ihrer Herkunft Diskriminierung und Ausgrenzung erfahren, fühlen sich von ihm besonders angesprochen.
Hintergrund des Wirbels um Reinhard Mey ist eine Schlüsselszene aus dem erschütternden Netflix-Dokumentarfilm "Babo – Die Haftbefehl Story". Der schwer suchterkrankte und teils um die Kriminalität abgerutschte Aykut Anhan macht darin seine persönliche Verbindung zu Reinhard Mey deutlich. Von Selbstzweifeln geplagt, sucht er am Geburtstag seiner Tochter in seinem Handy nach „In meinem Garten“. Als er das Lied findet, spielt er es ab und singt es mit.
Hype um Netflix-Doku über Haftbefehl reißt auch nach zwei Wochen kaum ab
Der Bezug des kurdischstämmigen Gangsterrappers Haftbefehl zu der deutschen Liedermacherlegende Reinhard Mey sorgte danach bei vielen für Verblüffung. Im Netz wurde Meys Lied von Haftbefehl-Fans zahlreich geteilt und in Videos nachgesungen. Die Fans geben sich überrascht, beeindruckt und angetan von Meys Text und Musik. Mey thematisiert darin Verlustängste und Beziehungssorgen.
Auch zwei Wochen nach der Premiere des Dokumentarfilms reißt der Hype kaum ab. Nachdem er tagelang in Deutschland, Österreich und der Schweiz an der Spitze der Netflix-Charts stand, hält er sich nun auf Platz 2.
Trotz umstrittener Texte gilt Haftbefehl auch Experten als wichtiger deutscher Künstler
Haftbefehl ist aufgrund seiner oft aggressiven und gewaltverherrlichenden Texte nicht unumstritten. Experten gilt er dennoch als einer der einflussreichsten Musiker im Deutschrap neben Anis Ferchichi, alias Bushido. Der Bremer Soziologe Martin Seeliger, der zum Rap forscht, erklärte im Deutschlandfunk Kultur, Haftbefehl sei "sehr wichtig". Nach Bushido in den Nullerjahren sei er es ab 2013/2015 gewesen, der das Genre in Deutschland geprägt habe. Er sei zum Prototyp des deutschen Gangsterrappers geworden – mit Einflüssen auf die Musik und die deutsche Sprache.
Haftbefehl habe zudem viele Dinge gemacht, die vor ihm niemand getan habe, fügte Seeliger hinzu. Dazu gehöre, verschiedene Sprachen in seinen Texten zu mischen; Kurdisch, Arabisch, Türkisch, Italienisch und andere.
Diese Nachricht wurde am 13.11.2025 im Programm Deutschlandfunk gesendet.
